Die 65-jährige Villingerin, die Angst hat ihren Namen öffentlich zu machen (Name der Redaktion bekannt), wohnt ihr Leben lang in der Rosengasse: Sie ist dort aufgewachsen, lebt noch heute im Elternhaus und hat sich immer wohlgefühlt. Die kleine Gasse im Villinger Riet ist für sie einfach ihr Zuhause.

Das hat sich seit dem 2. November massiv geändert: An diesem Tag ist Frau, die durch die Folgen einer schweren Krankheit ohnehin angeschlagen und geschwächt ist, direkt vor ihrem Haus in der Rosengasse von einem jugendlichen Angreifer attackiert und verletzt worden. Noch immer bebt ihre Stimme, wenn sie von dem Vorfall erzählt, der für sie „eine neue Dimension der Gewalt“ darstellt.

Was ist geschehen?

Wie so oft, lärmt in der Rosengasse eine Gruppe junger Erwachsener, die 65-Jährige schaut immer wieder mal aus dem Fenster, so bleibt ihr auch ein hochgewachsener junger Mann in Erinnerung. „Als ob ich etwas geahnt hätte“, sagt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Sie ärgert sich über den permanenten Müll, den Unrat vor ihrem Haus: „Es ist ja schon fast normal, dass die Leute bei uns vors Haus pinkeln oder alles vollkotzen, dazu der Müll, den wir wegräumen müssen.“

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All dies sei schlimmer geworden in der Corona-Pandemie, weil vieles auf der Straße stattgefunden habe und sich Gruppen noch immer im Freien aufhalten und „vorglühen“, also vor dem Besuch der Kneipe meist schon Hochprozentiges trinken.

Vodkaflasche zurückgelassen

So wohl auch die Gruppe, die sich an besagtem Abend in der Rosengasse zusammengefunden und laut gelärmt hat. Gegen 20.30 Uhr verschwinden die jungen Leute plötzlich, lassen aber ihre Flachen und Becher auf dem Grundstück der Frau zurück.

Viele Kneipengänger glühen in der Rosengasse vor, das heißt, sie trinken dort mitgebrachten Alkohol, die Flaschen werden deponiert und ...
Viele Kneipengänger glühen in der Rosengasse vor, das heißt, sie trinken dort mitgebrachten Alkohol, die Flaschen werden deponiert und nach einem Abstecher in die Färberstraße wird weitergetrunken. (Symbolbild) | Bild: Hans-Juergen Goetz

Auch das beobachtet die Villingerin immer öfter: Die jungen Erwachsenen trinken im Freien, lassen die halbvollen Flaschen zurück, gehen in die Kneipe wenn es ihnen zu kalt wird und kommen dann wieder zurück zu dem mitgebrachten Alkohol.

Ganz laut geschrieen

Als sie sieht, dass Ruhe herrscht in der Rosengasse, geht die Frau vors Haus, um die Vodkaflasche, in der noch ein kleiner Rest ist, und einige Plastikbecher, zu entfernen. „Sie standen ja auf meinem Grundstück“, schildert sie. Sie bückt sich und nimmt im Augenwinkel wahr, wie eine Gestalt aus der Bogengasse auf sie zurennt und brüllt: „Das ist mein Vodka.“ Dann tritt der Mann auch schon zu, springt ihr regelrecht in die Seite.

Die Villingerin geht zu Boden, ist halb bewusstlos. „Ich habe nur noch gedacht, ich muss ganz laut schreien, sonst schlägt der mich tot.“ Zwei junge Mädchen, die alles mitbekommen haben, schreiten mutig ein, Nachbarn – aufgeschreckt von den Schreien, alarmieren Polizei und Rettungswagen. Das bestätigen sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Auch sie wollen ihre Namen aus Angst vor Repressalien nicht öffentlich machen.

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Die niedergeschlagene Frau wird behandelt, der Sanitäter empfiehlt ihr, am nächsten Tag ins Krankenhaus zu gehen. Dort wird ein zweifacher Rippenbruch festgestellt und massive Hämatome. Seitdem ist das Schlafen eine Qual, die Frau kann kaum liegen. Was viel schlimmer ist: „Ich bin kein ängstlicher Mensch, aber ich habe jetzt wirklich Angst, wenn ich aus dem Haus gehe.“

Mutige Zeuginnen

Dank ihrer detaillierten Beschreibung kann die Polizei den mutmaßlichen Täter ermitteln, auch die beiden Mädchen helfen aktiv mit und gehen direkt nach der Tat mit der Polizei in die Färberstraße um zu sehen, ob sie den Täter wieder erkennen. „Ich würde mich sehr freuen, mit den beiden in Kontakt zu kommen, das war wirklich total mutig“, sagt die Frau.

Die Nachbarn bestätigen die zunehmende Vermüllung und Randale in der Innenstadt. Es gebe zwar viele Gespräche mit der Stadt, aber: „Das Ergebnis ist überschaubar“, schildert die Frau, ebenfalls seit vielen Jahren mit ihrer Familie in der Rosengasse ansässig. Schon ihre Kinder hätten früher zur Bogengasse immer „Scherbengasse“ gesagt und wer mit dem Fahrrad durchgefahren ist, musste immer Reifen flicken.

Was sagt die Stadt:

„Die Färberstraße und umliegenden Bereiche gehören seit jeher zum Bereich, der intensiver als andere Örtlichkeiten bestreift wird“, sagt die städtische Pressesprecherin Madlen Falke und fügt hinzu: „Und dennoch können wir dort keine 24-Stunden-Präsenz bieten.“ Bürgermeldungen werde immer nachgegangen, es ist aber auch nicht unüblich, dass der Vorfall schon nicht mehr besteht, wenn die Streife einen längeren Anfahrtsweg hat.

„Wo bereits Maximales geleistet wird, kann ohne das erforderliche Personal auch nicht mehr als das Maximale geleistet werden.“
Madlen Falke, städtische Pressesprecherin

Der Vorwurf, dass der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) zu wenig tue, sei zumindest so einzuordnen, dass dieser mit den personellen Kapazitäten schlicht weg nicht mehr tun kann. „Wo bereits Maximales geleistet wird, kann ohne das erforderliche Personal auch nicht mehr als das Maximale geleistet werden“, so Falke.

Oberbürgermeister Jürgen Roth sagt dazu, dass er die Übergriffe massiv verurteilt und Zustände, wie sie in der Stadt aktuell gehäuft auftreten, nicht tolerieren wolle. Deshalb ergreife die Stadt im Rahmen der Möglichkeiten Maßnahmen. Angefangen bei der Durchführung der Sicherheitsumfrage, die repräsentative Ergebnisse liefern werde, bis hin zu angepassten KOD-Einsätzen mit Schwerpunktkontrollen.

Weitere Konsequenzen wie beispielsweise ein Alkoholverbot für bestimmte Plätze, plant die Stadt nicht, wie Madlen Falke erklärt. In Freiburg ist ein solches Verbot vom Gericht gekippt worden und man werde nicht etwas umsetzen, das juristisch anfechtbar sei.