Wer Ärger macht, sollte ausgesperrt werden. Das war das Ziel von Villingen-Schwenningen für alle städtischen Grünflächen und vor allem für jene Brennpunkte, zu denen immer wieder Bürger die Polizei herbeirufen. Ergebnis: Der Neckarpark wird nun nachts von 23 bis 6 Uhr befriedet, das Hubenloch hingegen – noch – nicht.

Im Gemeinderat sitzen in Villingen-Schwenningen 39 Personen. Sie sind von den Bürgern der Stadt gewählt. Sie werden deshalb auch Volksvertreter genannt. Erfüllen sie diese Rolle? Anschauungsunterricht in einer kuriosen Debatte.

Die Reiterstaffel der Polizei auf Patrouille im Schwenninger Neckarpark, das gab es 2021 zu Ostern, als sich nachts immer mehr Menschen ...
Die Reiterstaffel der Polizei auf Patrouille im Schwenninger Neckarpark, das gab es 2021 zu Ostern, als sich nachts immer mehr Menschen dort ballten und auch gegen Corona-Auflagen verstießen. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Ordnungsamtsleiter Ralf Glück schildert in dem fast einstündigen Ringen des VS-Parlaments mehrfach eindrücklich, wie oft Anwohner nachts die Polizei zur Hilfe rufen müssen. Lärm, Beschädigungen, manchmal auch direkter Ärger bei Begegnungen. Die Verwaltung hat ein neues Regelwerk komponiert, das zu Teilen aus der Polizeiverordnung besteht, zu anderen Teilen aber neu ist. Hinzu kam etwa ein Paragraf, der es Mitarbeitern von Stadt und Polizei erlauben soll, Störer mit einem Platzverweis zu belegen.

Glück erklärt auch die Bedeutung dieser Formulierung: „Wir kommen oft angefahren und dann ist vor Ort Ruhe, sind wir wieder weg, geht es aber weiter.“ Stadt- und Landespolizei könnten in solchen Fällen Platzverweise aussprechen. Bisher sei dies nicht möglich. Würden Störer später wieder an der Stelle angetroffen, könnten „endlich empfindliche Bußgelder verhängt werden“, sagt Glück weiter und betont: „Das wirkt dann auch.“

So ist der Neckarpark gedacht: als Frischluft-Paradies für Spaziergänger wie auf dieser Aufnahme aus dem April 2020.
So ist der Neckarpark gedacht: als Frischluft-Paradies für Spaziergänger wie auf dieser Aufnahme aus dem April 2020. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Während die CDU mit Friedrich Bettecken diese Positionen in der Debatte unterstützt, versuchen Grüne und SPD einen Riegel aufzubauen. Überraschender Partner: Die FDP. Frank Bonath gesteht einen „liberalen Grundreflex“ ein, als er sich windet: „Dann kann ich da nachts ja nicht mehr joggen“, interpretiert er die Sperre und meint zudem: „Alle bestrafen, wenn sich einige schlecht verhalten, das geht gar nicht.“

Kollektiv-Verbote wegen singulärem Fehlverhalten wollten schon zuvor weder Grüne noch SPD. Der Kontrast: Bettecken berichtete von „Horden und von Saufgelagen“. Sozialdemokrat Frank Banse klappte eine Grundsatzdebatte auf und fragte Bettecken, „was denn bitte eine Horde ist“. Der Priester erhielt keine Antwort.

Bei den Grünen gibt es auch anders geartete Motivationen. Oskar Hahn gabelte eine der Verbots-Formulierungen auf und stellte fest: „Da darf ich dann ja nicht mehr in den Parkanlagen Rad fahren.“

Oberbürgermeister (OB) Jürgen Roth und Ralf Glück versuchten den Stadtrat sachlich zu informieren. Roth: „Die Formulierung gibt es schon lange und gilt. Sie steht in der Polizeiverordnung.“ Ralf Glück trocken: „Paragraf 25, Ansatz K.“

Der Grüne echauffierte sich. Immer wieder bohrte er nach. Jürgen Roth kontert: „Sie werden heute hier nicht die Radfahrer retten.“

Oskar Hahn, Die Grünen.
Oskar Hahn, Die Grünen. | Bild: Foto Singer/Die Grünen

Die Verwaltung hatte eingangs gesagt, die neue Verordnung, die zunächst für alle VS-Grünanlagen gelten sollte, müsse rasch vor den Sommerferien in Kraft treten können. Oskar Hahn sinnierte kurz und stach dann wieder mitten ins Paragrafenwerk: „Weshalb muss das denn so schnell beschlossen werden, wenn es die Formulierung schon gibt?“ Eine ihn befriedigende Antwort bekam er nicht. Lagerkampf im Gemeinderat.

Nicola Schurr holte für die SPD ebenfalls weit aus: Mit dem Papier, so meinte er, „steht VS dann vielleicht für Verbots-Stadt“? Er setzte seiner Bemerkung hörbar ein Fragezeichen hintendran, im Saal gab es erstes Aufstöhnen.

Der Rosengarten auf dem Hubenloch ist eine Idylle – hier im Juli 2020 – und nachts mitunter eine Partyzone.
Der Rosengarten auf dem Hubenloch ist eine Idylle – hier im Juli 2020 – und nachts mitunter eine Partyzone. | Bild: Fröhlich, Jens

Dann Brigitte Schäfer, ebenfalls SPD. Die Rechtsanwältin: „Ich wohne am Hubenloch und die Lärmbelästigung ist sehr, sehr gering“. Ihr Fraktionsvorsitzender ordnete ihre Feststellung ein. Es gebe subjektives Lärmempfinden und faktisch festgestellten Lärm“, gab der langjährige Polizist Edgar Schurr zum Besten.

Und Frank Banse informierte, er habe mit einem erfahrenen Polizisten gesprochen, der dem Oberzentrum „dringend zu Prävention mit Streetworkern statt zu Verboten und Strafen rät“. Nicola Schuss assistierte: „Die Streetworker können ja dann auch mal abends arbeiten.“

Ralf Glück, Ordnungsamtsleiter
Ralf Glück, Ordnungsamtsleiter | Bild: Hahne, Jochen

Ralf Glück versuchte, die Debatte mit Fakten zu retten. Am Vorderen See gebe es eine solche Regelung seit Jahren. Der Erfolg sei Ruhe und problemfreie Zeit. Den Vorwurf wie etwa von Frank Bonath, „die Jugendlichen suchen sich dann eben einen anderen Ort“, ließ er nicht gelten. Das Problem am See sei gelöst.

Pflegedienstmitarbeiterinnen in Angst

Maria Noce schilderte ihre Nachttouren als Pflegedienstmitarbeiterin und als Chefin eines solchen Dienstes. „Mehrfach gab es Probleme am Eingang zum Mauthepark. Ich wurde da selbst schon angegriffen“, legte die Hospizbetreiberin von der CDU dar. Sie ergänzte: „Mitarbeiterinnen von mir geht es ähnlich. Ich musste schon mehrfach meinen Mann mitten in der Nacht losschicken“, fügte sie hinzu.

OB Roth würzte die Debatte ebenfalls nach: „Es sind meist nicht die Studierenden, die Probleme machen.“

Villingens Hubenloch mit dem Aussichtsturm wird von Ordnungshütern regelmäßig bestreift. Dennoch beschweren sich laut Verwaltung häufig ...
Villingens Hubenloch mit dem Aussichtsturm wird von Ordnungshütern regelmäßig bestreift. Dennoch beschweren sich laut Verwaltung häufig Bürger wegen Ruhestörungen. Das Luftbild stammt aus dem Februar. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Als nach langer Debatte Oskar Hahn schon wieder übers Radfahren in Parks sprechen wollte, wurde Ralf Glück unruhig. Er schaffte es knapp, selbst die Contenance zu bewahren. Der VS-Ordnungsamtsleiter: „Wir können alles vertagen, alles sein lassen und uns am Hubenloch-Turm dann eben damit abfinden, dass dauernd Flaschen herunter geworfen werden und andere Dinge passieren.“

Dann hatte der Oberbürgermeister ein Einsehen. Roth zwang den Rats-Diskurs schließlich sichtlich in die Abstimmung. Er wollte es wissen und nicht mehr endlos debattieren. Schon seit vier Stunden tagte das Gremium zu diesem Zeitpunkt insgesamt.

Das gilt jetzt für ein Jahr

Beschlossen wurde ein Verweilverbot vorerst nur für den Neckarpark. 23 bis 6 Uhr. Befristet bis 30. Juni 2023. Zum Beginn der Nachtruhe um 22 Uhr wollte Glück die Regel nicht festlegen, es sei „im Sommer lange hell und viele Bürger genießen die lauen Sommernächte“, schilderte er. Oskar Hahn und Nicola Schurr kamen auf insgesamt 13 Gegenstimmen zum Vorgehen, 21 Räte votierten aber dafür.

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Das Hubenloch bleibt damit vorerst außen vor, trotz schwerer Entgleisungen im vergangenen Jahr, als sich über 100 junge Erwachsene mit der Polizei ein Duell bis ins Theater-Parkhaus lieferten.

Beschlossen ist nun eine Verweildauer. Das heißt: Spazieren gehen ist gut, länger auf eine Wiese oder Bank bleiben eben nicht. Und Frank Bonath könne mit diesem Beschluss durchgängig nachts in Schwenningen joggen gehen, wurde abschließend noch über den Villinger geulkt.

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