Die Unterstützung bei Behördengängen und eventuell auch finanzielle Unterstützung ist das eine, doch auch von psychologischer Seite gilt es einiges zu beachten. Astrid Sterzel ist Geschäftsführerin von Refugio Villingen-Schwenningen. Traumatherapeut Manfred Kiewald hat sehr viel Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die beiden geben Hinweise zum richtigen Umgang mit den Geflüchteten.

Flucht ist immer weiblich und jung

Betroffen von der Flucht sind vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen. Männer dürfen aus der Ukraine in der Regel derzeit nicht ausreisen. Schon jetzt dürfte aber auch klar sein, dass viele unbegleitete Minderjährige flüchten werden, denn 100.000 Kinder leben dort in Waisenhäusern, berichtet Astrid Sterzel.

„Wenn die Geflüchteten hier ankommen, brauchen sie zunächst Ruhe. Lassen Sie sie ankommen“, geben die Fachleute von Refugio einen wichtigen Rat und sagen weiter: „Heißen Sie sie willkommen. Zeigen Sie Mitgefühl, aber nicht Mitleid. Hören Sie zu. Lassen Sie erzählen, aber fragen Sie nicht aus.“

Darüber hinaus sei Unterstützung im Alltag wichtig. Auch gemeinsame Aktionen wie zum Beispiel gemeinsames Kochen oder Spaziergänge seien gut. So könne man die Menschen auch mit der neuen Lebenswelt vertraut machen. „Bei all dem, nehmen Sie sich selbst nicht so wichtig“, betont Refugio.

„Lassen Sie die Menschen erstmal ihren Koffer abstellen. Sie brauchen vor allem Ruhe und Stabilität.“
Astrid Sterzel, Geschäftsführerin von Refugio Villingen-Schwenningen

Erinnerung an den Krieg liegen oft schwer auf der Seele. Doch sollte man Betroffene direkt darauf ansprechen? Nein, direktes Nachfragen kann sogar schädlich sein. Jedoch sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, bei der die Menschen von sich aus erzählen oder Fragen stellen können.

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In vielen Fällen haben die Geflüchteten aber natürlich große Probleme das Erlebte zu verarbeiten. Bei Kindern können sich Traumata beispielsweise darin äußern, dass sie in eine Ecke kauern oder dass wenige auch laut werden. Jugendliche ziehen sich oftmals zurück oder entwickeln ein auffälliges Verhalten als Draufgänger oder auch sexualisiertes Verhalten. Erwachsene können posttraumatische Belastungsstörungen entwickeln.

Quälende Erinnerungen haben Folgen

Im Alltag können quälende Erinnerungen und innere Bilder seelische Folgen auslösen. Zum Beispiel:

  • Die Menschen können diesen zum Beispiel wie in einem wiederkehrenden Film ausgeliefert sein.
  • Auch geistige Abwesenheit oder plötzliche Ohnmachtsanfälle können Hinweise auf psychische Probleme sein.
  • Überwältigt durch starke Gefühle kann es bei den Menschen zu Ängsten oder Panikattacken kommen.
  • Trauer beim Verlust von Familienangehörigen kann sich in Weinkrämpfen äußern.
  • Wut und hohe Reizbarkeit können Folgen der inneren Machtlosigkeit sein.
  • Jegliche Lebensfreude kann abhandenkommen.
  • Nachts können traumatisierte Menschen Schlafschwierigkeiten haben oder sogar Suizidideen entwickeln.
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Das Gefühl des Nicht-Geborgenseins und des etwas aushalten Müssen können dafür Auslöser sein. Hier sind die Sensoren der Helfer, der Kontaktpersonen wie Lehrer oder Erzieher gefragt. Im Zweifel, so lautet der Rat von Refugio, sollte unbedingt professionelle Hilfe geholt werden.

Persönliches Engagement kann belastend sein

„Persönliches Engagement kann ein sehr beglückendes Gefühl sein, es kann aber auch zur eigenen Belastung werden“, weiß Astrid Sterzel darüber hinaus. Das Bewusstsein, wie langfristig und vielschichtig die Thematik sei, wachse bei vielen erst im Laufe der Zeit. Refugio bietet deshalb auch für Helfer Unterstützung an. In der Broschüre „Zuhören hilft“ sind wertvolle Tipps im Umgang mit von Krieg und Menschenrechtsverletzung Betroffenen zusammengefasst. Sie kann bei Refugio per E-Mail an info@refugio-vs.de angefordert werden.

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Ende Mai oder Anfang Juni soll es in Villingen-Schwenningen zudem ein offenes Forum zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Kriegserfahrung geben, zu dem alle Interessierten eingeladen sind. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

Hoffen auf Aufmerksamkeit für Geflüchtete aus allen Krisengebieten

Flucht sowie traumatische Erlebnisse infolge eines Krieges seien in Deutschland durch seine Geschichte noch immer allgegenwärtig. Es gebe bei den Menschen noch viel persönliche Betroffenheit. Zusätzlich bekomme die Bedeutung eines Krieges jetzt in der Öffentlichkeit wieder mehr Aufmerksamkeit, sagt Astrid Sterzel.

Mit der gestiegenen Aufmerksamkeit verbindet sie eine besondere Hoffnung, nämlich die, dass „alle Geflüchteten, egal aus welchem Herkunftsland jetzt wieder mehr Aufmerksamkeit erhalten“. Bei allem wichtigen Engagement für die vom Krieg in der Ukraine Betroffenen dürfen die Menschen aus anderen Krisengebieten nicht vergessen werden.