Es war der 26. Dezember 1999, der zweite Weihnachtsfeiertag, als Orkan Lothar über Baden-Württemberg und Villingen-Schwenningen fegte. In VS wurden Windstärken bis 110 Stundenkilometer gemessen, was eher gering war im Vergleich zu den gemessenen Windstärken auf dem Feldberg (215 Stundenkilometer) und auf dem Hohentwiel in Singen (260 Stundenkilometer).
Dennoch hat sich das Ereignis in das Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt. Denn auch in der Doppelstadt waren die verursachten Schäden immens. Einer, der sich an dieses einschneidende Erlebnis noch gut erinnern kann, ist Förster Christoph Vögele.
Im Stadtwald sah es verheerend aus, die Bäume lagen wie Streichhölzer übereinander, schildert der Förster die Ereignisse. Auch in der Stadt lagen überall umgestürzte Bäume, Dächer waren zertrümmert, Straßen blockiert, ein Stromausfall hatte VS lahmgelegt. „Das war für uns alle eine große Herausforderung“, sagt er. „Wir haben sechs Tage durchgearbeitet, um die Schäden zu beseitigen.“
Vögele kam am 1. September 1999 als Förster nach Villingen-Schwenningen. Als am zweiten Weihnachtsfeiertag Orkan Lothar über die Doppelstadt zog, war er gerade drei Monate für den Stadtwald zuständig.

„Wir wussten, was zu tun war, dennoch war das Ausmaß an Arbeit höher als erwartet“, sagt er. Am Tag selbst waren er und seine Kollegen nicht im Einsatz. „Wir mussten warten, bis es vorbei war. Alles andere wäre gefährlich gewesen.“
Bäume lagen kreuz und quer
Als Christoph Vögele und seine Kollegen den Stadtwald schließlich ablaufen, um den Schaden zu erfassen, liegt vieles brach. „Überall im Wald lagen die Bäume kreuz und quer. Wir mussten sämtliche Stämme absägen.“ Dass es dann auch noch starke Schneefälle gab, erschwerte die Arbeiten zusätzlich.


„Dadurch wurde es schwieriger für uns, einzuschätzen, wie die Spannungen im Holz sind.“ Und das kann mitunter sogar lebensgefährlich sein, erklärt Vögele. „Das Holz ist sehr elastisch und steht unter Hochspannung. Sägen wir ein Stamm ab, schnellt das Holz hoch.“ Aus diesem Grund war eine genaue Untersuchung der Bäume notwendig, um zu wissen, in welche Richtung der Stamm abschlägt.
„Ich habe in der Zeit gelernt, wie klein wir Menschen sind und wie übermächtig die Natur sein kann“.Christoph Vögele, Förster
Teilweise kamen die Arbeiter wegen der Schneefälle gar nicht in den Wald hinein. Auch das war ein Problem. „Nach einem Sturmereignis ist es wichtig, schnell voranzukommen, sonst nisten sich Borkenkäfer ein“. Die umgefallenen Bäume seien für die Käfer nämlich ideales Brutmaterial, sagt Vögele.


100.000 Festmeter Holz mussten aufgearbeitet werden
Das Holz stapelte sich schließlich im Wald. „Die Wege waren komplett zugestellt, man kam nicht mehr durch.“ Rund 100.000 Festmeter Holz, also das doppelte des Jahreshiebes, sind durch den Sturm angefallen. In Marbach lag sogar das Elffache von dem, was normalerweise in einem Jahr an Holz dort eingeschlagen werde, erinnert er sich. „Es war einfach richtig brutal.“

Die Folge: Der Stadtwald war über viele Flächen hinweg kahl. „Die starken Windböen haben stellenweise mehrere hundert Meter Wald umgemäht“, sagt Christoph Vögele. Für den Förster ging es dann an die Kulturflächenplanung. „Wir mussten mit der Wiederaufforstung der zerstörten Flächen beginnen. Dabei habe ich mir angeschaut, welche Baumarten am besten in unseren Wald passen.“

Der Bestand an Fichten verjünge sich selbst, sagt der Förster. Aufgeforstet wurden unter anderem Tanne, Buche und Laubholz. Es braucht aber mindestens zwei Jahre, bis alles richtig verwurzelt sei, erklärt er. Ein ganzes Jahr habe es gedauert, um die von Lothar beschädigten Flächen aufzuarbeiten.
Der Stress dieser Mammutaufgabe machte auch Christoph Vögele zu schaffen: Zahlreiche schlaflose Nächte und zehn Kilo weniger auf den Rippen waren das Resultat monatelanger, intensiver Arbeit im Wald. „Ich habe in der Zeit gelernt, wie klein wir Menschen sind und wie übermächtig die Natur sein kann“, sagt er. Vor drei Jahren konnte das Forstamt schließlich zum ersten Mal etwas Holz aus dem aufgeforsteten Gebiet entnehmen.

Die Ereignisse von damals hätten ihn nachhaltig beeinflusst, sagt Christoph Vögele. Wann immer es stürmt, zieht er sich in seine Werkstatt zurück und werkelt herum. „Wenn man weiß, was für Konsequenzen schwere Stürme haben, dann kann man nicht ruhig dasitzen“, sagt er. „In der Werkstatt zu arbeiten beruhigt mich. Den Ausmaß des Schadens sehe ich dann am nächsten Tag, wenn alles vorüber ist.“

Über zwei Jahrzehnte später zieht der Förster Bilanz: Der Stadtwald hat sich gut entwickelt. Zwar gebe es immer wieder Sturmschäden, doch die Aufforstung mit robusten Baumarten zeigt Früchte. Unterschiedliche Gewächse wie Ahorn, Kirsche oder Douglasie werten den Wald auf und machen diesen fit für Morgen.
Und dennoch: Christoph Vögele denkt viel über die Zukunft des Waldes nach. Neben Sturmschäden und Käferbefall machen vor allem die langen Trockenphasen dem Wald zu schaffen. Daher sei es wichtig, auf mehr Vielfalt zu setzen, die robuster ist und somit mit dem Klimawandel besser zurecht komme. „Wir werden auch in Zukunft Wald haben. Die Frage ist: Was ist das für ein Wald“?