Es ist Mittwochnachmittag, die Sonne scheint, der kalte Herbstwind pfeift. Edgar Riehle streckt den Arm in die Luft, in der Hand ein Pilz, so groß wie ein Salatkopf. Ein Habichtspilz, wie er später verraten wird.
Edgar Riehle kennt sie alle, zumindest fast alle. Er ist nämlich Pilzexperte. Und der Habichtspilz in seiner Hand? Der ist das Erkennungszeichen für die Pilzsammler-Truppe.

19 Teilnehmer, die meisten darunter Touristen, scharen sich nach und nach um Edgar Riehle. Das Gasthaus „Auerhahn“ auf der einen, der Villinger Stadtwald auf der anderen Seite.
„Wer kennt mehr als fünf Arten? Und damit meine ich welche, die man auch essen kann“, beginnt der 66-jährige Riehle den Theorieteil der Exkursion. Kaum einer meldet sich.

In einem Körbchen hat der Biologe eine bunte Sammlung an Pilzen dabei – 15 verschiedene Arten sind es. „Die hab ich in zehn Minuten vorher kurz gesammelt“, sagt er. Ob es nach dem trockenen Sommer Pilze im Wald gibt, diese Frage hat sich mit einem Blick in den üppig gefüllten Korb erübrigt.

In den nächsten 45 Minuten glänzt Edgar Riehle mit Expertenwissen zu allen Fragen rund um Pilze. Die Teilnehmer lernen, dass es weltweit 2,5 Millionen verschiedene Pilze gibt.
Dass Pilze nicht zu den Pflanzen gezählt werden können, sondern „ein eigenes Reich für sich“ bilden. Dass Pilze im Gegensatz zu Pflanzen keine Fotosynthese betreiben, sondern Nahrung brauchen.
Und dass es Arten gibt, die geschützt sind. Wie beispielsweise der sogenannte „Nadelwald-Anhängsel-Röhrling“.

Oder aber auch der besser bekannte Pfifferling. Auch er zählt zu den geschützten Arten. Und das bedeutet, betont Riehle, dass er nicht gesammelt und dann weiterverkauft werden darf.
Sprich: Der Verkauf von deutschen Pfifferlingen in Supermärkten ist verboten. Viele wüssten das nicht. So auch die meisten der Gruppenteilnehmer. Werden auf Märkten deutsche Pfifferlinge verkauft, brauchen die Verkäufer dafür eine Ausnahmegenehmigung.
Pilze anhand von Gerüchen erkennen
Immer wieder reicht Riehle Pilze weiter. Um die verschiedensten Farben, die verschiedensten Strukturen zu sehen. Und auch, um daran zu riechen. „Ich rieche oft an Pilzen, um sie zu erkennen“ verrät der Rentner.

Dabei gebe es „Gerüche in Hülle und Fülle“. Pilze, die nach Schwefel riechen, nach Marzipan oder, das „irrsinnigste, was ich je gerochen habe“, nach einer Lokomotive.
Eine Frage kann auch der Pilzexperte nicht beantworten: „Wie wirkt sich die Trockenheit auf die Pilze aus?“ Riehle zuckt die Schultern: „Ob die trockenen Sommer auf lange Sicht Auswirkungen haben, ist noch nicht zu sagen.“
„Die Wälder werden sich verändern“Edgar Riehle, Pilzexperte
Im Sommer habe es aufgrund der Trockenheit tatsächlich keine Pilze gegeben, doch die Hauptzeit sei sowieso jetzt, im Spätherbst. Klar sei aber: „Die Wälder werden sich verändern.“

Der Klimawandel ist laut Riehle in der Pilzwelt angekommen. Und mache sich wie folgt bemerkbar: „Arten aus mediterranen Gebieten dringen vor.“ Bedeutet: „Durch den Klimawandel gibt es Pilze in der Region, die eigentlich in wärmeren Gebieten zu finden sind.“
Dass der Sommer so trocken war, merken aufmerksame Pilzsammler bei einer Sache dann schon: „Dieses Jahr gibt es hier keine Pfifferlinge.“ Im Sommer sei es zu trocken gewesen und jetzt zu spät.

Gutes Pilzjahr, aber Zukunftssorgen
Wie steht es um die Pilze und die Wälder in Zeiten des Klimawandels? Das hat der SÜDKURIER auch Thomas Schalk vom Nabu gefragt. Er ist Vorsitzender der Kreisgruppe Schwarzwald-Baar.
Trotz des trockenen Sommers spricht Schalk von einem „guten Pilz-Jahr“. Auch wenn im Sommer keine Fruchtkörper – so wird der Stiel und Hut eines Pilzes genannt, also das, was gemeinhin als Pilz bezeichnet wird – zu sehen waren, heißt das nicht, dass es keine Pilze gab. Denn: Die eigentlichen Pilze sind von außen betrachtet verborgen und bilden „ein Fadengeflecht im Boden“ – das sogenannte Myzel.
Der feuchte Herbst habe ausgereicht, um die Fruchtkörper sprießen zu lassen. Die Myzele „kommen mit Trockenphasen klar“. In welchem Ausmaß, das sei unklar. Da heiße es abwarten.
„Insgesamt“, sagt Schalk, „sind Pilze elementar wichtig für den Wald, wie wir ihn kennen.“ Warum? „Die Pilze leben mit den Bäumen“, erklärt er. „Viele Bäume können ohne ihren Pilz-Partner nicht wachsen.“
Fichte als Sorgenkind
Was den Klimawandel betrifft, sieht Thomas Schalk vor allem in einer Baumart ein Problem: der Fichte. „Die Fichte wurde in Deutschland über große Flächen angepflanzt“, sagt Schalk. Mit wenig Wasser und hohen Temperaturen komme der Baum nicht zurecht – „trotz Pilzunterstützung“, fügt Schalk an. Im Schwarzwald stehe die Fichte zwar noch „gut da“, in tieferen Lagen gebe es „kaum mehr gesunde Fichten“.