Long Covid, Post Covid – die Begrifflichkeiten mischen sich oft, streng genommen handelt es sich aber um zwei verschiedene Phänomene. „Von Long Covid spricht man, wenn vier Wochen nach Erkrankunsbeginn noch Symptome vorhanden sind oder neu auftreten“, sagt Matthias Siegel. Der Allgemeinmediziner ist in der Bad Dürrheimer Espan-Klinik tätig und betreut dort die verhaltensorientierte Reha.
1500 Reha-Patienten
Von Post Covid spreche man, wenn die Beschwerden länger als zwölf Wochen andauern. „In der Klinik vermischt sich das häufig“, sagt er. In der Espanklinik waren bisher 1500 Patienten nach einer Covid-Erkrankung zur Reha.
Generell sei die Datenlage zwei Jahre nach Beginn der Pandemie noch nicht sehr valide, sagt er. „Für Studien ist das gar kein Zeitraum. Da braucht es normalerweise fünf bis zehn Jahre.“ Dennoch haben sich schon jetzt einige Erkenntnisse gezeigt:
- Wer besonders gefährdet ist: Häufig seien Patienten von Post Covid betroffen, die ohnehin einen schwereren Verlauf hatten, vor allem, wenn sie stationär behandelt wurden. „Bei den meisten setzen sich die Anfangssymptome fort“, sagt Siegel. Allerdings sehe man auch Fälle, bei denen nach einem zunächst harmlosen Verlauf nach zwei oder drei Monaten Post Covid-Beschwerden hinzu kommen. Hier zeige sich bisher: Frauen seien häufiger betroffen und je älter die Patienten sind, umso höher sei das Risiko, Langzeitfolgen zu
erleiden.

- Viele Symptome: Die Symptome für Long Covid und Post Covid werden in insgesamt sechs Gruppen zusammengefasst, erklärt der Mediziner: Zum einen die chronische Müdigkeit (Fatigue), die aber auch nach anderen Virusinfekten wie dem Pfeifferschen Drüsenfieber vorkommen kann. Fatigue werde besonders häufig beklagt. Weitere Gruppen sind Atemnot bei Belastung, kognitive Einschränkungen wie Wortfindungs- oder Gedächtnisstörungen, Geschmacks- und Geruchsstörungen, muskuläre und psychische Probleme, angefangen von Antriebslosigkeit über Energielosigkeit bis hin zu depressiver Symptomatik.
- So wird behandelt: „Bei Post Covid sind wir nach wie vor hilflos, weil die körperliche Ursache nicht wirklich klar ist“, sagt Matthias Siegel und nennt ein Beispiel: Eine sportliche Reha-Patientin, Marathonläuferin und Rennradfahrerin klagt darüber, dass sie nicht einmal mehr joggen gehen kann und das Rennrad gegen ein E-Bike eingetauscht habe. Nach fünf Treppenstufen ist sie fix und fertig. Die Lungenfunktionsprüfung ergibt: alles normal. „Sehr oft können wir körperlich nichts feststellen. Es gibt viele Hypothesen, warum das so ist, doch keine hat sich bisher bestätigt“, berichtet Siegel aus dem Klinikalltag. Daher werde vielfach symptomatisch behandelt. Bei Atemnot werde beispielsweise das Training so aufgebaut, dass sich die Kondition verbessere. „Viele müssen ihre Leistungsgrenzen neu definieren.“ Viele würden das Level „vor Covid“ nicht mehr erreichen. „Von dieser Vorstellung muss man sich ein Stück weit lösen.“
- Wann zum Arzt? Wer nach drei Monaten immer noch deutliche oder neu hinzugekommene Beschwerden hat, sollte diese fachärztlich abklären lassen. „Ein Husten kann durchaus mal sechs bis acht Wochen andauern.“ Bei anhaltenden Beschwerden sei der Hausarzt der erste Ansprechpartner, der dann zum Facharzt überweist – zumeist zu Herz- oder Lungenspezialisten, zu Neurologen oder Orthopäden.