Wenn Nick etwas essen möchte, zeigt er auf seinen Mund. Möchte er Autofahren, imitiert er Lenkrad-Bewegungen. Und immer, wenn Nick einen Hund sieht, dann leuchtet sein ganzes Gesicht und es braucht keinerlei Worte, um zu verstehen, was in ihm vorgeht.

Immer, wenn Nick mit Hunden Zeit verbringt, ist er ausgeglichen und entspannt.
Immer, wenn Nick mit Hunden Zeit verbringt, ist er ausgeglichen und entspannt. | Bild: Vanessa Falbo

Nick ist vier Jahre alt. Im Gegensatz zu Gleichaltrigen kann Nick weder sprechen noch gehen. Denn Nick leidet an einem selten Gendefekt – dem sogenannten Joubert-Syndrom. In der Konstellation, wie es bei Nick der Fall ist, ist er einer von nur neun Menschen weltweit, erzählt Vanessa Falbo.

„Den Kopf in den Sand zu stecken bringt nichts“

Vanessa Falbo ist die Mutter von Nick. Die 38-Jährige versteht ihren Sohn auch ohne Worte. „Manchmal kommunizieren wir nur mit den Augen“, sagt sie und lächelt. Vanessa Falbo und Nick leben in Peterzell. Sie ist alleinerziehend, ihr Alltag dreht sich um Nick. Die meiste Zeit ist sie damit beschäftigt, ihn zu pflegen. Einen „kleinen Schlawiner“ nennt sie ihren Sohn liebevoll. Abends geht sie mit Nick gerne ins „Il David“ nach Königsfeld. Seit 20 Jahren arbeitet sie dort im Service und liebt es, ihre Freunde um sich zu haben. „Ich versuche, es positiv und hoffnungsvoll zu sehen“, sagt Falbo über die Situation. „Den Kopf in den Sand zu stecken bringt ja nichts.“ Vanessa Falbo weiß nur zu gut, dass sich ihr eigener Gemütszustand auf den ihres Sohnes überträgt. Sie ist eine starke Frau, geht aufgeweckt und aufgeschlossen durchs Leben. Aber trotzdem: „Manche Situationen brechen mir einfach das Herz“, gibt sie zu und schaut auf den kleinen Nick, der neben ihr sitzt und aus einem Glas eine Saftschorle mit dem Strohhalm trinkt.

Assistenzhundetrainerin Kathrin Riedy, Vanessa Falbo und Nick mit den Hunden Muffin und Nandi.
Assistenzhundetrainerin Kathrin Riedy, Vanessa Falbo und Nick mit den Hunden Muffin und Nandi. | Bild: Hanna Mayer

Assistenzhund soll Nick im Alltag unterstützen

Plötzlich hält er inne, legt seinen Kopf schief und ist ruhig. „Er hört die Musik“, erklärt Falbo. „Er ist jetzt grade ganz woanders.“ Falbo hat die Vermutung, dass Nick hochsensibel ist. „Er kann Menschen lesen“, davon ist sie überzeugt. Und nicht nur das: Auch zu Tieren scheint der kleine Nick außergewöhnlich schnell eine Bindung aufbauen zu können. Besonders angetan haben es ihm Hunde. Nick liebt Hunde und sie lieben ihn.

Nick liebt Hunde Video: Hanna Mayer

„Hunde tun ihm gut“, sagt Vanessa Falbo. Immer wieder habe sie das bemerkt. Jetzt hat sie einen Entschluss gefasst: Sie möchte einen Assistenzhund für Nick anschaffen. Einen Hund, der ihn im Alltag unterstützt, ihm dabei hilft, seine Motorik und Sprachentwicklung zu verbessern und nicht zuletzt: der ihm ein Freund ist. „Mit einem Hund fühlt er sich nie alleine“, sagt seine Mutter. Auch für sie wäre ein Hund eine enorme Erleichterung. Es wäre jemand da, der – außer ihr – einmal die Türe öffnet oder etwas vom Boden aufhebt.

Nick mit einem Hund der Assistenzhundetrainerin.
Nick mit einem Hund der Assistenzhundetrainerin. | Bild: Hanna Mayer

Hunde sind fixiert auf Nick

Dass ein Hund dem kleinen Nick gut tun würde, bestätigt auch Assistenzhundetrainerin Kathrin Riedy. Sie arbeitet beim Deutschen Assistenzhunde-Zentrum in Donaueschingen und hat Nick und Vanessa Falbo bereits kennengelernt. An die erste Begegnung zwischen Nick und den Hunden kann sie sich noch gut erinnern. „Sie haben gemeinsam auf dem Sofa getobt“, erinnert sie sich. Nick sei regelrecht aufgeblüht und habe keinerlei Berührungsängste gehabt: „Es war unheimlich schön.“ Die Hunde seien geradezu fixiert auf ihn gewesen.

Nicks Liebe zu Hunden Video: Hanna Mayer

Sorgfältiges und langwieriges Training

Die Auswahl eines Assistenzhundes ist nicht einfach und recht langwierig. Schließlich passt nicht jeder Hund zu jedem Menschen, erklärt die 37-jährige Trainerin. Mit einem Welpen würden rund 20 Tests durchgeführt, um herauszufinden, ob er den Anforderungen und Aufgaben gerecht wird, die die jeweilige Person mit sich bringe, erklärt Riedy. Ist dies der Fall, ist ein weiterer Aspekt entscheidend: „Die Chemie muss stimmen.“ Und zwar zwischen dem Hund und demjenigen, dem er assistieren soll.

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Hat der Hund die Tests durchlaufen und erweist sich als geeignet, muss eine Prüfung abgelegt werden, bei der ein externer Trainer beurteilt, ob der Hund die Aufgabe übernehmen kann. Zu dem Zeitpunkt muss der Hund laut Riedy mindestens eineinhalb Jahre alt sein. Ein langer Prozess des Trainings. „Der Aufwand wird oft unterschätzt“, sagt Riedy. Ihr sei es daher nicht möglich, mehr als zwei Hunde gleichzeitig auszubilden.

Die Freude ist groß.
Die Freude ist groß. | Bild: Hanna Mayer

Vanessa Falbo startet Spendenaufruf

Und dann wären da noch die Kosten. Trainerin Kathrin Riedy rechnet mit rund 15 000 Euro, um einen Assistenzhund anzuschaffen und auszubilden. Im Preis inbegriffen sind die Welpentests, bei denen unter anderem getestet wird, wie geräuschempfindlich der Hund ist, wie motivierbar und mutig er ist und wie schnell und gut er Beziehungen zu Menschen aufbauen kann. Hinzu kommen die Kosten für den Hund selbst, für die Trainingsstunden, die Abschlussprüfung und die Hausbesuche während der Ausbildung. Die Kosten seien deshalb geschätzt, da man im Vorfeld nie wisse, wie viele Trainingsstunden der jeweilige Hund braucht und wie seine Lernfähigkeit ist, erklärt Riedy.

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Fest steht aber: Es ist viel Geld für eine alleinerziehende Mutter. Die Krankenkasse übernimmt keine Kosten. „Es ist schade, dass es da nicht mehr Unterstützung gibt. Ich glaube, ein Assistenzhund würde vielen helfen“, meint Falbo. Doch den Kopf in den Sand zu stecken und Trübsal zu blasen war noch nie ihre Lebenseinstellung. Falbo hat eine Idee: Sie will einen Spendenaufruf starten. Denn für ihren Nick möchte sie nichts unversucht lassen. Denn immer, wenn sie sieht, wie Nicks Augen leuchten, wenn er auf einen Hund trifft, weiß sie: „Ein Hund kann einfach nicht falsch sein.“