Wie kam es in VS zu diesem Schritt und welche Rolle spielen dabei Bundes- und Landespolitik?

Zuerst einmal würde ich das Thema gerne als VS Modell sehen. Tübingen war sicher Vorreiter, aber wir haben uns ja unsere eigenen Gedanken dazu gemacht und der Landesregierung mit auf den Weg gegeben. Das Thema beinhaltet zwei Aspekte: Erstens Handel, Gastronomie, Kultur halten nicht mehr lange durch. Es ist gefühlt fünf vor zwölf und diese Erkenntnis ist sicher auch der Bundes- und Landespolitik bewusst. Zweitens braucht die Politik mehr und bessere Informationen als Grundlage für zukünftige Entscheidungen. Das Testmodell VS kann da sicher einen Beitrag leisten, denn mit dem Virus werden wir leben lernen müssen.

Wie weit sind Sie in VS in der Sache nun vorangekommen?

Es gab erste Gespräche und Abstimmungen zu diesem Konzept und daraufhin mein Schreiben an das Staatsministerium mit Ministerpräsident Kretschmann und das Sozialministerium von Herrn Lucha. Wir hoffen nun gemeinsam mit den Betroffenen und natürlich auch mit dem Landkreis auf eine schnelle Aufnahme der Verhandlungen. Begleitend dazu geschieht die Schärfung des Konzeptes mit vorbereitenden Gesprächen. Wichtig ist dabei, dass sich viele daran beteiligen und dies dann auch konkret und konsequent umgesetzt wird. All diejenigen ohne Handy, bekommen ja eine tagesaktuelle Bescheinigung – wenn gewünscht – zum Vorzeigen.

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Wie laufen die Gespräche mit Händlern, Gastronomen, Kulturschaffenden?

Die Idee steht im Raum und als Oberbürgermeister führe ich dazu natürlich viele Gespräche mit Händlern, Gastronomen, Kulturschaffenden. Die Idee und Forderung kam ja zu einem Teil auch von den Betroffenen. Darüber hinaus gibt es eine regelmäßige Abstimmungsrunde von WTVS mit IHK, der Dehoga und dem GVO. Wir warnen aber auch vor allzu hohen Erwartungen, der Ball liegt aktuell nicht bei uns.

Gelingt es, dieses Angebot in VS kostenfrei für Anbieter und Kunden aufzuziehen? In Tübingen hat OB Palmer einen Sponsor gefunden, der dabei hilft. Wie sieht das in VS aus?

In Tübingen gab es andere Voraussetzungen zum Start, beginnend mit einer Initiative des DRK, einem Angebot eines Unternehmers, die dann die Stadt Tübingen aufgegriffen hat. Inzwischen gibt es vom Bund die aktualisierte Testverordnung. Die Tests werden entweder zur Verfügung gestellt oder können beschafft und abgerechnet werden. Zur Zeit haben wir vom Land ausreichend Schnelltests erhalten.

VS-OB Jürgen Roth
VS-OB Jürgen Roth | Bild: Hahne, Jochen

Wie lange soll es das Tübinger Modell in VS geben?

Das kann man heute noch nicht genau sagen wie lange das VS-Modell gehen soll. Es ist ein Test und für erste Ergebnisse benötigt man eine gewisse Zeit. Dann lernen wir ja auch im Versuch und verbessern die Parameter laufend. Somit brauchen wir für valide Aussagen zu weiteren Schritten auch jeweils einen Mindestzeitraum von ein paar Wochen. Dazu kommen hoffentlich die laufenden Impfungen, was die Testungen sicherlich immer mehr zurückgehen lässt.

Sie sind ja in der CDU-Kreisratsfraktion mit zahlreichen Bürgermeistern etwa aus dem südlichen Landkreis verbunden. Warum gibt es kein gemeinsames Vorgehen?

Solche Themen werden natürlich in der Bürgermeister-Runde angesprochen. Für einen Test benötigt man eine sinnvolle, auch organisatorische Einheit zur Umsetzung. Irgendwo muss man schließlich eine räumliche Grenze ziehen, wie zum Beispiel bei der Initiative der Südbaar-Kommunen, sonst ist irgendwann ganz Baden-Württemberg Testregion. Das Thema Kultur und Einkaufsläden ist aufgrund unserer Größe auch ein für uns Herausragendes. Aber all das ist kein Wettstreit, sondern ein Versuch, es mit eigenen Gedanken in der Pandemie für alle einfacher zu machen.

Gibt es Ideen oder Angebote, andere Gemeinden ins Boot zu holen wie etwa Mönchweiler, Brigachtal, Unterkirnach?

Ein wichtiger Baustein ist ja, dass wir weder die Bürger noch die testenden Institutionen der Umlandgemeinden diskriminieren wollen. Ein Test aus Mönchweiler, Brigachtal, Unterkirnach zählt genauso viel wie einer aus VS. Die anderen Kommunen werden bei sich ebenfalls Angebote etablieren. Die gleiche App und somit bekommen wir ein rundes Konzept hin.

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Wer bezahlt die Tests in VS und wer führt diese durch – das Rote Kreuz?

Das Land und der Bund sehen nach der aktuellen Testverordnung Bürgertests vor und bezahlen auch für den Test und die Durchführung. Wir wollen flexibel sein in der Nachfrage, agil in den Rahmenbedingungen und dezentral testen mit verschiedenen Akteuren. Dies wären zum Beispiel städtische Mitarbeiter, Feuerwehr, DRK, andere Organisationen der Blaulichtfamilie, die KV, Ärzte und Apotheken. Wir wollen keine Hotspots während Bürger auf eine Testung warten generieren. Da haben wir gute Konzepte, um das zu verhindern.

Tübingen ist schon wieder einen Schritt weiter und hat ein Armband eingeführt, das den Zugang zu Geschäften und Gastronomie für Bürger regelt. Wollen Sie das auch für VS?

Das müssen wir noch prüfen, nochmals gesagt, das ist kein Wettstreit! Es sind viele Anbieter auf dem Markt und jede Kommune bekommt regelmäßig Angebote. Auch die Luca App bietet beispielsweise bereits eine ähnliche Lösung. Ob eine Bescheinigung oder ein Band um das Handgelenk; es ist beides zielführend.

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Aktuell steigt die Schwarzwald-Baar-Inzidenz an. Kommen Sie mit Ihrer Tübinger Kopie nicht zu spät?

Nein, wieso? Die dahinterstehende Logik ist doch weiterhin oder erst recht gültig. Testen ermöglicht einen Mehrwert für die Bürger und testen führt zu mehr Früherkennung von Infektionen, einer besseren Nachverfolgbarkeit und verhindert letztendlich eine noch höhere Inzidenz. Durch Testung entsteht keine Erhöhung der Inzidenz. Dies kommt erst in die Statistik, wenn der PCR-Test auch positiv wäre! Letztes Wochenende hatten wir 218 Testungen, 2 waren Positiv; also kommen maximal 2 in die Statistik, aber erst wenn der Test vom Labor bewertet wurde.

Was wird aus dem Tübinger Modell in VS, wenn die Inzidenz über 100 steigt?

Wie die Inzidenz auch, ist das doch relativ zu betrachten. Wir vereinfachen das Miteinander im Einzelhandel, der Kultur und den Gaststätten – wenn Letztere mal aufmachen dürften. Die Frage, ob bei 90 oder 110 sich etwas verändert, ist relativ. Das System, sich vor Ansteckung zu schützen, ist entscheidend. Draußen stecken sich kaum Menschen an – das ist durch das Jahr Erfahrung im Kreis belegt. Also mal schauen welchen Entscheidungsspielraum wir erhalten; den werden wir unbedingt ausnutzen auf dem Weg unseres Models.

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Wie schauen Sie als Rathaus-Chef auf die Viruslage in der Stadt: Freuen Sie sich über das frühlingshafte Leben in den Einkaufsstraßen oder graust es Ihnen ein bisschen auf Grund der damit möglicherweise einhergehenden Ansteckungsgefahren?

Ich freue mich erst einmal über den Frühling, einhergehend mit Gartenarbeiten, Spaziergängen, Wanderungen und Radfahren. All das ist ja im kleinen Rahmen weiterhin erlaubt. Ich bin mir auch sicher, dass der Großteil der Bevölkerung vernünftig mit der Situation umgeht und es daher keine erhöhte Ansteckungsgefahr geben wird. Das Testmodell VS würde diese eher weiter reduzieren; das ist der Ansatz. Das Risiko ist jedoch da und die Mutante B 1.1.7 hat mittlerweile einen hohen Anteil an den Ansteckungen. Wenn wir also diszipliniert und aufmerksam bleiben, hilft das bei der Eindämmung sehr!

Wie ist die Lage bei der Stadtverwaltung: Wie viele Positivfälle hatten Sie bis heute, wieviel Kurzarbeit gibt es und wie nutzen Sie die Beschäftigung der Teams im Homeoffice?

Bis heute gab es in der Stadtverwaltung 119 positive Fälle von 1500 Mitarbeitenden. Wir haben in wenigen Bereichen Kurzarbeit angemeldet und diese kann je nach Bedarf unterbrochen werden. Wir müssen da flexibel auf die sich ändernden Gegebenheiten reagieren können. Im Februar waren es 306 Beschäftigte, im März nur noch 61. Das geht einher mit der Wiederöffnung der Kitas, Öffnung der Museen, aber auch mit zusätzlichen Bedarfen in den Ämtern aufgrund einer erhöhten Belastung durch Corona-bedingte Aufgabe wie jetzt etwa Testen. Im Bereich mobiles Arbeiten, Home-Office und Digitalisierung haben wir einen Sprung nach vorne getan. Wo immer möglich, sind wir als Stadtverwaltung dezentral für di,e Bürger unterwegs und erreichbar.

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