Anna-Maria Milia macht den Mund gerne auf, sagt sie über sich selbst. Vor allem, wenn sie sich oder andere ungerecht behandelt fühlt. Das ist bei ihr seit Kurzem der Fall, nachdem Oberbürgermeister Jürgen Roth ankündigte, die Kindergartengebühren in Villingen-Schwenningen drastisch erhöhen zu wollen. 

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Am Freitag hat die 35-Jährige dazu ein Video bei Facebook hochgeladen, dessen Resonanz sie selbst völlig überrascht hat: Mittlerweile wurde der Clip allein auf ihrer Facebook-Profilseite fast 150 Mal geteilt und 5500 Mal angesehen.

„Ich will Ihnen jetzt mal etwas aus meinem Leben erzählen“, steigt sie ein. In den folgenden fünf Minuten handelt die Villingerin wortgewandt und humorvoll einen Punkt nach dem anderen ab, die allesamt berufstätigen Eltern ganz offensichtlich aus der Seele sprechen.

„Wir leben nicht im Luxus“

Etwa, dass sie und ihr Mann Alessandro, wie viele Familien in der Stadt, auf zwei Einkommen angewiesen sind und dass sie mit dem Verdienst nicht im Luxus schwelgen: „Vor unserer Tür stehen keine zwei Autos. Wir teilen uns eins und arrangieren uns.“ Kommentare wie „Wirklich auf den Punkt gebracht“ oder „Du hast so recht. Wenn wirklich eine Erhöhung kommen sollte, muss ich mein Kind aus der Kita holen, weil ich es mir dann wirklich nicht mehr leisten könnte“ lassen erahnen, wie sehr das Thema die Eltern umtreibt.

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Anna-Maria Milia hat mit Tiago (6) und Fabio (4) selbst zwei Kindergartenkinder. „Und ich habe das große Glück, dass bei meinem Job die Regelgruppe ausreicht.“ Regelgruppe, das bedeutet zwar, dass sie nur 75 Euro für einen Platz bezahlen muss. „Allerdings muss ich die beiden auch um 12.30 Uhr holen und vorher schnell das Essen fertig haben. Das wiederum spart zwar Geld, aber ist dafür stressig.“

Zwei Kinder, 360 Euro

Viele Jobs lassen sich mit den Öffnungszeiten der Regelgruppen hingegen nicht vereinbaren. Werden in VS etwa ein Kind unter drei Jahren und ein Kind über drei Jahren ganztags betreut, werden aktuell pro Monat knapp 360 Euro fällig. Hinzu kommen die Kosten für das Mittagessen. Anna-Maria Milia arbeitet inzwischen zu festen Zeiten vormittags als Assistentin der Geschäftsführung; bevor ihre Kinder geboren wurden, war sie im Groß- und Außenhandel im Außendienst tätig. „Diese Stelle hätte ich nur in Vollzeit wieder antreten können. Also habe ich mir etwas Neues gesucht.“

Kinderbetreuung mit Excel-Tabelle

Fündig wurde sie zunächst im Einzelhandel – eine harte Zeit für die ganze Familie. Fabio und Tiago wurden sowohl im Kindergarten als auch – mangels eines Ganztagesplatzes – bei einer Tagesmutter und von den Großeltern betreut. „Ich habe irgendwann mit Hilfe von Excel-Tabellen organisiert, wer die Kinder wann und wo bringt und abholt“, erinnert sich die studierte Betriebswirtschafterin.

Mittlere Einkommensschichten betroffen

Dass sie ihren Unmut über die drohende Gebührenerhöhung zu einem Video-Statement verarbeiten würde, war für die 35-Jährige keine Frage. „Fast noch mehr haben mich jetzt Roths Aussagen beim Neujahrsempfang geärgert“, sagt sie.

Vor allem Sätze wie „Panikmache von einigen Wenigen“, die „ihre Gelbwesten zu Hause“ lassen sollten, bringen sie auf die Palme. „Es sind nicht ‚einige wenige‘“, sagt sie. „Höhere Gebühren treffen vor allem die mittleren Einkommensschichten, und ich behaupte mal, das sind die meisten hier.“

 

Kreisvorsitzender bezieht Position

Hierzu hat auch Gottfried Schmidt, Kreisvorsitzender der CDU-Sozialausschüsse, in einem offenen Brief Stellung bezogen: „Lieber Jürgen Roth„, schreibt er. „Dein harscher Ton gegenüber dem Gesamtelternbeirat ist nicht ok. Es ist nicht in Ordnung, wenn du die berechtigten Sorgen (...) als Panikmache abkanzelst. (...) Ein gegenseitiges Ausspielen zwischen der Neuordnung der Grundsteuer und der geplanten Kindergartengebühr wäre unfair.“

 

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