Ist die Polizei am Ende ihres Lateins? Am Montag nach Weihnachten kam es im Schwarzwald-Baar-Kreis zu fünf Aufmärschen von Personen, die sich in der Folge von Internet-Aufrufen gegen die Corona-Politik versammelt hatten. Die Polizei konnte die Versammlungen offenkundig nur noch begleiten, griff aber bei hundertfachen Verstößen gegen das Maskengebot in Villingen nicht ein. Sind die Ordnungshüter überfordert?
Fünf Versammlungen in der Region
In Villingen, Donaueschingen, St. Georgen, Furtwangen und Königsfeld kam es am Montagabend zu solchen Versammlungen. In Villingen trafen sich laut Polizei-Zählungen 300 Personen. Nach Informationen des SÜDKURIER waren dazu 16 Beamte der Landespolizei eingesetzt.

Versammlungsbehörde in Villingen und Donaueschingen ist die Stadt. der Landkreis ist hier für den Infektionsschutz zuständig. In den kleineren Kommunen ist der Kreis auch Versammlungsbehörde. Für den Vollzug ist die Polizei mit den Ordnungsämtern zuständig.
In Villingen offenbarte sich: Eine Durchsetzung des Maskengebots fand nicht statt. Es gab auch weitere bedenkliche Entwicklungen im Oberzentrum.
Gebote zum Schutze der Bürger
Das Maskengebot wurde vom Landkreis gezielt zum 24. Dezember aus Gründen des Infektionsschutzes erlassen. Ziel ist Bürgerschutz, die Menschen sollen sich nicht mit Corona anstecken.

Nur wenige Teilnehmer in Villingen trugen am 27. Dezember eine Maske. Die Polizei streifte in Zweier- und Dreiergruppen durch die versammelte Menge, forderte aber nicht zum Aufsetzen eines Schutzes auf.
Die Passivität soll, so ein Einsatzleiter, auch daran gelegen haben, dass sich die Versammelten zu Kleingruppen von unter zehn Leuten zusammengestellt hätten. Ab 10 versammelten Personen gilt das Maskengebot. Die Polizei begreift die 300 Menschen offenbar nicht als eine geschlossene Gruppe, obwohl sich die Menge zeitgleich am Münster einfand, zeitgleich losmarschierte und wie orchestriert auftrat.
Auflagen nicht eingehalten
Faktisch kam es am Münsterplatz auch zu einem weiteren Verstoß. Der Aufmarsch war bei den Behörden nicht angemeldet. Ein Versammlungsleiter, ansonsten an jedem Kuchenverkaufsstand in der Innenstadt erforderlich, sei nicht bekannt, so ein Behördenvertreter.
Im VS-Rathaus braut sich was zusammen
Der Verstoß gegen das Versammlungsrecht sowie das Nichttragen einer Maske, haben die Behörden nun über mehrere Wochen geduldet. Nun will die Stadt Villingen-Schwenningen reagieren. Nach SÜDKURIER-Informationen prüft die Verwaltung nun ein Versammlungsverbot. Juristen prüfen demnach aktuell, wie die Vorgehensweise aussehen könnte.
Arnold Schuhmacher hat das Maskengebot mit initiiert. Der Leiter des Ordnungsamtes des Landkreises zeigte sich am Dienstag im Gespräch mit dieser Redaktion „enttäuscht darüber, wie viele Menschen Montagabend in Villingen gegen die Auflage verstoßen haben“. Schuhmacher betonte, Vollzugsbehörde seien bei der Durchsetzung des Maskengebots die Polizeibehörden.
„...wäre möglich gewesen ...“
Im Polizeipräsidium betonte ein Sprecher am Dienstag auf Anfrage, es wäre Montagabend „möglich gewesen, im Falle von Eskalationen weitere Beamte zusammen zu ziehen“. Weshalb die Polizei beispielsweise das Maskengebot nicht durchgesetzt hat, wurde so beantwortet: „Es gibt hierzu eine Abwägung des Einsatzleiters, wann die Stimmung eskalieren könnte.“
Was befürchtet wurde
Zuvor hatte derselbe Polizeisprecher betont, die Versammelten in Villingen hätten sich friedlich verhalten. Inwiefern Stimmung eskalieren sollte, wenn bekannte Auflagen durchgesetzt werden, vermochte der Polizeisprecher indessen nicht näher zu präzisieren.
Für Arnold Schuhmacher ist klar, um was es bei den vielen Versammlungen auch gehen soll: „Das Ziel ist hier ja offenkundig auch, die Polizei und die Behörden zu überfordern“, sagt der Amtsleiter des Landkreises Schwarzwald-Baar.
Dicht gedrängt der Abmarsch
Ob dieser Punkt bereits erreicht ist? Schuhmacher schildert mit Unbehagen eine seiner Beobachtungen von Montagabend. Als die Versammelten vom Münsterplatz zum Rundgang aufbrachen, drängten die Menschen ohne weitere behördliche Einwirkung durch den engen Durchgang in die Rietstraße beim Bürgeramt. Das sei angesichts der Infektionslage „unverantwortlich“, betont Schuhmacher.
Im VS-Rathaus sorgt sich Oberbürgermeister Jürgen Roth. Am Dienstagmorgen sagt das Stadtoberhaupt: „Diese Veranstaltungen als Spaziergänge zu titulieren – das ist doch ein Feigenblatt.“ Roth verweist auf die gefährliche Ansteckungslage angesichts einer in seinen Auswirkungen noch überwiegend unbekannten Virusmutation.
Sorge um den Rechtsstaat
Angesichts von Omikron, so der OB, „kann es nicht sein, dass sich die Menschen hier nicht an die Allgemeinverfügung halten und zudem unangemeldete Versammlungen abhalten“. Experten erwarten, dass die Belastung durch die neue Virus-Variante die Region bislang noch gar nicht erreicht hat.
Forderungen, den Kundgebungen in Villingen die Weihnachtsbeleuchtung auszuschalten, wies Roth zurück. Das sei „Symbolpolitik“. Roth machte klar, dass er jetzt weitere Schritte konkret einleiten will: „Sonst kommt der Eindruck auf, dass hier der Rechtsstaat am Nasenring durch die Stadt gezogen wird.“