Die Gewährleistung von Recht und Ordnung in der Stadt scheint an ihre Grenzen gekommen zu sein. Die Mitarbeiter des städtischen Bürgeramtes stehen derzeit unter extremem Arbeitsdruck. Presseanfragen werden zum Teil seit Wochen nicht beantwortet. Grund sei die Überforderung der Dienststellen in der Ortspolizeibehörde, erklärt dazu die Verwaltungssprecherin der Stadt, Oxana Brunner. „Das Bürgeramt hatte schon unabhängig von Corona zu wenig Personal“. Mit der Pandemie seien noch eine Fülle von Aufgaben dazugekommen. „Unser Bürgeramt ist total überlastet“, konstatiert Brunner.
Mitarbeiter am Limit
Mitarbeiter der Ortspolizeibehörde klagen, sie seien mittlerweile kräftemäßig und mental am Limit – oder schon darüber hinaus. Denn in den vergangenen Wochen kam es knüppeldick. Durch einen Formfehler wurde der neue Bußgeldkatalog des Bundesverkehrsministeriums im Frühjahr für unwirksam erklärt. Betroffen waren davon bundesweit schätzungsweise eine Million Bußgeldbescheide, die möglicherweise alle ungültig sind. Auch in VS wurde die Bußgeldstelle über Wochen mit Anfragen und E-Mails in dieser Frage bombardiert.
Neue Aufgaben
Vor allem aber hat die Corona-Pandemie die Aufgabenfülle beim Bürgeramt drastisch verschärft. So müssen die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD), im Volksmund „Stadtsheriffs“, zu den bisherigen Aufgaben über Wochen die Einhaltung der Corona-Verordnungen kontrollieren, etwa die anfänglichen Schließungen von Geschäften und Gaststätten, der Abstandsregeln und vieles mehr. Mittlerweile wurde den KOD-Mitarbeitern auch die Aufgabe aufgebürdet, die Einhaltung der Hygienevorschriften und Abstandsregeln in den Gaststätten zu prüfen.

Tausende Anfragen
Enorm belastet seien aber auch die zuständigen Mitarbeiter im Innendienst, berichtet Brunner. Hier prasselten in den vergangenen Wochen abertausende Anfragen von Bürgern, Firmen und Unternehmen und Selbständigen zur Auslegung der Corona-Verordnungen ein. „Ein exremtes Arbeitsfeld“, so die Verwaltungssprecherin. Allein dafür seien seit Wochen fünf Vollzeitkräfte abgestellt.
Stress mit Reiseverordnung
Mit den neuen Reiseverordnungen der Bundesregierung ist der Vollzugsbehörde ein weiterer bürokratischer Rucksack aufgebürdet worden. Die Reiserückkehrer bereiten dem Bürgeramt immense Arbeit. Sie müssen beispielsweise die Einhaltung der Quarantänebestimmungen von Reisenden aus Risikogebieten kontrollieren oder die Aussteigekarten von Flug- und Bahnreisenden bearbeiten. Die Corona-Aufgaben, so Brunner, seien für die Mitarbeiter des Bürgeramtes noch lange nicht bewältigt. „Wir sind am Anschlag.“ Die Mitarbeiter hätten oft mehr als einen Achtstundentag, seien oft zehn, elf Stunden im Einsatz.
Übelste Beschimpfungen
Hinzu komme eine wachsende emotionale Belastung. Viele Mitarbeiter seien zuletzt „übelsten Beschwerden und Beschimpfungen ausgesetzt“. Das gelte beispielsweise für die Bußgeldstelle, aber auch für die Mitarbeiter der beiden Bürgerservice-Zentren in Villingen und Schwenningen. Eine wachsende Zahl von Menschen werde schnell aggressiver und ungeduldig. Derzeit, so Brunner, häuften sich die negativen Äußerungen extrem, darunter auch Bedrohungen, Beschimpfungen, Herumbrüllen und Respektlosigkeiten, zum Teil auf „übelstem Niveau“.
Personell unterbesetzt
Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass die alltäglichen Aufgaben der Ortspolizeibehörde schon in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Die Bürger fordern von der Stadt immer mehr Kontrollen: im Verkehr, bei Lärm, Vermüllung, Ordnungswidrigkeiten aller Art. Der Personalstand des Bürgeramtes konnte damit nicht Schritt halten. „Auch im Vergleich mit anderen Städten haben wir zu wenig Personal im Ordnungsbereich“, sagt Brunner. Der zuständige Amtsleiter Ralf Glück hat zwar in den vergangenen Jahren immer wieder Personalerhöhungen beantragt, war aber vom Gemeinderat wiederholt gebremst worden.
Gemeinderat spart
Erst im Januar hatte Glück bei den Haushaltsberatungen acht zusätzliche Stellen, davon sechs für den Ordnungsdienst, beantragt und geschickt argumentiert, diese würden sich durch zusätzliche Bußgelder aus der Anschaffung eines neuen mobilen Radargeräts quasi von selbst finanzieren. Am Ende aber hat der Gemeinderat angesichts der desolaten Haushaltslage von den 80 beantragten zusätzlichen Stellen nur die Hälfte bewilligt – und damit auch die Verstärkung des Bürgeramtes abgelehnt.
Stressfaktor OB
Als weiteren erheblichen „Stressfaktor“ sehen die Beschäftigten dem Vernehmen nach auch Oberbürgermeister Jürgen Roth. Dieser hat sich von Anfang an als Sachwalter für mehr Sauberkeit und Ordnung in der Stadt positioniert und zieht dieses Anliegen aus Sicht der betroffenen Mitarbeiter auch jetzt ohne Rücksicht auf deren hohe Arbeitsbelastung durch. Über dieses rigorose Durchregieren von oben hat sich nach SÜDKURIER-Informationen verwaltungsintern viel Frust aufgestaut. Insofern sitzen die Beschäftigten zwischen allen Stühlen: Der Gemeinderat will sparen, der OB will glänzen, die Bürger ihren Frust ablassen und die Corona-Regulierung lässt nicht nach. Eine Lösung? Bislang nicht in Sicht.