Am Samstag, 1. Juli, fand die Lange Kulturnacht in Schwenningen statt. Hinterher bilanziert das städtische Kulturamt als Hauptorganisator ein großartiges Fest der Kulturen mit einem tollen Programm.
Dass es am Rande der Veranstaltung massive Krawalle gebeben hat, bei dem mehrere Ordnungskräfte verletzt wurde, war den Veranstaltern keine Erwähnung wert. Und auch die Polizei veröffentlichte keine einzige Zeile über die massiven Auseinandersetzungen, obwohl auch eine Polizeibeamtin nicht unerheblich verletzt wurde.

Erst im Abstand von fast vier Wochen sind die Vorkommnisse durchgesickert. Offenbar hat ein Mob von 100 bis 300 jungen und wohl alkoholisierten Leuten gezielt die Auseinandersetzung mit Ordnungskräften gesucht.
Nach kritischen Anfragen haben die Stadt und die Polizei jetzt eine gemeinsame Stellungnahme herausgegeben, die Vorkommnisse bestätigt – und Fehler in der Information der Öffentlichkeit eingeräumt.
„Ein großartiges Fest“
Bei der Kulturnacht 2023 wurden Anfang Juli rund 17.000 Besucher gezählt. Sie ist eines der größten Events der Stadt. Die Pressestelle der Stadt spricht in ihrer Reaktion auf die Vorkommnisse „von einem großartigen Fest des Zusammenhaltes, der Vielfalt und der Toleranz“.
Bei derartigen Veranstaltungen mit diesem Besucheraufkommen, so heißt es weiter, müsse davon ausgegangen werden, „dass sich Auseinandersetzungen ergeben können“. Rund um die Kulturnacht habe sich dies in den letzten Jahren eher in den Nebenstraßen, im Randbereich des Events und weniger auf der Kulturnacht selbst abgespielt.
Weiterhin verweist die Stadt auf ihr jährliches Sicherheitskonzept. Es seien 87 Security-Kräfte zusätzlich zur Polizei und zum 14-köpfigen Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) vor Ort im Einsatz gewesen. Die Securitykräfte seien nicht nur für die innere Sicherheit, sondern zum Großteil für Einlasskontrolle, Nachtwache und für die Einsatzleitungszentrale verantwortlich gewesen.

Ärger im Bereich C&A und City-Rondell
Zu den Krawallen im Laufe der Nacht stellen Polizei und Ordnungsdienst folgendes fest: Wie auch im Vorjahr sei es im Bereich des Kaufhäuser C&A und City-Rondell sowie der benachbarten Uhlandstraße zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Einzelpersonen sowie Personengruppen gekommen.
Der Kommunale Ordnungsdienst, der in voller Einsatzstärke vor Ort war, habe diese Gruppen in den Randgebieten erkannt und habe bereits am frühen Abend eine zunehmend aggressive und provozierende Stimmung in diesen Bereichen wahr genommen.
Deshalb, so die Stadt, sei das Gelände der Kulturnacht und die Randbereiche verstärkt bestreift worden.
Die Situation eskaliert
Im Laufe der Nacht eskalierte dann offenkundig die Situation. Von 22 bis 24 Uhr kam es nach dem Rapport der Einsatzkräfte „wiederholt zu Auseinandersetzungen und Provokationen einzelner Personen aus den unterschiedlichen Gruppen“.
Das Ganze gipfelte dann gegen 23.30 Uhr: Eine Person warf nach diesem Bericht „gezielt einen Böller in Richtung der KOD-Kräfte. „Dieser traf zunächst den Kopf eines Beamten und prallte in Richtung Brust eines weiteren Beamten ab. Dieser wehrte ihn mit einer Handbewegung ab und schlug ihn zu Boden, wo er schließlich explodierte“, heißt es in der Darstellung von Polizei und Stadt.

Dessen nicht genug wurden in den darauffolgenden Minuten weitere Böller geworfen, heißt es in dem Bericht. Urplötzlich standen dem KOD, sowie weiteren hinzugezogenen Einsatzkräften der Landespolizei mehrere aggressive Personen aus diesen Gruppen gegenüber.
Laut einer groben Schätzung des Kommunalen Ordnungsdienstes waren hierbei rund 100 bis 300 Personen in diesem Bereich, die unterschiedlich agierten. Durch die Polizei wurde eine Person festgenommen, die im Verdacht steht, mit Böllern geworfen zu haben. Im Rucksack dieser Person seien weitere Böller gefunden worden.
Fünf verletzte KOD-Mitarbeiter
Nach Angaben der Stadt wurden fünf Mitarbeiter des städtischen Ordnungsdienstes (KOD) wurden durch diesen Vorfall verletzt. Sie klagten über Schwindel, Benommenheit, starkes Pfeifen im Ohr und Knalltrauma.
Die anderen Kräfte des KOD wurden vor Ort vom Roten Kreuz versorgt. „Die Verletzungen wirkten sich bei einzelnen Mitarbeitenden bis über eine Woche hinweg aus“, teilt die Stadt dazu mit.
Die negativen Randerscheinungen in den Nebenstraßen wie in der Uhlandstraße oder beim C&A hat es nach Mitteilung der Stadt bereits in den vergangenen Jahren gegeben. „Die vielen Auseinandersetzungen, die aggressive Stimmung, die Angriffe auf die KOD-Kräfte stellten für uns eine neue Herausforderung dar“, räumt die Stadt ein.
Sicherheitskonzept wird überarbeitet
Was sind die Konsequenzen aus diesen Vorgängen? Das Polizeipräsidium Konstanz, vertreten durch die Schutzpolizeidirektion Tuttlingen und das Polizeirevier Schwenningen, wollen nun mit der Stadt ein neues Sicherheitskonzept für die Kulturnacht 2024 ausarbeiten.
Polizisten erleidet ein Knalltrauma
„Die Mehrzahl der Besucherinnen und Besucher feierte friedlich, doch eine Minderheit suchte die Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften und fiel nicht zuletzt alkoholbedingt durch gröbliche Störungen, wie Böllerwürfe, auf“, so der Einsatzleiter und stellvertretende Leiter des Polizeireviers Schwenningen, Andreas Willmann. Dadurch sei eine Polizeibeamtin nicht unerheblich verletzt worden. Sie habe ein Knalltrauma erlitten.
Die Bilanz der Polizei: Sie belegte acht Störer mit Platzverweisen, führte drei erkennungsdienstliche Behandlungen durch und fertigte fünf Straf- sowie sieben Ordnungswidrigkeitenanzeigen an.
Polizei will Konsequenzen ziehen
Auch wenn es gelungen sei, die Situation zu beruhigen, gelte es nun, „aus dem Vorgefallenen Konsequenzen zu ziehen, erkannten Störern den Zutritt künftig zu verweigern, das Verbot des Mitführens von Böllern durchzusetzen und die restriktivere Handhabung des Alkoholausschanks zu prüfen“, sagte der Leiter der Schutzpolizeidirektion Tuttlingen, Stephan Behnke.

„Dass es diese Probleme gab, hätten wir berichten müssen. Das wurde nicht getan und war ein echtes Versäumnis“, räumte die städtische Pressesprecherin Madlen Falke ein.
Bei den Organisatoren der Stadt, sprich dem Kulturamt, liege der Fokus der Betrachtung naturgemäß auf der Organisation und dem Programm und weniger auf dem Drumherum. Dies erkläre wohl die „Fehleinschätzung“ bei der Information der Öffentlichkeit.
Eine Presseanfrage über mögliche Vorkommnisse sei zudem aus Gründen „der Arbeitsdichte“ der Verantwortlichen unbeantwortet liegen geblieben. Falke bedauerte diese Versäumnisse.