„Es soll Glück bringen“, sagt Dietmar Birk. Seit vielen Jahren klettert der inzwischen 85-Jährige immer zur Weihnachtszeit auf Obstbäume.
Er hat eine lange Leiter aus Stahl dabei. Zehn bis zwölf Meter hoch hat der Rentner dieses Jahr noch geschafft. Schwindelfrei. Auf Obstbäumen im Simonswälder Tal, im Kinzigtal, am Bodensee oder ausnahmsweise in Frankreich erntet Birk die jedes Jahr zum Advent begehrten Glücksbringer: Misteln.
Wie alles angefangen hat
Birk war Holzfäller für den Fürstlich Fürstenbergischen Forst in Donaueschingen. Auf sein Hobby stieß er zufällig. Ein Bekannter verkaufte auf dem Weihnachtsmarkt in Stuttgart Honig und brauchte Weihnachtsdeko. „Er hat mich dann gefragt, ob ich ihm ein paar Mistelzweige besorgen könnte. Das habe ich dann gemacht. Und dann wollten die anderen Standbetreiber auch Misteln. So hat es angefangen“, erzählt Birk.
Das war 1975 und der gelernte Forstwirt lebte in einer Dienstwohnung des Fürstlich Fürstenbergischen Forstes in St. Georgen-Oberkirnach. „Damals gab es ja noch einen Haufen Misteln“, erinnert er sich.
Die Mistel: zauberhaft und mysteriös
Mit der Ernte begann er auf Streuobstwiesen im Bregtal. „Die Bauern waren froh, wenn jemand die Misteln geholt hat“, erinnert er sich. Die Nachfrage nach seinen Misteln stieg und Birk verkaufte auch an Gärtnereien und Blumengeschäfte im ganzen Umkreis. Bis nach Freudenstadt und Stuttgart reichte die Nachfrage.
Mit den Apfelbäumen verschwinden die Misteln
Am besten gedeihen die Misteln auf alten Apfelbäumen, findet Birk. Doch es gibt immer weniger davon. „Die Bauern können immer weniger mit dem Obst anfangen. Es hat keiner Zeit, das zu ernten und es rentiert sich nicht mehr.“ Früher habe es noch Zuschüsse gegeben für neue Obstbäume. Im Hegau und im Kinzigtal könne man noch Bäume finden, erzählt Birk, der in Engen im Hegau geboren ist. Dieses Jahr erntete der Forstwirt zum Beispiel in Oberentersbach bei Zell am Harmersee im Kinzigtal.

Schon früh im November hatte sich Dietmar Birk die Bäume ausgesucht. „Ich rede dann mit den Bauern und zahle ihnen etwas. Entweder eine schöne Mistel oder einen kleinen Betrag.“ Einmal habe ein Bauer mit einem wunderschönen Baum voller Glücksbringer 100 Euro haben wollen. Das ist dann natürlich zu viel für den Rentner, der mit dem bescheidenen Erlös seit Jahren Weihnachtsgeschenke kaufen kann.
In luftiger Höhe fällt die Entscheidung
Ein Tag der Mistelernte beginnt gegen sieben Uhr. Ab 9 Uhr spätestens werden die Kultpflanzen von den Bäumen geholt. Diese sollten dabei nicht beschädigt werden. „Erst wenn ich ganz oben auf der Leiter bin, sehe ich, an welchem Zweig die Mistel hängt und weiß, welchen Ast ich abschneiden muss“, berichtet Birk, der manchmal Unterstützung von seinem Neffen erhält. Die Misteln werden auf einen Anhänger geladen und nach Furtwangen transportiert, wo Birk inzwischen wohnt.

Auf dem Furtwanger Barbaramarkt fand Birk viele Jahre Abnehmer für seine Misteln. 2022 reicht die Ernte allerdings nicht. Der Forstwirt erzählt, er habe einem Bauern die Ernte auf einem Obstbaum mit scheinbar vielen schönen Misteln abgekauft. Doch der Baum sei voller Läuse und die Misteln vertrocknet gewesen. Jetzt reicht es gerade noch für private Nachfragen vom Stammkunden.
Gesundheitliche Einschränkungen
Die Arbeit an der frischen Luft macht ihm Spaß. Seit 2001, als er wegen eines Rückenleidens Rentner wurde, hat Dietmar Birk 19 Jahre für den SÜDKURIER als Zusteller gearbeitet. Jeden Morgen um 2.30 Uhr ist er aufgestanden. Später war er für den Außenbereich zuständig, fuhr jeden Tag 50 Kilometer mit dem Auto.
Nach einer Knie-Operation und gesundheitlichen Einschränkungen blieb dem Rentner nur noch das Mistel-Hobby zur Weihnachtszeit. Und sein Forellenweiher, den er gepachtet hat. „Früher habe ich St. Georgen mit Weißmannstannen versorgt, privat und auf Nachfrage“, erinnert er sich.
Seine zweite Frau Ingrid lernte Dietmar Birk 1991 auf dem Furtwanger Trödlermarkt kennen. Mit ihr genießt er den Lebensabend und natürlich auch die Weihnachtszeit. Er hat sein Glück gefunden.