In Schwenningen soll auf dem Bürk-Areal, dort wo das Uhrenindustriemuseum untergebracht ist, ein neues Museumquartier entstehen, in dem das Heimatmuseum und die Städtische Galerie untergebracht werden sollen. Der Gemeinderat hat dem Projekt bereits 2016 zugestimmt mit der Prämisse, dies müsse haushaltsneutral realisiert werden, es dürften also keine Kosten für die Stadt anfallen. Das sei eine, wie Kulturamtsleiter Dobmeier sagt, schier „unüberwindliche Hürde“. Jetzt hat der Verwaltungsausschuss erneut debattiert, hat aber keinen Empfehlungsbeschluss an den Gemeinderat abgegeben. Die Entscheidung, wie es mit der Museumslandschaft in Schwenningen weitergeht, fällt jetzt der Rat am 14. Oktober. Im Juni 2021 soll dann ein Grundsatzbeschluss für das neue Museum gefasst werden. Worum geht es bei der Debatte?

  1. Wie kam die Idee auf, ein neues Museumsquartier zu planen?

    Das Heimatmuseum in Schwenningen wird seit 2014 aufgrund gravierender Brandschutzmängel nur noch unter Auflagen betrieben, seit 2019 können Besucher es nur noch im Rahmen einer Führung besichtigen. Eine Sanierung würde rund 3,5 Millionen Euro kosten. Ähnlich ist die Lage bei der Städtischen Galerie: Auch hier fehlt der Brandschutz, eine Begehung mit der Feuerwehr hat ergeben, dass zwingend ein zweiter Rettungsweg herzustellen ist und dass jedes Geschoss nur mit maximal 20 Personen belegt sein darf. Damit können Vernissagen und Veranstaltungen im gewohnten Format nicht mehr durchgeführt werden.
Die Städtische Galerie ist im ehemaligen Wohnhaus des Unternehmers Jakob Kienzle untergebracht, die baulichen Mängel sind eklatant, vor ...
Die Städtische Galerie ist im ehemaligen Wohnhaus des Unternehmers Jakob Kienzle untergebracht, die baulichen Mängel sind eklatant, vor allem im Bereich Brandschutz. Hier sind Soformaßnahmen notwendig in Höhe von 30 000 Euro, nur so könne die Galerie hier bis Ende 2022 weiter betrieben werden. | Bild: Hahne, Jochen

  1. Gravierender ist das Problem mit der Brandmelde- und Einbruchmeldeanlage – beide haben das Ende ihrer Betriebslaufzeit erreicht. Dieses Manko macht es zunehmend schwieriger, Leihgaben zu bekommen und so überhaupt Ausstellungen zu organisierien. Die Kosten betragen rund 2,5 Millionen Euro. Angesichts dieser Summen sei es besser, diese beiden Gebäude aufzugeben und die Einrichtungen in dem neuen Museumsquartier unterzubringen.
Ausstellungseröffnungen wie hier in der Städtischen Galerie sind aufgrund fehlendes Brandschutzes nicht mehr möglich. Künftig dürfen ...
Ausstellungseröffnungen wie hier in der Städtischen Galerie sind aufgrund fehlendes Brandschutzes nicht mehr möglich. Künftig dürfen sich nur noch 20 Personen pro Stockwerk aufhalten, solange es keinen zweiten Rettungsweg gibt. | Bild: Naiemi, Sabine
  1. Was ist auf dem Bürkareal geplant?

    In dem markanten Backsteingebäude in der Bürkstraße, in dem aktuell das Uhrenindustriemuseum untergebracht ist, soll durch einen Neubau ein Kulturzentrum entstehen mit drei Säulen: Ein Zeit-Raum als neues Museum für Geschichte, Industrie und Zeitstrukturen, ein Kunstraum, in dem die Galerie Positionen klassischer Moderne vermittelt und ein Frei-Raum, in dem Veranstaltungen verschiedenster Art stattfinden sollen. Das ganze soll unter dem Motto stehen „Schwennings Seele sichtbar machen.“ Es wird sogar Bezug genommen zu Bilbao und dem Guggenheim-Museum Die spanische Stadt habe durch den Bau eine enorme Aufwertung erfahren.

Von dem neuen Museumsquartier in Schwenningen erhoffen sich die Macher einen ähnlichen Aufschwung für die Stadt wie das in Bilbao mit ...
Von dem neuen Museumsquartier in Schwenningen erhoffen sich die Macher einen ähnlichen Aufschwung für die Stadt wie das in Bilbao mit dem futuristischen Guggenheim-Museum von Frank O. Gehry geschehen ist. | Bild: privat
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  1. Wie soll das Projekt finanziert werden?

    Das ist ein entscheidender Knackpunkt: 206 hat der Gemeinderat eine Machbarkeitsstudie „zur Kenntnis“ genommen mit der Maßgabe, das Projekt sei zu finanzieren, ohne den städtischen Haushalt zu belasten. Eine erste grobe Schätzung hat vor vier Jahren rund 10 Millionen Euro Kosten ermittelt. Das Kulturamt habe viele Gespräche geführt mit Ministerien, Stiftungen und potentiellen Geldmittelgebern, aber: „Wir brauchen einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderates, sonst kommen wir nicht weiter“, betont Kulturamtsleiter Andreas Dobmeier. Niemand sei bereit ein Projekt zu fördern, dess Realisierung seitens der Stadt ungewiss sei. Die Verwaltung will einen Antrag stellen zur Aufnahme in das Sanierungsprogramm für das Gebiet „Innenstadt Schwenningen“. Wenn das klappt, könnte es hohe Landes-Zuschüsse für das Projekt geben. Durch Synergieeffekte und die Schließung Heimatmuseum und Galerie könnte der städtische Haushalt bis 2024 um rund 600 000 Euro entlastet werden. Hinzu kämen mögliche Mieteinnahmen oder Erlöse durch den Verkauf.

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  1. Was passiert mit Heimatmuseum und Galerie bis zur möglichen Fertigstellung des Bürk-Areals?

    Exponate aus dem Heimatmuseum sollen auf der Wechselausstellungsfläche im Uhrenindustriemuseum gezeigt, der Rest solle inventarisiert und eingelagert werden. Museumsleiter Michael Hütt betonte klar, dass hier „nichts verloren geht“. Diese Bedenken mancher Schwenninger könne er klar entkräften. Die Räumung des Museums könnte ab Januar 2021 beginnen, bis Dezember nächsten Jahres könnte das Gebäude am Muslenplatz aufgegeben werden.
Die Exponate aus dem Heimatmuseum soll alle inventarisiert werden, die wichtigsten Stücke sollen künftig auf der ...
Die Exponate aus dem Heimatmuseum soll alle inventarisiert werden, die wichtigsten Stücke sollen künftig auf der Wechselausstellungsfläche im Uhrenindustriemuseum gezeigt werden. Das Museum soll dann ab Januar 2021 endgültig geschlossen sein. | Bild: Heimat- und Uhrenmuseum VS

  1. Die Galerie würde bis Ende 2022 am Standort Friedrich-Ebert-Straße weiter betrieben werden, dafür muss die Stadt aber auf jeden Fall 30 000 Euro in bauliche Sofortmaßnahmen investieren, dann sollen Ausstellungen wechselnde Räume genutzt werden. Welche das sind, wurde in der Vorlage nicht formuliert.
  2. Warum gibt es Widerstände gegen diese Vorgehensweise?

    Die Befürchtung, vor allem in Schwenningen ist, dass Heimatmuseum und Galerie geschlossen werden, das Museumsquartier aber nicht verwirklicht wird. Michael Hütt appellierte an die Stadträte, den Arbeitsplan zur Realisierung des Museumsquartiers „ernst zu nehmen“. „Dann hätten wir die relative Sicherheit, dass im Juni 2021 der Grundsatzbeschluss fällt.“ Hans-Joachim von Mirbach von den Grünen sagte dazu, man stimme diesem Zeitplan zu, aber: „Wenn da nicht die Zweifel wären an der Verlässlichkeit des Gemeinderates und den Finanzen.“ Es steht also klar die Befürchtung im Raum, dass die beiden Einrichtungen geschlossen werden, der Rat nächstes Jahr die Planungen für das Museumquartier aber ablehnt.
  3. Wie wahrscheinlich ist eine Ablehnung der Museumslandschaft im nächsten Jahr durch das Gremium?

    Da der Gemeinderat zweimal, 2016 und 2018, mit großer Mehrheit sich hinter das Projekt gestellt hat, scheint es unwahrscheinlich, dass die Stadträte auf einmal Nein sagen. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses haben Redner aller Fraktionen nochmals die Notwendigkeit dieses Projektes betont und eher kritisiert, dass man noch nicht weiter ist. Einzig Olaf Barth von der AfD erklärte, dass die Kultur eine hohe Bedeutung habe, aber Bildung und Sicherheit für seine Partei eine noch höhere Bedeutung hätten. Unsicherheitsfaktoren gibt es bei der Finanzierung: So haben mehrere Stadträte darauf gedrängt, vor dem Grundsatzbeschluss ein Finanzierungskonzept zu sehen. Dies sicherte OB Roth zu. Wenn in diesem Konzept hohe Kosten auf die Stadt zukommen, die finanzielle Lage sich weiter verschlechtert, könnten die Karten neu gemischt werden.
  4. Gibt es Alternativen zu dem Museumsquartier?

    Wenn Heimatmuseum und Galerie in den Gebäuden bleiben, stehen Sanierungskosten von knapp sechs Millionen Euro an. Die müsste die Stadt bezahlen. Möglich wäre eine abgespeckte Variante des Neubaus auf dem Bürkareal. Diese Möglichkeit haben die Freien Wähler ins Spiel gebracht: Im Hof könnte ein zweigeschössiger Kubus errichtet werden, der sicher billiger ist, als ein aufwändiger Neubau. Diese Variante soll auf jeden Fall geprüft werden, sicherte OB Jürgen Roth zu, der klipp und klar sagte, dass Personenschutz oberste Priorität sei. Es sei also undenkbar, die Galerie einfach so weiterzubetreiben.
  5. Wie geht es weiter?

    Nach langer Diskussion hat am Mittwochabend ein Antrag der CDU eine klare Mehrheit gefunden, dass der Verwaltungsausschuss keine Empfehlung an den Gemeinderat gibt. Jetzt entscheidet der Rat am 14. Oktober über den von der Verwaltung vorgelegten Arbeits- und Zeitplan. Dieser sieht vor, dass in der Galerie sofort Brandschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Wichtiges Etappenziel ist der Grundsatzbeschluss, der im Juni 2021 gefällt werden soll. Davor muss die Verwaltung jetzt aber ein Finanzierungskonzept vorlegen. Das Heimatmuseum wird Anfang 2021 endgültig geschlossen, die Galerie folgt dann Ende 2022.
  6. Was ist mit dem Personal?

    Am Mittwoch hat der Verwaltungssausschuss Stephan Rößler als neuen Galerieleiter gewählt, er soll sich auch um die Neugestaltung der Museumslandschaft kümmern. Die Besetzung dieser Stelle war wichtig, da mit Museumsleiter Hütt und Kulturamtsleiter Dobmeier zwei wichtige Protagonisten in den Ruhestand gehen. Michael Hütt wird im Dezember 2022 die Altersteilzeit beginnen. Wann Dobmeier genau ausscheidet ist unklar, die Verwaltung gibt hier keine Auskunft.