Es ist eine lange Liste an Aufgaben, die sich ununterbrochen fortsetzt. In Präsenzzeiten ab in die Schule, dabei noch schnell auf dem Handy schauen, ob sich ein Elternteil Sorgen um die schulischen Leistungen eines Kindes macht. In Zeiten von Homeschooling und Wechselunterricht: morgens den Laptop aufklappen, sich per Video mit den Kollegen besprechen, dazwischen Unterricht halten und entwerfen, Lernziele formulieren, Methoden auswählen, Bezüge zur Lebenswelt der Schüler herstellen. Und immer wieder Schüler- und Elterngespräche führen.
Wenn Deborah Zappata, Michelle Wiedle, Jakob Lewin und Katharina Spadinger von ihrem Alltag in der Schule erzählen, dann klingt das in etwa so. Wie eine lange Liste, die sich nicht abhaken lässt, sondern pausenlos fortschreibt.
Wenn sie abends um zehn noch arbeiten müssen
„Es gibt immer noch etwas zu tun“, sagt Michelle Wiedle von der Goldenbühlschule. „Manchmal muss man selbst abends um zehn noch arbeiten“, sagt Katharina Spadinger von der Bickebergschule. Dabei sind die vier noch keine Lehrer, sondern Referendare, die ihren eigenen Unterrichtsstil gerade erst entwickeln. Und die Praxiserfahrung sammeln in einer Zeit, in der das Schulleben alles andere als normal ist.
Wie sich das anfühlt?
„Am Anfang war das einfach nur surreal“, sagt Deborah Zappata. Als sie an der Goldenbühlschule – zeitgleich mit Spadinger an der Bickebergschule –im Februar 2020 ins Referendariat kam, war die Schule noch eine andere. Voll. Lebendiger. Und Corona war weit weg.
Doch das Virus holte sie schnell ein. Kaum ein paar Wochen an der Schule, mussten die Lehrer blitzschnell auf Online-Unterricht umstellen. Beide Referendare hatten da noch keine eigenen Klassen und hätten sich an die neuen Formate langsam herantasten können, sagen sie. Mittlerweile klappe das mit dem Online-Unterricht sogar sehr gut, meint Katharina Spandinger.
Die Schule in einen tiefen Schlaf gesunken
Als Michelle Wiedle an der Goldenbühlschule – und zeitgleich mit Jakob Lewin an der Bickebergschule – in diesem Februar ihr Referendariat im Grundschulbereich begann, lag die Schule vor ihr, wie in einen tiefen Schlaf gesunken. Kein Kinderlachen, kein wildes Herumtollen, kein Schlittenfahren auf dem Pausenhof. Es sei einfach nur still gewesen. „Das war unheimlich, weil man in den Pausen nicht mal die Kinder aus der Notbetreuung bemerkt hat.“

Die erste Klasse, die Wiedle zusammen mit ihrer Mentorin unterrichtet, sei komplett im Homeschooling gewesen. „Es war ein komisches Gefühl, sie nicht wirklich zu sehen“, sagt sie. Nur einmal in der Woche sei Wiedle allen Schülern in einer kurzen Video-Konferenz begegnet. Immerhin zwei ihrer Schüler sah sie in der Notbetreuung, wo sie anfangs eingesetzt war. Doch ausgerechnet da mussten die Erstklässler in Deutsch schwierige Silben lernen.
Silben lernen in der Notbetreuung
„Das war gar nicht so einfach. Wir haben ihnen in einem Video gezeigt, wie man die Silben schreibt und liest. Aber normalerweise macht man das gemeinschaftlich in der Klasse. Da entsteht dann ein Gruppengefühl. Die Kinder sehen, dass das Schreiben auch den anderen schwerfällt“, sagt Wiedle.
Aber genau das sei coronabedingt weggefallen. Inzwischen unterrichtet Wiedle mit ihrer Mentorin im Wechselunterricht. Ungewohnt sei es dennoch, weil die Kinder nur zwei Tage in der Woche an der Schule seien. „Man ist so weit weg von ihnen.“

Hat das Studium die angehenden Lehrer denn auf solche Situationen vorbereitet?
Jakob Lewin, der an der Bickebergschule im Sekundarbereich unterrichtet, sagt: „Online-Pädagogik findet im Studium so gut wie gar nicht statt. Wir werden ja für den Klassensaal ausgebildet.“ Sein pädagogisches Vorwissen könne er momentan kaum nutzen. „Von dem was ich methodisch an die Hand bekommen habe, kann ich 20 Prozent anwenden.“
Es sei online zwar möglich, die Schüler in Kleingruppen zu schicken, aber interaktive Spiele, die sie wirklich zum Reden, zum Diskutieren, brächten, funktionierten kaum. Zumindest nicht mit dem Handwerkszeug aus dem Studium, sagt Lewin.
Unterrichtsbesuch digital
Ebenso ungewöhnlich waren die Unterrichtsbesuche, die Katharina Spadinger und Deborah Zappata im letzten Jahr erlebten. Weil die Schulen zeitweise im Fernunterricht waren und sich die Referendare wie die Dozenten des zuständigen Studienseminars in Rottweil zeitweise in Quarantäne befanden, waren die Unterrichtsbesuche vor allem eins: fiktiv und digital.
„Wir haben Unterrichtsstunden vorgestellt, wie wir sie gehalten hätten“, sagt Zappata. Nur: Vor dem PC zu sitzen und Hypothesen aufzustellen, wie sie im Mathe und Englischunterricht agiert und wie ihre Schüler wiederum reagiert hätten, sei nicht nur sehr theoretisch, es lasse auch den Faktor Schüler außer Acht.
20 bis 26 Stunden für die Planung
„Schüler sind unberechenbar. Du weißt nicht, was sie machen“, sagt Zappata. Sie hätte gern gezeigt, dass sie die Stillen mitziehen und sich gegen die Störenfriede behaupten könne. Schließlich gehöre das zum Job dazu. Von drei Unterrichtsbesuchen habe sie nur einen in Präsenz halten können.
Bei Spadinger waren es zwei von drei. Der andere sei ebenso fiktiv gewesen. Auch die Lehrprobe, also die finale Abschlussprüfung im Referendariat, soll nur theoretisch stattfinden, sagen beide. Aus Gründen der Planungssicherheit.

Die Vorbereitungen dafür seien trotzdem immens. Schon für normale Unterrichtsstunden braucht Deborah Zappata etwa eineinhalb bis zwei Stunden in der Planung. Hinzu kommen die Unterrichtsstunden selbst, 13 hält Zappata aktuell, und hinzu kommt die Zeit, die die Referendare am Studienseminar in Rottweil verbringen – ein Tag in der Woche. Hier belegen sie Pädagogik- und Didaktikkurse, werden begutachtet und bewertet, halten Referate und schreiben Hausarbeiten.
Was die Referendare wütend macht
Die Kritik an den Lehrern während der Corona-Zeit, dass sie viel zu einfallslos agierten und den Kontakt zu den Schülern vernachlässigten, macht sie wütend. Weder sie noch ihre Kollegen lägen auf der faulen Haut. „Es ist eine große Herausforderung, alle Schüler im Blick zu behalten und den Online-Unterricht ansprechend gestalten. Aber genau da leisten wir viel.“
Zumal sie nicht nur Wissensvermittler seien. „Wir sind Erzieher, Fachlehrer, offenes Ohr. Eine Vertrauensperson“, sagt Michelle Wiedle.
Sie wollte schon immer unterrichten. Seit ihrer Grundschulzeit.
„Meine Mutter hat mir damals, wenn sie zur Arbeit ging, immer kleine Zettel geschrieben. Ich solle einen schönen Tag haben und meine Schulsachen nicht vergessen. Und irgendwann habe ich sie gefragt, ob sie die Zettel nicht länger schreiben und ein paar Fehler einbauen könnte, die ich finden und anstreichen darf“, erzählt Michelle Wiedle.