Am Ende eines langen und teilweise emotionalen Verhandlungstages ist am Mittwochabend das Urteil gefallen: Der Angeklagte, der im Juli 2019 auf der Schwenninger Steige einen Verkehrsunfall verursacht hat, bei dem drei Menschen getötet und vier weitere schwer verletzt wurden (siehe Infokasten), wurde wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Bild 1: Todesfahrer von der Schwenninger Steige wird nach Raser-Paragraph zu Haft verurteilt
Bild: Steller, Jessica
  • Das Urteil: Mit der verhängten Freiheitsstrafe blieb das Schöffengericht knapp unter der möglichen und sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von den Vertretern der Nebenkläger geforderten Höchststrafe von vier Jahren. Zudem wurde die Fahrerlaubnis des Angeklagten eingezogen und er darf vor Ablauf von vier Jahren keine neue beantragen. In seiner Begründung sagte Richter Christian Bäumler, dass angesichts der Schwere der Tat eine Gefängnisstrafe unumgänglich sei. „Für so ein schweres Vergehen muss es eine deutliche Reaktion seitens der Justiz geben“, so Bäumler. Er sah den Tatbestand für die Anwendung des so genannten Raser-Paragraphen 315d des Strafgesetzbuches als erfüllt, wonach sich ein Fahrzeugführer verkehrswidrig verhält, wenn er sich „rücksichtslos im Straßenverkehr bewegt, um eine größtmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.“
Die Anteilnahme ist Tage nach dem Unfall immer noch groß.
Die Anteilnahme ist Tage nach dem Unfall immer noch groß. | Bild: Hahne, Jochen
  • Die Verteidigung: Der Verteidiger des Angeklagten forderte nach einem ausschweifenden Plädoyer eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren, die zur Bewährung hätte ausgesetzt werden sollen. Er führte an, dass sein Mandant in hohem Maße aufrichtige Reue gezeigt habe. Er habe sich schriftlich bei den Unfallopfern entschuldigt und freiwillig an die beiden betroffenen Familien jeweils 10 000 Euro als Schadenswiedergutmachung gezahlt, wofür er einen Kredit aufgenommen habe. Dies müsse bei der Strafbemessung berücksichtigt werden. Dies habe das Gericht berücksichtigt, so der Richter. „Sonst hätte ich den Falls ans Landgericht verweisen müssen“, so Bäumler.
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  • Die Nebenkläger: Die Nebenklägervertreter forderten während des zweiten Prozesstages, dass der Fall aufgrund der Schwere der Tat und der damit verbundenen möglichen höheren Bemessung des Strafmaßes an das Landgericht Konstanz abgegeben werde. Davon sah das Gericht per Gerichtsentscheid ab. Man wollte weder den Opfern noch dem Angeklagten ein weiteres Jahr der Ungewissheit zumuten. So lange würde es mindestens dauern, bis der Fall vor das Landgericht kommt.
Von den beteiligten Fahrzeugen bleiben nur Trümmer. In ihnen sterben drei Menschen.
Von den beteiligten Fahrzeugen bleiben nur Trümmer. In ihnen sterben drei Menschen. | Bild: Sprich, Roland
  • War es ein Rennen oder nicht? Nicht restlos aufgeklärt werden konnte die Frage, ob es sich bei dem Unfall um ein illegales Autorennen handelte oder ob der Angeklagte tatsächlich allein beteiligt die Steige hochgerast ist. Grund für den Zweifel warf der Chatverlauf eines Freundes des Angeklagten auf, der sich wenige Tage nach dem Unfall bei einem Journalisten per Facebook meldete und ihm angeboten habe, ihn bei Bedarf mit weiteren Informationen zu versorgen, da er dabei gewesen sei. Vor Gericht gab der Zeuge jedoch an, dies nur aus Ärger über die Berichterstattung in den Medien gesagt zu haben, die den Angeklagten in einem falschen Licht dargestellt hätten. Er sei nicht an der Unfallstelle gewesen. Nicht in diese Aussage passte wiederum die mittels Sprachnachricht belegte Aussage des Reporters, der wiederum von anderer Stelle die Information bekam, dass unmittelbar nach dem Unfall ein weiteres Fahrzeug oberhalb der Unfallstelle geparkt und die Insassen ausgestiegen seien, um nachzusehen, was passiert sei, um sich dann aber von der Unfallstelle zu entfernen, ohne Hilfe zu leisten. Eine derartige Information habe auch die Sachverständige, die wenige Stunden nach dem Unfall an der Steige eintraf, vor Ort zu Ohren bekommen. Für die Staatsanwaltschaft war dies ausreichend, um gegen den Zeugen ein Ermittlungsverfahren wegen eines Anfangsverdachts wegen eines illegalen Autorennens einzuleiten.
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  • Anlass wirklich ein Kratzer im Lack? Die Staatsanwaltschaft bezweifelte, das der Grund dafür, dass der Angeklagte an jenem Juliabend gegen 22.50 Uhr mit der „hirnlosen Geschwindigkeit“ von 146 Stundenkilometern die Steige hochgerast sei, ein Kratzer in der Heckstoßstange seines BMW gewesen war, den der Angeklagte entdeckt haben will und weshalb er zu einem BMW-Autohaus fahren wollte, um zu sehen, wo er sich den Kratzer zugezogen haben könnte. An dem Samstagabend hätte er vor Ort nichts ausrichten können, so der Staatsanwalt. Auch die Aussagen seiner beiden Freunde, mit denen er an jenem Abend zunächst gemeinsam grillte und die ihn als verschlossen und ruhig und gedanklich abwesend beschrieben, da ihn besagter Lackkratzer so beschäftigte, passe nicht zu der eigenen Aussage, dass ihn das Entdecken des Kratzers „auf 180“ gebracht habe.
Dutzende Einsatzkräfte eilen nach dem katastrophalen Crash an die Unfallstelle.
Dutzende Einsatzkräfte eilen nach dem katastrophalen Crash an die Unfallstelle. | Bild: Sprich, Roland
  • Gutachten attestiert Hang zum schnellen Fahren: Die Verkehrsgutachterin zog aus der Spurenlage vor Ort die Kenntnis, dass sich der Angeklagte seiner Geschwindigkeit bewusst gewesen sein muss. Aufgrund der in der Kurve stark wirkenden Fliehkräfte „hätte jeder normale Autofahrer gemerkt, dass er zu schnell ist.“
  • Hätte das Baby überleben können? Das rechtsmedizinische Gutachten konnte keine eindeutige Antwort darauf geben, ob der Säugling, der, ebenso wie die weiteren Mitfahrer auf dem Rücksitz des entgegenkommenden Fahrzeugs saß, hätte überleben können, wenn er angeschnallt oder in einem speziellen Kindersitz gesessen hätte. Die Gutachterin räumte eine „mögliche Überlebenschance“ ein.

Fast eine Mordanklage

  • Haarscharf an Mordanklage vorbei: Dass der Angeklagte nur haarscharf an einer Mordanklage vorbeigeschrammt ist, verdeutlichte der Staatsanwalt. Nur aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte bei seinem Tun gehofft habe, dass alles gut gehen und ihm selbst und seinem Auto nichts passieren werde, sei man von einer Mordanklage abgerückt.
  • Das letzte Wort: Der Angeklagte beteuerte unter Tränen und mit gebrochener und schluchzender Stimme, wie sehr er den Unfall bedauere. Er müsse Tag und Nacht damit leben und wisse, dass er es nicht mehr gutmachen könne. Dann versagte seine Stimme.