Villingen-Schwenningen Alter schützt vor Strafe nicht. Das musste ein heute 85-jähriger Mann erfahren, der auf der Anklagebank des Villinger Amtsgericht saß. Zu Unrecht, wie er vehement äußerte. Statt Einsicht sah er sich als Opfer von Polizeigewalt und Justizversagen. Die Quittung gab es in Form einer Geldstrafe.

Wann beginnt rechtlich gesehen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte? Mit aktiver Gegenwehr oder bereits mit der Verweigerung, an einer polizeilichen Maßnahme mitzuwirken. Und hat der Angeklagte aktiv Widerstand geleistet oder sich nur passiv verhalten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Verhandlung.

Die Ausgangslage: Der Angeklagte wurde im Oktober vergangenen Jahres von Polizeikräften aus einem Bus in VS-Schwenningen geholt, nachdem er dort laut Zeugenaussagen andere Fahrgäste, insbesondere solche mit Migrationshintergrund, angepöbelt, übel beschimpft und mit dem Handy gefilmt haben soll. Da sich der Mann weigerte, der Aufforderung der Polizei Folge zu leisten, den Bus zu verlassen und sich einem Atemalkoholtest zu unterziehen, wurde er von den Polizisten laut Anklage bei „heftiger Gegenwehr“ mit unmittelbar angewandtem Zwang aus dem Bus geholt und für eine Blutentnahme auf das Polizeirevier verbracht.

Dort gelang es nur unter Einsatz mehrerer Polizeibeamter, den Rentner, der laut Aussage eines Polizeibeamten „durch herumfuchteln und sich winden“ die Maßnahme erschwerte, die Blutentnahme durch einen Arzt vornehmen zu lassen. Das Ergebnis: Der Mann wies lediglich einen Blutalkoholgehalt von 0,3 Promille auf.

In der Verhandlung wies der Angeklagte sämtlich Vorwürfe gegen ihn entschieden zurück und bezweifelte die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Stattdessen stellte er sich selbst als Opfer von Polizeigewalt dar und verglich die gegen ihn von der Polizei angewandten Maßnahmen mit Machenschaften aus der DDR- und NS-Zeit. „Die Polizei hat mich am Schlafittchen hochgezogen“, sagte er. Als ehemaliger Angehöriger im öffentlichen Dienst, in dem er es zu etwas gebracht habe, wollte er sich nicht von anderen befehligen lassen.

Der Angeklagte nahm sich eine Zeugin aus dem Bus direkt vor. Er verfüge eigenen Angaben zufolge „über einen juristischen Hintergrund“. Der 85-Jährige übernahm dazu kurzerhand das Fragerecht seines Verteidigers und fragte die Zeugin, ob sie sich bewusst sei, dass sie sich durch ihren Anruf bei der Polizei der Körperverletzung an seiner Person mitschuldig gemacht habe. Die Zeugin ließ sich von so etwas jedoch nicht beeindrucken.

Der Verteidiger versuchte, die Lebenssituation des Angeklagten in den Vordergrund zu stellen. Für jemand, der den Zweiten Weltkrieg als Kind miterlebt habe, am Wiederaufbau beteiligt gewesen sei und seine Wehrpflicht geleistet habe, sei es schwierig, plötzlich mit der Staatsgewalt konfrontiert zu werden. Der Verteidiger forderte in seinem Plädoyer deshalb einen Freispruch für seinen Mandanten. Das Gericht sah dies anders und folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die hier einen deutlichen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sah und eine Geldstrafe forderte. Denn auch wenn der Beschuldigte offensichtlich zu keinem Zeitpunkt direkte Gewalt gegen die Ordnungshüter ausübte, so erschwerte er doch durch sein passives Verhalten die Durchsetzung der Maßnahmen, in diesem Falle den Bus zu verlassen und sich auf dem Revier einer Blutentnahme zu unterziehen. Bereits die Ankündigung, gegen die Maßnahme Widerstand zu leisten, habe in diesem Falle ausgereicht, das passive Verhalten als Widerstand zu werten.

Das Gericht verhängte deshalb gegen den renitenten Rentner eine Strafe von 50 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro, also 2000 Euro.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagte machte noch im Gerichtssaal deutlich, das Urteil anzufechten.