Über acht Jahre nach ihrer fristlosen Entlassung als Geschäftsführer der Hess AG in Villingen, nach massiven Betrugs- und Manipulations-Anschuldigungen sowie endlosen zivil- und strafrechtlichen Auseinandersetzungen geht für die ehemaligen Unternehmensvorstände Christoph Hess und Peter Ziegler eine Odyssee durch die Mühlen der Justiz zu Ende. Heute erwarten die beiden Angeklagten das Urteil, dem sie aber gelassen entgegensehen können.

Denn in bislang 18 Verhandlungstagen seit Anfang Oktober hat sich das Blatt komplett gewendet. Von den massiven Anschuldigungen gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden Christoph Hess (49) und den Finanzvorstand Peter Ziegler (52) ist im Laufe des Strafverfahrens vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Mannheim so gut wie nichts mehr übrig geblieben.

Den Angeklagten war von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Börsengang des Villinger Leuchtenherstellers im Jahre 2012 eine Fülle schwerer Wirtschaftsstraftaten wie Bilanzmanipulationen, Untreue, Verstoß gegen das Aktiengesetz, Anlegertäuschung, Kreditbetrug und anderes vorgeworfen. Als Motiv war Hess und Ziegler unterstellt worden, sie hätten die Bilanzen des Unternehmens deshalb manipuliert, um einen erfolgreichen Börsengang durchführen zu können.

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Die Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft gingen davon aus, dass bei der bilanziellen Aktivierung von Entwicklungskosten des Unternehmens durch Luftbuchungen und Kreisgeschäfte getrickst worden sei. Im Laufe der Verhandlung wuchsen aber bei den drei Berufs- und zwei Schöffenrichtern die Zweifel an diesem von der Staatsanwaltschaft entworfenen Szenario von Mal zu Mal. Vor allem Peter Ziegler, der ehemalige Finanzvorstand des Unternehmens, verdeutliche zum Teil akribisch, dass die unterstellten Scheingeschäfte keine gewesen seien, sondern tatsächliche Werte und Aufträge verbucht wurden.

Diese Ausführungen befand das Gericht für glaubhaft und nachvollziehbar, das Szenario der Anklage von einer großangelegten Manipulationsstrategie geriet vollständig ins Wanken. Der Plausibilität der Erklärungen hatte auch die Staatsanwaltschaft nichts entgegenzusetzen. Im Gegenteil: Die Ermittler wurden von den Verteidigern vorgeworfen, massive Fehler gemacht und voreingenommen ermittelt zu haben. So kam es, dass das Gericht bereits nach den umfangreichen Ausführungen der Angeklagten und ihrer Verteidiger und noch vor der eigentlichen Beweisaufnahme eine „gerichtliche Verständigung“ mit den Angeklagten suchte. Der Deal: Eine Abkürzung des Strafverfahrens mit einem schnellen Urteil gegen ein Teilgeständnis der Angeklagten.

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Angesichts der langen Verfahrensdauer – die Ermittlungen wurden 2013 aufgenommen, die Anklage 2015 erhoben – stimmten die Angeklagten dieser Verständigung zu. Beide Angeklagten, besonders der gesundheitlich angeschlagene Christoph Hess, betonten, sie wollten sich eine weitere monatelange Belastung durch durch die Fortsetzung des Prozesses nicht mehr zumuten, obwohl die Chancen auf einen Freispruch gut stünden. Sie räumten den Straftatbestand der „unrichtigen Darstellung“ in den Bilanzen ein, also die Möglichkeit, dass sie im Vorfeld des Börsengangs der Hess AG in den Jahren 2011 und 2012 Fehler bei der Bilanzierung billigend in Kauf genommen hätten.

Mit diesem Teilgeständnis in einem minderschweren Anklagepunkt erwartet die Angeklagten nun eine kleinere Freiheitsstrafe von einigen Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Die lange Verfahrensdauer wird strafmildernd angerechnet. An dieser Verständigung dürfte auch die verkürzte Beweisaufnahme des Gerichts in den letzten drei Verhandlungstagen nichts mehr geändert haben. Die als Zeugen gehörten Hess-Mitarbeiter trugen vor allem Entlastendes für die Angeklagten vor, ein anwaltlicher Berater und ein Wirtschaftsprüfer der einstigen Hess AG waren sichtlich bemüht, sich an nichts Konkretes mehr zu erinnern.

Am Mittwoch werden nun die Staatsanwältin und die Verteidiger ihre Plädoyers halten, die Angeklagten ihr Schlusswort sprechen, dann wird der Urteilsspruch des Gerichts erwartet. Damit geht dann ein denkwürdiger „Wirtschaftskrimi“ zu Ende, der wohl nie einer gewesen war.