Es hört sich eigentlich ganz einfach an: Jeder Bürger, der gerne in einem Restaurant essen, in einem Bekleidungsgeschäft einkaufen oder durch einen Buchladen stöbern will, muss vorher einen Coronatest machen. Fällt der negativ aus, steht dem mittlerweile fast schon vergessenen Innenstadterlebnis für einen Tag nichts im Weg. Am nächsten Tag geht das Spiel von vorne los. Und was sich so einfach anhört, ist in Tübingen bereits Realität.

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In der Stadt nahe Stuttgart, in der Boris Palmer Oberbürgermeister ist, wird das Modell „Öffnen mit Sicherheit“ drei Wochen getestet – bislang mit großem Erfolg. Sagt zumindest die Universität Tübingen, die den Testlauf wissenschaftlich begleitet. Die Inzidenzzahl spielt in der schwäbischen Stadt somit keine Rolle mehr, wenn es um Ladenöffnungen geht.

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Gefallen gefunden am Tübinger Modell hat auch VS-Oberbürgermeister Jürgen Roth. Er hat sich nun beim Sozialministerium für das Modellprojekt beworben. Profitieren von einer Öffnung würden in erster Linie Unternehmer aus der Innenstadt. Der SÜDKURIER hat sich mit einigen über ein mögliches „Villinger Modell“ unterhalten.

Guckloch wäre startklar

Seit November ist das Kommunale Kino „Guckloch“ in der Villinger Kalkofenstraße nun schon wieder geschlossen. Geschäftsführer Kilian Schmidt würde eine Öffnung unter den Tübinger Gegebenheiten begrüßen: „Ich kenne einige Tübinger Kino-Kollegen und höre, dass das bislang ausgesprochen gut läuft. Auch die Gäste waren begeistert, die Kinos sind voll. Wir wären beim Modellversuch auf jeden Fall dabei“, sagt er gegenüber dem SÜDKURIER.

Ein Blick ins Villinger „Guckloch“.
Ein Blick ins Villinger „Guckloch“. | Bild: Guckloch-Kino Villingen

Und weiter: „Die Leute haben Hunger nach Kultur.“ Und die könnten er und seine Mitarbeiter ihnen auch anbieten. Schmidt: „Es gibt genügend Arthouse-Filme, die gedreht wurden und im Verleih sind. Wir hätten also genug, was wir zeigen könnten.“ Finanziell kommt das „Guckloch“ über die Runden, für die Motivation und die Stimmung der Mitarbeiter sei die Schließung aber nicht gut.

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Sollte das Tübinger Modell nicht nach Villingen kommen, könnte Schmidt, vorausgesetzt es gibt eine neue Corona-Verordnung, dennoch problemlos öffnen: „Wir dürften ein Drittel des Saales belegen. Wir könnten die Abstände einhalten und lüften. Und die Tickets sind seit dem vergangenen Sommer ohnehin personalisiert.“

Blueboxx: Zu wenig Filme vorhanden

Ebenfalls kurzfristig offen hatte im vergangenen Jahr die „Blueboxx“ in Villingen. mit Kino-Chef Hans Müller. Er ist auch grundsätzlich für ein Tübinger Modell in VS, steht aber vor einem anderen Problem: „Es gibt keine Filme.“ Einer seiner Verleiher habe ihm gesagt, dass die Filme erst dann rausgegeben werden, wenn der Großteil der Kinos in Deutschland auf hat. Vorher würde sich das nicht lohnen.

Für das Kino „Blueboxx“ wäre das Tübinger Modell sinnlos. Es gebe schlicht derzeit zu wenige Filme, die gezeigt werden könnten.
Für das Kino „Blueboxx“ wäre das Tübinger Modell sinnlos. Es gebe schlicht derzeit zu wenige Filme, die gezeigt werden könnten. | Bild: Fröhlich, Jens

Sollte das Tübinger Modell kommen und sollten genügend Filme da sein, wäre eine Öffnung für Müller aber nur unter einer Prämisse möglich: „Wenn die Gäste während des Filmschauens eine Maske tragen müssen und somit nichts verzehren können, habe ich keine Lust darauf.“ Das gelte für das Villinger Kino mit fünf Sälen und für das in Balingen mit sieben.

Auch Einzelhändlerin dafür

Auch Simone Baumhäckel von Wiebelt Lifestyle aus Villingen findet das Modell gut. „Ich würde mich sehr über so eine Initiative freuen“, sagt die Geschäftsführerin. Sie findet gut, dass sich die Politik kümmert und dass man sieht, dass man den Stadtvertretern nicht egal sei. Das Bemühen ist für sie ein wichtiges Signal. Baumhäckel: „Am Anfang des Jahres ging es um eine Erhöhung der Parkgebühren und der Gewerbesteuer. Das war das falsche Signal.“

Simone Baumhäckel und ihr Geschäftspartner Patrick Weigert von Wiebelt Lifestyle.
Simone Baumhäckel und ihr Geschäftspartner Patrick Weigert von Wiebelt Lifestyle. | Bild: Trippl, Norbert

Das Tübinger Modell in Villingen würde Baumhäckel untersützen: „Wir müssen schauen, dass wir die Innenstadt am Laufen halten. Wie würde unsere tolle Stadt denn ohne einen lebendigen Kern aussehen?“ Weil man nicht weiß, wie lange Corona noch dauert, müsse man etwas tun. Die Tests und die Tagespässe seien da eine richtige Idee.

Gastronomen für das Tübinger Modell

Gastronom Andreas Pfaff ist „auf jeden Fall“ für das Tübinger Modell in Villingen: „Ich gehe davon aus, dass die Corona-Zahlen dann, wie auch in Tübingen, erst mal hochgehen werden. Langfristig werden sie aber sinken“, sagt der „Rebstock“-Chef aus der Niederen Straße. Seine Sorge schließt an den erwähnten Effekt an: „Schlecht wäre es nur, wenn das Modell bundesweit umgesetzt würde. Dann würden die Zahlen wie erwähnt hochgehen und alles müsste wieder schließen.“

Grundsätzlich aber befürwortet Pfaff die Bewerbung des Oberbürgermeisters. In Kombination mit der Luca-App, für deren Einführung der Landkreis jüngst erst den entsprechenden Vertrag unterzeichnet hat, könne eine Öffnung funktionieren. „Für uns wäre das auch eine gute Gelegenheit, wieder Umsatz zu machen. Ich glaube auch, dass sich viele einen Tagespass nach dem Coronatest holen würden“, sagt Pfaff. Dennoch, da ist er sich sicher, würde eine solche Maßnahme „zu vielen Diskussionen führen“. Sollte das Tübinger Modell nach Villingen kommen, sagt der Gastronom weiter, müsse das aber für alle, nicht nur für Restaurantbesitzer, möglich sein. Klar ist für Pfaff: „Alles, was man macht, ist besser als jetzt.“

Gastronom gegen das Tübinger Modell

Das sieht sein Kollege Andreas Wittkopf anders. Gegenüber dem SÜDKURIER sagt der Betreiber des Gasthauses Ott in der Färberstraße: „Wie soll das denn funktionieren? Wenn ich in der Mittagspause in ein bestimmtes Restaurant will, muss ich erst anstehen, mich dann testen und auf das Ergebnis warten. Bis ich fertig bin, ist meine Pause vorbei.“ Wittkopf meint: „Das bringt nichts.“ Zumindest nicht in der Gastronomie.

Domenico Wittkopf vom Gasthaus Ott.
Domenico Wittkopf vom Gasthaus Ott. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Die Idee sei theoretisch gut, praktisch aber nicht machbar. Ohnehin, so der „Ott“-Betreiber, könne er nicht verstehen, warum man sich vor dem Besuch eines kleinen Ladens mit nur wenigen Kunden am Tag testen lassen muss, gleichzeitig aber in einen überlaufenen Supermarkt völlig ohne Test gehen darf. Wittkopf findet: „Man sollte die Energie und das Geld lieber in die Impfungen stecken. Das wäre sinnvoller.“