Villingens prächtigste Häuser stehen wo genau? In der Innenstadt? Im Kurgebiet? Oder doch ganz woanders? Der Villinger Architekt Andreas Flöß formuliert das so: Die alten Prachtbauten stehen verteilt über das Gebiet, das heute den Rand der Innenstadt markiert. Diese liege daran, dass seinerzeit wohlhabende Bürger größere Grundstücke für ihre Häuser gesucht hätten und diese am Rand der Innenstadt gefunden hätten – Schillerstraße, Vöhrenbacher Straße, Mönchweiler Straße.

Auch an der Luisenstraße ist die Bau-Pracht von einst zu sehen. Dieser Abschnitt zwischen Bertholdstraße und Bahnhof scheint die Bürger schon früher besonders gelockt zu haben. Wer hier heute nicht nur nach einem schnellen Parkplatz sucht, der entdeckt den Zauber der alten Stadt.

Wie pittoresk Villingen früher war, macht diese kolorierte Postkarte klar: Im Vordergrund die alte Luisenbrücke. Die Luisenstraße zieht ...
Wie pittoresk Villingen früher war, macht diese kolorierte Postkarte klar: Im Vordergrund die alte Luisenbrücke. Die Luisenstraße zieht sich von hier aus bachaufwärts bis zum Bahnhof. | Bild: Privatarchiv Flöß

Alte Bilder zeigen, wie wohlhabende Villinger früher die Nähe zur Brigach gesucht haben. Wer heute die Straße entlangspaziert, kann all dies erahnen. Je weiter sich der Spaziergänger von der Luisenbrücke entfernt, umso eindrücklicher ist der Atem der Historie zu spüren.

Architekt Andreas Flöß ist sich sicher: „Die prächtigen Bauten nahe des Bahnhofs sind auch der strategischen Lage geschuldet. Die Schwarzwaldbahn garantiert bis heute Reise und Transport, es ist kein Zufall, dass sich auch Fabrikanten hier um die Jahrtausendwende niederließen.“

1900, das war auch die Zeit, als sich in Villingen Wohnungsnot breit machte. Die Wohnungsbaugenossenschaft wurde deshalb 1902 gegründet. Erste Projekte waren die Erschließung der Bleiche- und der Kalkofenstraße. Die Siedlungshäuser sind dort heute noch teils erhalten.

Naturstein strukturiert die Anwesen bis heute. Der aufwändige Baustil ist heute fast unbezahlbar.
Naturstein strukturiert die Anwesen bis heute. Der aufwändige Baustil ist heute fast unbezahlbar. | Bild: Privatarchiv Flöß

An der Luisenstraße ging es klar herrschaftlich zu. Der opulente Baustil ist bis heute zu sehen. Dicke Steinquader sind hier verbaut. Im Kontrast dazu stehen die zart verglasten Fensterflächen, die eindeutig auf die Jahre des Jugendstils verweisen.

Jugendstil an der Luisenstraße. So sieht der Blick aus der Villinger Villa heute aus.
Jugendstil an der Luisenstraße. So sieht der Blick aus der Villinger Villa heute aus. | Bild: Privatarchiv Flöß

Das Gebäude Nummer vier an der Luisenstraße gehört Andreas Flöß. Er hat sich als junger Architekt hier auf besondere Weise verewigt. Die Rekonstruktion wirkt harmonisch und stimmig, die Bestands-Strukturen wurden fortgesetzt.

Das Bauprojekt läuft.
Das Bauprojekt läuft. | Bild: Privatarchiv Flöß

In Villingen gibt es viele Gebäude mit einem angebauten oder aufgesetzten Turm. Auch am Ende der Luisenstraße. Hier steht die so genannte Villa Hess. Direkt an der Ecke zur Bertholdstraße markiert das Gebäude das Ende der besonderen Häuserzeile entlang der Brigach. Der Turm ist hier heute noch vorhanden. Alte Strukturen mit ovalen Jugendstilfenstern sind an diesem Haus aber verloren gegangen.

Der Villinger Architekt Andreas Flöß leitete auch die Sanierung der alten Post im Auftrag des Landratsamts. Unser Foto zeigt ihn bei ...
Der Villinger Architekt Andreas Flöß leitete auch die Sanierung der alten Post im Auftrag des Landratsamts. Unser Foto zeigt ihn bei einem Rundgang durch das Gebäude mit Kreisräten. | Bild: Trippl, Norbert

Andreas Flöß hat seiner alten Villa wieder einen solchen Turm aufgesetzt. Ein aufwändiges Projekt. Ein Aquarell fängt die Harmonie der Architektur von früher ein.

Luisenstraße 4 mit Wohnturm vom bekannten Villiger Maler Schreiber.
Luisenstraße 4 mit Wohnturm vom bekannten Villiger Maler Schreiber. | Bild: Privatarchiv Flöß

Der alte Turm an der Luisenstraße vier muss im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen sein. Ein Arzt wirkte hier nach den Weltkriegen. Flöß glaubt, dass die Luisenstraße am oberen Ende nahe des Bahnhofs einen Treffer verzeichnen musste. Dafür spricht, dass hier zwei Gebäude zerstört wurden – vermutlich wurde das Anwesen Nummer vier auf einer Seite auch in Mitleidenschaft gezogen – samt des Turms.

Der Aufbau wird in zwei Teilen aufgesetzt. Der Sockel des Turms kommt zuerst aufs Dach.
Der Aufbau wird in zwei Teilen aufgesetzt. Der Sockel des Turms kommt zuerst aufs Dach. | Bild: Privatarchiv Flöß

2012 kaufte Flöß das Anwesen. 2014 setzte er hier einen neuen Turm auf. Unter der geschwungenen, fast Kirchturm-ähnlichen Kuppelkonstruktion entstand auch etwas Wohnraum. In alle Himmelsrichtungen öffnen sich hier Fenster, für Romantiker ist der Aufbau verlockend.

Architekt Andreas Flöß neben der 2,80 Meter hohen Turmspitze. Die größte der drei vergoldeten Kugeln hat einen Durchmesser von 35 ...
Architekt Andreas Flöß neben der 2,80 Meter hohen Turmspitze. Die größte der drei vergoldeten Kugeln hat einen Durchmesser von 35 Zentimeter und enthält Dokumente aus der Zeit der Errichtung im Jahr 2015, darunter auch ein Exemplar des SÜDKURIER. | Bild: Privatarchiv Flöß

Was verändert wurde, zeigt der Vergleich:

Die Luisenstraße 4 vor der Sanierung.
Die Luisenstraße 4 vor der Sanierung. | Bild: Privatarchiv Flöß

Im Jahr 2022 sieht es hier so aus:

Die Luisenstraße 4 heute. Im Hintergrund die alte Hauptpost, die nun umgebaut vom Landratsamt genutzt wird.
Die Luisenstraße 4 heute. Im Hintergrund die alte Hauptpost, die nun umgebaut vom Landratsamt genutzt wird. | Bild: Trippl, Norbert

Auch die Villen an der Bahnhofstraße erstrahlen heute in einem neuen Licht:

Die Bahnhofstraße acht: Hier wird heute ein Hotel betrieben. Die alte Hofeinfahrt überspannt den Eingang und wurde belassen.
Die Bahnhofstraße acht: Hier wird heute ein Hotel betrieben. Die alte Hofeinfahrt überspannt den Eingang und wurde belassen. | Bild: Privatarchiv Flöß

Das alte Villingen:

Hier wirkte einst die Adolf Preiser KG. Zuvor war hier die Zigarrenfabrik Kaiser ansässig. Preiser fertigte Schnaps und füllte diesen in ...
Hier wirkte einst die Adolf Preiser KG. Zuvor war hier die Zigarrenfabrik Kaiser ansässig. Preiser fertigte Schnaps und füllte diesen in prächtige Sammlerflaschen mit Villinger Motiven. Die Adolf Preiser KG stellte 2013 ihren Betrieb ein. | Bild: Privatarchiv Flöß

Und was bis heute daraus geworden ist:

Zwischen Bahnhof- und Luisenstraße steht dieses Gebäude, hier die Rückansicht. Das Gebäude der früheren Firma Preiser wurde saniert und ...
Zwischen Bahnhof- und Luisenstraße steht dieses Gebäude, hier die Rückansicht. Das Gebäude der früheren Firma Preiser wurde saniert und dient heute als Wohnadresse. Links im Hintergrund die vom Landratsamt umgenutzte alte Post. | Bild: Trippl, Norbert

Gebäude ihrer Zeit

In der Blütezeit des deutschen Kaiserreichs (1871–1918) entstanden zahlreiche Villen und Häuser im sogenannten historistischen Stil mit dem bewussten Rückgriff auf Schmuckelemente der deutschen Vergangenheit. Diese Formensprache verflocht sich dann mit dem floralen Jugendstil und brachte besonders filigrane und großzügige Bauten hervor. In Villingen entstanden so neue Quartiere außerhalb der Stadtmauer wie das Romäus-Gymnasium und das Villinger Krankenhaus in der Herdstraße, (Friedrichs-Krankenhaus). Weitere bedeutende Stadterweiterungen in dieser Zeit fanden auch in der Mönchweiler-Straße, Vöhrenbacher Straße, Schillerstraße und dem Beneditkinerring statt.