Besonders aktiv ist der Verein in der Jugendarbeit. Trotz Corona vergrößerte sich die Gruppe im letzten Jahr auf 18 aktive Kinder und Jugendliche zwischen sechs und siebzehn Jahren. Sie werden von Jens Stoermer und Karoline Ambrasz trainiert. Was bringt junge Nachwuchssportler dazu, genau diesen eher ungewöhnlichen Sport auszuüben? Wieviel Zeit investieren sie in ihr Training und was sind ihre Ziele? Der Südkurier traf einige Jugendliche und ihren Trainer und sprach mit ihnen über die vielfältige Wassersportart.

Helena Rempp ist 14 Jahre und besucht die 9. Klasse des St. Ursula Gymnasiums. Seit Juli ist sie im Kanu-Club Villingen aktiv und gehört damit zu den zahlreichen Jugendlichen, die in der Corona-Zeit zu dieser ungewöhnlichen Sportart gefunden haben. Ihr jüngerer Bruder wollte ein eigenes Boot. Die Eltern entdeckten die Möglichkeiten des Kanuclubs – jetzt sind beide Geschwister im Verein. „Wenn es kalt ist, muss man aufpassen, dass man nicht ins Wasser fällt“, sagt sie.
Die wichtigste Lektion hat die sportliche Gymnasiastin schon gelernt. Sie schätzt die gute Ausrüstung, die der Verein zur Verfügung stellt und fühlt sich sehr wohl in der Gruppe, in der fast so viele Mädchen sind wie Jungen. Regelmäßig geht sie zum Jugendtraining in das Villinger Hallenbad: „Das ist spannend und es wird einem viel beigebracht.“ Sie möchte vor allem Spaß haben und hat momentan noch bescheidene Ziele. „Auf dem Wasser vorwärtskommen und nicht reinfallen“, sagt sie. Dank der Neoprenanzüge und Schwimmwesten ist es nicht so schlimm, wenn man nass wird oder mit dem Boot umkippt. In Zukunft will sie noch viel mit dem Verein unternehmen. „Allein ist es nicht so lustig.“
2017 kam Radu Posea mit seinen Eltern aus Rumänien nach Villingen. Der damals Zwölfjährige sprach kaum Deutsch und seine Mutter suchte nach einer Möglichkeit für ihn, über den Sport in Kontakt zu anderen Jugendlichen zu kommen. Da er in Rumänien Wasserball gespielt hatte, lag das Kanufahren als Wassersportart nahe.

Heute besucht der 16-Jährige die zehnte Klasse der Golden-Bühl-Schule, spricht hervorragend Deutsch und hat „in der Kajakfamilie“ bereits viele Freunde gewonnen. Das Gefühl von Gemeinschaft erlebte er besonders intensiv bei der Ferienfreizeit in Slowenien: „Wenn einer im Wasser umfliegt, helfen die anderen – auch wenn man sich nicht kennt und nicht dieselbe Sprache spricht.“
Ein besonderes Erlebnis war für ihn das Übernachten im Zelt und das gemeinsame Kochen und Essen „mit richtig netten Menschen.“ Posea nutzt jede Möglichkeit des Trainings im Wildwasserpark in Hüningen und geht im Winter jeden Freitag zum Training ins Villinger Hallenbad. Mit seiner Begeisterung für den Sport und den Verein hat er bereits einen Freund als neues Mitglied gewonnen. Er findet, Kanufahren kann jeder – auch dickere oder unsportliche Menschen: „Man muss das Wasser mögen – dann macht es jedem Spaß.“ Sein nächstes Ziel ist der Trainerschein. Er freut sich darauf, dass er sich damit noch besser in den Verein einbringen kann. „Dann kann ich die Trainer unterstützen.“
Leon Stoermer gehört zu den vielversprechenden Nachwuchssportlern des Villinger Kanusport-Clubs. Als Kind hat er gemeinsam mit seinem Vater und der Familie mit dem Kanufahren angefangen.
„Und dann habe ich mein Ding gemacht“, sagt er. Der 18-Jährige wurde bereits fünfmal Deutscher Meister im Kanu-Freestyle und gehört seit 2018 zum Nationalteam. Als Schüler der Robert-Gerwig-Schule in Furtwangen ist es dem jungen Kanuten möglich, für Wettkämpfe freigestellt zu werden und mit Unterstützung des Sportverbindungslehrers den Anschluss an den Unterricht zu halten.

Zurzeit trainiert der Schwarzwälder in Paris für die Europameisterschaft vom 6. bis 9. Oktober. Diese findet auf dem Wildwasserkanal statt, der speziell für den Kanu-Slalom bei den Olympischen Spiele 2024 gebaut wurde.

Trotz seiner zahlreichen sportlichen Erfolge ist Stoermer nicht verbissen ehrgeizig. „Es geht mir darum, gegen mich selbst zu gewinnen,“ erläutert er. Dass er mit diesem Ziel bisher immer seine eigene Bestleistung geschlagen und den Wettkampf oft gewonnen hat, betrachtet er dabei gelassen als positiven Nebeneffekt: „Ich wäre auch zufrieden mit mir, wenn andere besser wären.“
Zum Wettkampf gehört für ihn das Ritual der Abläufe: Aufwärmen mit Musik über Kopfhörer, Warten im Boot und mit einem „Entry-Move“ in die stehende Welle fahren. Drei Juroren und ein „Head-Judge“ bewerten die akrobatischen Bewegungen, die in 45 Sekunden gezeigt werden. „Ich kann mich extrem fokussieren – für mich gibt es in dem Moment nur die Welle,“ beschreibt der junge Königsfelder das innere Erleben des Wettkampfes. Der vielversprechende Freestyler hofft, dass der Kanusport durch die Europameisterschaft in Paris mehr öffentliches Interesse und Unterstützung durch Sponsoren gewinnt. In Zukunft will er noch mehr Wettkampferfahrung sammeln – und natürlich weitere Erfolge.
„Beim KSC Villingen zählt nicht nur der coole Leistungssport, sondern auch der Freizeitsport für die ganze Familie“ erklärt Jens Stoermer. Der 55-Jährige Kunsttherapeut arbeitet in der Nachsorgeklinik Tannheim mit erkrankten Kindern und Jugendlichen. Sein pädagogisches Können und seinen Spaß am Kanufahren verbindet er in seiner Freizeit bei seiner Tätigkeit als Jugendtrainer im Kanusport-Club Villingen. Er findet, dass es immer etwas zu loben gibt. „Mit neun Jahren ist noch niemand hier runtergefahren,“ erklärte er einem Mädchen nach ihrer ersten Fahrt im Wildwasserpark.
Vor zehn Jahren war er auf der Suche nach einem Sport, den er gemeinsam mit der Familie betreiben kann. Mittlerweile ist der Verein ein Teil des Familienlebens. Als Pädagoge geht der beliebte Trainer mit den Schwächen der Kinder einfühlsam um. Manche haben Angst vor dem Wasser und Probleme mit Entwicklungsverzögerungen oder einer Aufmerksamkeitsstörung. Dann sei das wichtigste Ziel „Spaß haben und sich sicher fühlen.“
Als Familienvater schätzt Jens Stoermer die vielfältigen Angebote des Vereins für die ganze Familie. Entspannte Touren auf ruhigen Gewässern – wie den Rheinauen oder dem Bodensee – oder Ausfahrten im Wildwasser waren insbesondere während der Corona-Zeit „echte Abenteuer für die ganze Familie.“
Training im Hallenbad
Trotz der vielen Fahrten auf den verschiedensten Naturgewässern sei das regelmäßige Training im Villinger Hallenbad unerlässlich. Dabei gehe es um das Lernen der Kenterrolle als Teil des Sicherheitstrainings sowie um Übungen und Spiele zur Wassergewöhnung. Der Trainer hofft, dass die familienfreundlichen Beiträge weiterhin angeboten werden können. Dafür müsste der Verein die städtischen Einrichtungen auch in Zukunft zu den bisherigen Konditionen nutzen dürfen. Momentan sei der Sport noch keine Frage des Geldbeutels. „Es reicht, wenn man schwimmen kann.“