Es ist ein ungewohntes Gefühl, mit dem die Seniorenbeauftragte der Stadt, Susanne Schneider, am Montagmittag ihren Rollator über den Münsterplatz schiebt. Kein Ruckeln, kein Holpern, kein querstehendes Vorderrad. Das Gefährt gleitet beinahe ohne zu schieben über den Pflasterbelag. Genauer, über einen zehn Meter langen Streifen am nördlichen Ende des Münsterplatzes. Dort, wo die Stadt am Donnerstag vergangener Woche eine 20 Quadratmeter große Musterfläche angelegt hat und wo die Pflastersteine nun neu verfugt und auf eine Ebene abgefräst sind.

"Es ist offensichtlich", sagt Schneider, "dass es so besser ist". Sie braucht eigentlich keinen Rollator. Das Gefährt hat sie nur zu Testzwecken aus dem Büro mitgebracht. Am Effekt ändert es freilich nichts. Vor zweieinhalb Jahren, im April 2016, hat der Seniorenrat einen Antrag im Gemeinderat eingereicht, in dem er vorschlug, den Münsterplatz barrierefrei zu gestalten. Dass nun eine Testfläche angelegt wurde, freut alle Beteiligten.
Die Hälfte der Fläche, die die Arbeiter am Donnerstag verfugt haben, ist am Montag abgeschliffen worden. "Wir haben uns rangetastet", sagt Jens Lang von der zuständigen Baufirma. In drei Fräsgängen haben sie insgesamt einen Zentimeter abgeschliffen.

Damit ist der Belag nun eben. Aber eben nicht glatt. In der Oberfläche zeichnen sich kleine Rillen ab. Rutschiger wird es auf dem Münsterplatz dadurch nicht. "Im Gegenteil", sagt Andreas Thomma von den Technischen Diensten der Stadt und streift mit der Schuhsohle über den ungeschliffenen Pflasterstein nebenan. Dessen Oberfläche ist komplett glatt. Welche Fläche des Münsterplatzes tatsächlich am Ende saniert wird, wie hoch die Kosten sein und wie lang die Arbeiten dauern werden, all das kann noch keiner sagen. "Das muss jetzt alles kalkuliert werden", sagt Jens Lang.
Ein Anhaltspunkt könnte Konstanz sein. Dort wurden 2013 rund 1000 Quadratmeter Pflastersteine auf dem Münsterplatz verfugt und abgeschliffen. Die Kosten dafür beliefen sich auf rund 300 000 Euro. "Man muss das Ganze ja nicht in einem Jahr machen", sagt Schneider. Man könnte es, wie zum Beispiel bei der Sanierung der Stadtmauer, auf mehrere Jahre aufteilen. Und es muss auch nicht der ganze Platz saniert werden. "Das ist ja beinahe unmöglich", sagt Schneider. Die Zugänge aus den Gassen, ein Weg um das Münster herum und vielleicht, sagt Schneider, könne man auch die Kirchen bewegen, den Zugang zur Kirche zu sanieren.
Von der Testfläche begeistert, hält Schneider noch einen Mann mit Kinderwagen an. Zwei Kinder liegen in dem Gefährt, das eher einem Fahrradanhänger ähnelt, als einem traditionellen Kinderwagen. "Ja", sagt er, einmal über die Testfläche gefahren, "leichter ist es schon". Er ist zu Besuch aus Pforzheim. "Die Kinder", sagt er, "sind aber Villinger". "Immer wenn sie bei uns in Pforzheim zu Besuch sind, schlafen sie nicht im Kinderwagen. Sie sind das Villinger Kopfsteinpflaster gewohnt." Da muss auch Schneider lachen.
So sieht es in anderen Städten aus
- Konstanz: 2013 beschloss der Gemeinderat, das Wackenpflaster auf dem Münsterplatz auf einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern barrierefrei zu gestalten. Auf sechs Wegstrecken rund um den Platz, wurden die Steine von Fachleuten aus Basel verfugt und anschließend abgefräst, abgeschliffen und abgeflämmt. Die Wege sind zwischen 2,40 Meter und 3,40 Meter breit. Rund eineinhalb Monate haben die Arbeiten gedauert, rund 340 000 Euro betrugen die Kosten für das Projekt, darin enthalten auch10 000 Euro für eine Musterfläche.
- Freiburg: Im Sommer 2018 hat auch Freiburg begonnen, die Pflastersteine auf einem Teil des Rathausplatzes zu glätten. Insgesamt sollen dort 320|000 Euro in die Barrierefreiheit des Plaztes investiert werden. Vergleichsweise hoch sind die Kosten in Freiburg, da die Quarzitsteine einzeln in Handarbeit abgesägt und geflammt werden müssen, um eine möglichst ebene Fläche zu schaffen.
- Basel: 2007 begann die Stadt Basel großflächig die Innenstadt zu sanieren. In drei Etappen wurden bis 2013 22 300 Quadratmeter Belagsfläche in der Altstadt erneuert. Der Basler Straßenbauunternehmer Viktor Pens hat damals ein spezielles Verfahren zum Fräsen und Abflämmen der Pflastersteine, sowie die dafür nötigen Maschinen entwickelt. Seine Methode ist inzwischen für viele Städte zum Vorbild geworden und kam auch in Konstanz zum Einsatz.