Von 19 auf 16 und von sieben auf fünf Prozent bei ermäßigten Produkten – so lautet die Mehrwertsteuerformel, die ab Mittwoch in Deutschland gilt. Mit der Steuersenkung bis zum 31. Dezember – danach gilt wieder der übliche Steuersatz – will die Bundesregierung, nach Zustimmung des Bundestags und Bundesrats, dafür sorgen, dass die Kaufkraft steigt und von Corona gebeutelte Unternehmen einen Teil ihrer Verluste wettmachen. Ein gut gemeintes Ziel, aber führt die Maßnahme auch zum gewünschten Ergebnis? Der SÜDKURIER hat in Villingen nachgefragt.

Das Modegeschäft Broghammer in der Niederen Straße in Villingen.
Das Modegeschäft Broghammer in der Niederen Straße in Villingen. | Bild: Matthias Jundt

„Ich glaube nicht, dass das mehr Umsatz bringt“, sagt Tanja Broghammer. Sie ist eine der Inhaberinnen der gleichnamigen Bekleidungsgeschäfte für Männer und Frauen in der Niederen Straße und der Rietstraße in Villingen. „Die Menschen kaufen das, was sie brauchen. Nicht mehr“, sagt sie. Profitieren von der Mehrwertsteuersenkung werden ihrer Meinung vor allem diejenigen, die beispielsweise größere Ausgaben geplant haben.

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Für die Umstellung der Kasse musste Broghammer ein Update aufspielen lassen. Das sei mit Kosten verbunden gewesen. Der Aufwand, den Geschäfte damit hätten, liege am jeweiligen Kassensystem. Ihren Kunden wird sie die Mehrwertsteuersenkung weitergeben, sprich: Die Kleidung wird günstiger. Darauf will sie die Menschen mit einem Schild hinweisen. Neue Etikette wird sie an ihren Klamotten nicht anbringen.

Nur „zwei, drei Klicks“ dauerte für Domenico Wittkopf die Umstellung seines Systems: „Wir haben eine total moderne Kasse“, sagt der Inhaber des Gasthauses Ott in der Villinger Färberstraße auf SÜDKURIER-Anfrage. Er rechnet damit, dass er mithilfe der Mehrwertsteuersenkung „ein paar Euro“ mehr als sonst verdienen werde. „Aber alles im Rahmen“, ergänzt Wittkopf. Das Essen werde bei ihm ab Mittwoch „wahrscheinlich“ nicht günstiger. Das liege auch daran, dass der Einkauf nicht billiger für ihn sei.

Domenico Wittkopf ist Besitzer des Gasthauses Ott in der Färberstraße in Villingen.
Domenico Wittkopf ist Besitzer des Gasthauses Ott in der Färberstraße in Villingen. | Bild: Matthias Jundt

Für Restaurants wurde vom 1. Juli bis zum 30. Juni 2021 bereits eine Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen von 19 auf sieben Prozent beschlossen. Nun sinkt die Mehrwertsteuer noch einmal auf fünf Prozent – aber nur bis zum 31. Dezember. Dann ist sie bis Mitte des kommenden Jahres wieder bei sieben Prozent, ehe sie ab dem 1. Juli 2021 auf den regulären Satz von 19 Prozent steigt. Getränke sollten bei den üblichen 19 Prozent bleiben, werden ab Mittwoch aber auf 16 Prozent Mehrwertsteuer sinken – bis zum 31. Dezember. Dann steigt der Steuersatz für Getränke wieder auf 19 Prozent. Ohne moderne Kasse kann das zu viel Aufwand führen.

Aus diesem Grund hatten sich auch viele Unternehmer an die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg (IHK) mit der Bitte gewandt, die Mehrwertsteuersenkung zu verhindern, wie Matthias Schanz, politischer Referent, Verantwortlicher für die Mitgliederkommunikation bei der IHK und „Corona-Beauftragter“, gegenüber dem SÜDKURIER sagt. „Natürlich melden sich immer eher diejenigen, die nicht einverstanden mit Regelungen sind. Aber der Tenor ist eher negativ“, sagt Schanz weiter.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird bis Ende des Jahres von sieben auf fünf Prozent gesenkt.
Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird bis Ende des Jahres von sieben auf fünf Prozent gesenkt. | Bild: Matthias Jundt

Die Umstellung der Kassensysteme wegen der Mehrwertsteuersenkung beschreibt Schanz als „wahnsinningen Bürokratiedschungel“ – vor allem in der Gastronomie. Um sich in diesem Dschungel zurechtzufinden, arbeitet die IHK gerade an einem Leitfaden „vor allem für kleinere Unternehmen“.

Es habe zwar keine Umfrage gegeben, allerdings gebe es viele Unternehmen, die keine Dienstleister finden, die sich um die Umstellung der Kassen kümmern. „Das Gesetz wurde am Montag verabschiedet und tritt am Mittwoch in Kraft. Da bleibt nicht viel Zeit“, sagt der „Corona-Beauftragte“ der IHK. Auch die Kassendienstleister hätten nur „begrenzte Ressourcen“. Generell begrüßte die IHK begrüßen die Absicht, die Wirtschaft durch die Mehrwertsteuersenkung anzukurbeln. Allerdings fehlten derzeit noch klare Übergangsregelungen für die Unternehmen, damit diese innerhalb kurzer Zeit die neuen Regelungen umsetzen können und dabei einen rechtssicheren Rahmen haben. Dies liege an der Kurzfristigkeit der Gesetzesänderung

Nullsummenspiel

„Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass der Einzelhandel nicht so sehr von der Maßnahme profitiert. Klar ist laut Schanz aber: „Die Kleinen haben mit der Umstellung am meisten zu tun. Und die Mehrwertsteuersenkung bringt bei günstigeren Produkten eher wenig. Für viele Unternehmen verursacht die Maßnahme mehr Kosten oder es ist ein Nullsummenspiel.“

Auch für das Porschezentrum in der Villinger Goldenbühlstraße werde sich die Mehrwertsteuersenkung wohl nicht lohnen, wie Geschäftsführer Michael Maistrello sagt: „Wir geben die Senkung direkt an unsere Kunden weiter. Das ist von der Porschezentrale auch so vorgegeben.“ Nur bei den Gebrauchtwagen wisse Maistrello noch nicht, wie es mit den Preisen aussieht: „In diesem Bereich sind wir selbst verantwortlich. Da werden wir den Markt zunächst beobachten.“

Die Umstellung der Kassen sei auch im Porschezentrum mit viel Aufwand verbunden gewesen. Ob all das am dem 1. Januar wieder rückgängig gemacht werden muss, bezweifelt der Geschäftsführer aber: „Wir müssen abwarten, ob die Mehrwertsteuer am dem kommenden Jahr tatsächlich wieder auf 19 Prozent zurückgestuft wird.“

Michael Maistrello ist Geschäftsführer des Porschezentrums in Villingen.
Michael Maistrello ist Geschäftsführer des Porschezentrums in Villingen. | Bild: Porschezentrum Villingen

Dietmar Böhnke rechnet in der Zukunft mit Buchungs- und Abstimmungsproblemen bei Unternehmen. Der Steuerberater und Co-Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft Böhnke/Gruber aus der Villinger Warenburgstraße hat schon jetzt mehr Kunden, die Hilfe wegen der Mehrwertsteuersenkung brauchen. „Wir werden ein Rundschreiben diesbezüglich verschicken. Ich bin mir sicher, dass es einen Haufen Rückfragen geben wird“, sagt Böhnke.