Wenn auch die fünfte Jahreszeit 2021 noch weit weg ist und es aktuell drängendere Probleme gibt, so machen sich die Verantwortlichen der großen Fastnachtsvereine und -verbände schon jetzt Gedanken, wie das närrische Treiben im nächsten Jahr aussehen könnte. Die Frage steht im Raum: Kann und darf es 2021 überhaupt Fastnacht geben?

Befeuert wurde diese Debatte zuletzt auch durch den Sozialminister des Landes, Manfred Lucha. Er hatte vor wenigen Tagen Weihnachtsmärkte und die Fastnacht in Frage gestellt hat. Das wiederum findet Roland Wehrle, der Präsident der Vereinigung Schwäbisch alemannischer Narrenzünfte (VSNA), „etwas unglücklich“. Wehrle: „Wir sagen, es gibt kein Anlass, die Fasnet zum jetzigen Zeitpunkt abzusagen.“

Der Minister hatte in einem Interview geäußert, dass man noch weit weg sei von gesellschaftlicher Normalität. „Solange es keinen Impfstoff gibt, werden wir auf vieles verzichten müssen.“ Er konkretisierte: „Auf enge Milieus, auf Gedränge, auf alles, wo es feucht und fröhlich zugeht, also auf Oktober-, Volks- und andere Festen. Und zwar über den Herbst hinaus.“ Es könne auch sein, dass man auf Weihnachtsmärkte und die Fasnet verzichten müsse.

Das Thema stürzt die Karnevals- und Fasnachtsvereine in ein Dilemma. Gleichwohl haben sich die Präsidenten der Karnevalshochburgen im Rheinland schon Anfang Mai darauf verständigt, dass die Session 2021 auf jeden Fall stattfinden soll. Gerade in schwierigen Zeiten könnten die Menschen aus Tradition und Brauchtum Mut und Stärke ziehen. Allerdings seien kreative Ideen gefragt, um in Zeiten von Corona feiern zu können, so die Verantwortlichen.

Doch wie kann das gehe, Fastnacht zu feiern ohne eine große Ansteckungswelle loszutreten? Darüber macht sich auch der geschäftsführende Vorstand der Historischen Narrozunft Villingen bereits seine Gedanken. Das Thema wurde schon intern diskutiert. „Wir haben drei Problemfelder“, analysiert der Erste Zunftmeister Anselm Säger. „Das ist die Generalversammlung, das sind die Ballveranstaltungen und das ist die Straßenfastnacht.“

Die Generalversammlung, traditionell am 5. Januar, ist für die Zunft insofern ein neuralgisches Thema, weil die Neue Tonhalle mit rund 500 Besuchern und Ratsmitgliedern stets ziemlich voll wird. „Wir haben schon überlegt, ob wir die Versammlung über eine Videokonferenz organisieren“, berichtet Säger.

Von finanzieller Relevanz sind für die Zunft und die weiteren großen Fastnachtsvereine die Durchführung der närrischen Bälle in der Neuen Tonhalle. Denn hier fallen erhebliche Hallenmieten und andere Kosten an. Wenn Anfang Februar das Coronavirus noch immer grassiert, wären sie nicht mehr durchführbar. Letztlich brauchen die Vereine daher eine frühzeitige Ansage des Landes. Außerdem laufen die Ballvorbereitungen bereits ab September und werden mit erheblichem Aufwand betrieben. „Wir brauchen daher im September eine neue Lagebewertung“, urteilt der Zunftmeister. „Dann müssen wir entscheiden, ob wir noch etwas abwarten oder gleich absagen.“

Und die eigentliche Straßensfastnacht, der Kern und Höhepunkt der Villinger Fastnacht? Sollte diese vom Land verboten werden, „wird im nächstes Jahr keine Fastnacht stattfinden, wie wir sie kennen und alle Umzüge abgesagt“, betont Säger. Dass die Straßenfastnacht damit aber vollständig ausfällt, kann sich der Zunftmeister angesichts der den Narren inhärenten Widerborstigkeit schwer vorstellen. Im Verbotsfalle liege es in der Verantwortung der einzelnen, meint er vieldeutig, ob sie ins Häs gehen. Ähnliches hatte sich in Villingen 1991 abgespielt, als die Fastnacht wegen des Golfkriegs abgesagt wurde. Einige Narren ignorierten das Verbot und stellten ihren Trotz im Häs auf der Straße zur Schau.

Roland Wehrle, der VSNA-Präsident, sagte gestern: „Wir gehen davon aus, dass sich die Pandemie beruhigt. Wir dürfen Kultur und Brauchtum jetzt nicht einfach wegkippen.“ Das Bedürfnis der Menschen nach Gemeinsamkeit und Feiern sei groß und es sei wichtig, bald wieder zur Normalität zurückzukehren. Die Fastnachtsvereine seien sich gleichwohl ihrer Verantwortung bewusst. Sollte es zu einer zweiten Infektionswelle kommen, müsse die Lage neu bewertet werden. Die VSAN wolle rechtzeitig mit der Politik sprechen, damit für die Vereine im Herbst möglichst Klarheit herrsche. Für die Zünfte sei die Lage ohnehin schwierig, weil die Einnahmen aus Sommerfesten und von Sponsoren aus der Wirtschaft wegzubrechen drohten. Zur Straßenfastnacht hat Wehrle eine klare Forderung: „Wenn die Bundesliga vor Publikum spielen sollte, erwarte ich, dass auch die Fastnacht 2021 stattfinden kann.“