Die große Villinger Hexenzunft geht mit einer grundlegenden Neuerung der Fastnacht 2022 entgegen. Der 50 Jahre alte Villinger Verein hat einen neuen Schemenschnitzer bestimmt. Dies hat besondere Hintergründe und vielfältige Auswirkungen.

Die richtige Zeit für ein kurzes Hexen-Lächeln

Das Antlitz mit der langen Nase und den Warzen ist eine der markanten Villinger Fastnachts-Schemen. Das zerfurchte Hexengesicht schaut ewig grimmig unter dem Kopftuch hervor. Eigentlich könnte sich die Villinger Hexe jetzt auch für einmal freuen: Ihr Verein erstrahlt ab jetzt in zusätzlichem Glanz. Die Hexen haben einen der Stars aus der Schnitzer-Szene engagieren können – nach monatelanger Detailarbeit mit dem Experten.

Der Hexennachwuchs beim Kinderumzug im Chaisenwagen 2020.
Der Hexennachwuchs beim Kinderumzug im Chaisenwagen 2020. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Villingens Hexen kommen aus der Südstadt und hießen früher auch so. In den ersten Jahren der Südstadthexen hat Karl Bösinger in Villingen nicht nur die Hexenzunft aufgebaut und groß gemacht, sondern auch die ersten Schemen selbst geschnitzt und gefasst (bemalt).

Es begann mit Karl Bösinger

Zehn Jahre lang gab es seine original Bösinger Hexenschemen, die sich in dieser ersten Masken-Dekade schon ein wenig zu verändern begannen, wie Peter Kirchner weiß. Kirchner ist Dreh- und Angelpunkt, wenn es um die Hexenschemen geht. Sein Wissen über Verein und Fastnacht ist enorm, alle im Verein stellen sich hinter ihm an, er genießt auch in der Villinger Narren-Szene höchstes Ansehen – was für eine Hexe nicht immer ganz selbstverständlich ist.

Villingens Ehrenzunftmeister Peter Kirchner.
Villingens Ehrenzunftmeister Peter Kirchner. | Bild: Rüdiger Fein

Peter Kirchner ist aber ein besonderer Hexerich: Der heutige Ehrenzunftmeister der Villinger Hexenzunft ist ein generöser Mensch, er ruht in sich selbst und wenn er Fasnet-Späßle macht, dann gelingt ihm das stets wohlüberlegt und so, wie es sein sollte: ursprünglich, mit Tiefsinn und ohne andere zu verletzen. Jeder Hästräger weiß, das nette Foppen ist eine Kunst für sich. Und Peter Kirchner ist als 73-Jähriger ein Meister darin.

Vereinsübergreifend ein Kenner

Geht es um Brauchtum-Details am Häs und an der Scheme oder auch, wie Fastnacht in Villingen war und bleiben sollte, dann kann er richtig pingelig werden. Und hartnäckig bis aufsässig. Und er ist aufrichtig. Zum Beispiel, wenn er über die Historie der Villinger Hexen-Masken spricht.

So kennt man sie: Beim Kinderumzug am Schmotzigen Donnerstag 2020 in Villingen sind die jungen Hexen auf der Gass‘.
So kennt man sie: Beim Kinderumzug am Schmotzigen Donnerstag 2020 in Villingen sind die jungen Hexen auf der Gass‘. | Bild: Hans-Juergen Goetz

Was den Schemen abhanden kam

Als Bösinger nicht mehr die Kraft zum Schnitzen hatte, kamen die Villinger Schemen in der Folge 40 Jahre lang und bis zuletzt von Anbietern aus dem Elztal. Auch bei diesen Lieferanten „begannen sich die Schemen mit der Zeit in ihren Grundzügen und Details zu verändern“.

Dominik Falk, der Vorsitzende des Brauchtumsausschusses der Villinger Hexenzunft, hat mit Peter Kirchner einen neuen Schemenschnitzer ...
Dominik Falk, der Vorsitzende des Brauchtumsausschusses der Villinger Hexenzunft, hat mit Peter Kirchner einen neuen Schemenschnitzer gefunden. Bild: Roland Sprich | Bild: Sprich, Roland

Kirchner sucht nach Worten, wie er das beschreiben kann. „Ja, es war vor allem zuletzt die fehlende Individualität der Masken“, sagt er dann und fügt noch hinzu, dass „Tiefe und Ausdruck“ über die Jahre verflacht seien. Deshalb suchten die Villinger einen neuen Schnitzer für die Hexenzunft.

Hexen-Post für Ravensburg

Jetzt schnitzt Jogi Weiß, der Schemenmeister aus Ravensburg, für die Villinger die markanten Gesichter aus dem Holzblock. Er trat mit seiner Kunst schon im Fernsehen auf. Mit dem Vorsitzenden des Brauchtumsauschusses Dominik Falk und Peter Kirchner von der Villinger Hexenzunft hat er einen über halbjährigen Intensivkurs zu den Geheimnissen des Villinger Hexengesichts hinter sich.

Kirchner und Weiß haben sich immer wieder Entwürfe hin und her geschickt. Es war kein Ringen, sondern ein gemeinsames Suchen und Finden: Wie runzlig muss die Stirn sein, wie geschlitzt das Hexenauge. „Ich habe da auch mal mit Knet nachmodelliert“, berichtet Kirchner zu den Herausforderungen dieses Annäherungs-Prozesses. Weiß hat bestanden, Kirchner auch – und so kam es zur Abmachung: Der neue Hexenschnitzer legte los.

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Heute, kurz vor der Fastnacht 2022, ist für die Villinger „nun alles sehr gut“. Kirchner selbst hat sich die erste Scheme aus der Ravensburger Werkstatt gesichert. Er erklärt, dass der Villinger Verein zuletzt 30 Stück habe in Empfang nehmen dürfen – „wir hatten daran auch nicht ein Detail zu bemängeln“, betont er zufrieden.

Das prägt die neue Scheme

Die neuen Masken aus Ravensburg sollen wieder so sein wie die ersten Stücke aus der Villinger Bösinger-Schnitzerei. Kirchner erklärt: „Eine Warze ist jetzt wieder eine richtige Warze im Gesicht und nicht nur ein schwarzer Punkt.“ Auch die Farb-Nuancierungen seien anders ausgerichtet: Die neuen Villinger Langnasen-Gesichter aus Ravensburg seien so gefasst, dass sie nicht neu wirkten „sondern mit einer besonderen Patina erstrahlen“, schildert er. Und fügt hinzu: „Es ist ein kleines Bisschen auf alt gemacht.“

Das ist sie: Die neue Villinger Hexenscheme aus der Revensburger Werkstatt.
Das ist sie: Die neue Villinger Hexenscheme aus der Revensburger Werkstatt. | Bild: Trippl, Norbert

Die neue Scheme gebe es in zwei Varianten: Variante eins ist die Bemalung vom Schnitzer aus Ravensburg. Die neue Hexenscheme ist sowohl vom Brauchtumsausschuss als auch vom gesamten Vorstand des Vereins geprüft und freigegeben worden.

Und dann gibt es noch eine zweite Variante. Die Maske wird dabei ungefasst an eine Villinger Werkstatt geschickt und dort veredelt. Diese Exklusiv-Ausführung ist deshalb so besonders, weil hier ein Villinger Fasnetmaler seine ganze Kunst einbringt, die auch vom großen Wissens-Fundus aus einer anderen Villinger Werkstätte profitiert. Der SÜDKURIER enthüllt diese besondere Geschichte in der kommenden Woche.

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Die neue Villinger Hexenscheme aus Ravensburg hat ungeahnte Vorzüge: Sie wird aus Weymouthskiefer geschnitzt. Für Peter Kirchner ist das ganz klar ein riesiger Vorteil. „Jede Hexe ist damit um 140 Gramm leichter – bei langen Fasnettagen spürt man das besonders und auch sonst sofort“, versichert er.

Weshalb die Zeit in der Werkstatt knapp wird

Und, was kaum einer weiß und was die besondere Herausforderung ist: Zwischen Schnitzen und Bemalen darf nicht viel Zeit liegen. Nur echte Kenner wissen: Eine Narrenscheme muss rasch gefasst werden. „Sonst arbeitet das Holz“, erzählt Peter Kirchner.

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Die Hexenzunft lässt Schemen grundsätzlich nur den Mitgliedern zuteil werden. Aktuell hat der Verein weit über 1000 Hästräger.

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