(Anm. d. Red.: Der Artikel war bereits in der vergangenen Woche erschienen. Er wurde nun umfangreich überarbeitet.)
„Die Landesregierung wird Paragraph 6a der Corona-Verordnung – drei Wochen nach dessen Inkrafttreten – ab dem 4. Mai 2020 aufheben“ – so beginnt das Schreiben des Informationszentrums Zahngesundheit Baden-Württemberg von vergangener Woche. Konkret heißt das: Seit Montag dürfen Zahnarztpraxen im ganzen Land und somit auch in Villingen-Schwenningen wieder alle Patienten behandeln.
Vor rund vier Wochen war beschlossen worden, dass Zahnärzte nur Patienten mit akuten Behandlungen sowie Notfälle aufnehmen dürfen. Alle anderen Termine mussten verschoben werden. Letztlich durften auch „medizinisch notwendige zahnärztliche Behandlungen, insbesondere solche zur Vermeidung einer Verschlechterung des Gesundheitszustands im Falle chronischer Zahnerkrankungen durchgeführt werden dürfen“, wie es in dem Schreiben weiter heißt. Nun also die komplette Öffnung.
Udo Rohr, der eine Zahnarztpraxis in der Berliner Straße in Villingen hat, freut sich über die Öffnung. Über eine Aussage von Sozialminister Manne Lucha ärgert er sich aber. Der hatte gesagt: „Nachdem auch die ausreichende Ausstattung der Zahnarztpraxen mit der in der Corona-Krise unverzichtbaren persönlichen Schutzausrüstung mittlerweile sichergestellt ist, können wir die Einschränkungen für zahnärztlichen Behandlungen wieder aufheben.“
„Wir haben genügend Schutzausrüstung, aber nur, weil ich das allermeiste selbst gekauft und bezahlt habe“, sagt Rohr. 3600 Euro hat er ausgegeben. Damit habe er momentan 30 OP-Hauben, 500 FFP2-Masken, 500 normale Masken sowie 300 FFP3-Masken. Hinzu kämen OP-Kittel, Schutzschilder und -brillen und Handschuhe. Von der Zahnärztekammer habe Rohr bis Anfang der Woche dagegen lediglich vier Masken erhalten – zwei FFP2- Masken und zwei normale – erhalten. In dieser Woche waren weitere acht FFP2-Masken hinzugekommen.
„Die Ausrüstung habe ich zum großen Teil über einen Freund bekommen. Der hat eine chinesische Frau. So kam er Kontakt zustande“, erzählt der Villinger Zahnarzt. Mittlerweile gehe das aber nicht mehr. Die chinesische Regierung habe nun den Daumen auf allen Lieferungen.
Seit Montag arbeiten Rohr und seine sieben Mitarbeiterinnen drei Stunden am Morgen und Vormittag sowie drei Stunden am Nachmittag. Es könnten alle Behandlungen wie üblich durchgeführt werden. Im April waren es zwei Stunden im gleichen Rhythmus – plus Kurzarbeit.
Vollarbeit ab Juni
„Wir haben im vergangenen Monat Notfälle und solche, die zu Notfällen werden können, behandelt“, sagt Rohr. Wenn jemand eine dicke Wange habe, tue das nicht so sehr weh. Es müsse aber dennoch behandelt werden. Auch bei Provisorien, die beispielsweise eingesetzt werden, wenn ein neuer Zahn nicht sofort verfügbar ist, habe Rohr gearbeitet. Ab Juni soll dann wieder voll gearbeitet werden. Bedeutet: viereinhalb Tage pro Woche, jeweils neun Stunden.
Seine Mitarbeiter lobt der Zahnarzt: „Meine Kolleginnen haben reagiert, wie es sich ein Chef nur vorstellen kann.“ Alle seien ob der Kurzarbeit sehr verständnisvoll gewesen. Bei den Patienten hingegen stelle Rohr eine Verunsicherung fest: „Sie sind noch sehr verhalten. Vielen haben wohl noch nicht mitbekommen, dass wir wieder alle Behandlungen durchführen dürfen.“
Derzeit kämen etwa nur 40 Prozent von Rohrs Patienten.Die Jüngeren, so der Dentist, hielten sich meistens besser daran, im Aufzug, der direkt in die Praxis führt, einen Mundschutz zu tragen. Der Großteil der Patienten sei aber älter, weil Rohr auf Zahnersatz spazialisiert ist und das vor allem Menschen in fortgeschrittenerem Alter betreffe.
Zu wenig finanzielle Hilfe
Die Krise werde Rohr noch eine Weile spüren. Zwar habe eine die Soforthilfe für Zahnärzte gegeben – „das hat super geklappt“ – einen Rettungsschirm für Dentisten gebe es aber nicht. „Ich habe 15.000 Euro als sofortige Hilfe erhalten. Aber allein die Gehälter kosten 20.000 Euro. Und Wasser- und Energiekosten sind da noch nicht einberechnet“, sagt Rohr.
Umfrage unter Zahnärzten
Wie dem Villinger, geht es auch vielen seiner Berufskollegen, wie eine Umfrage der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, zeigt. 1054 Praxen im Land wurden befragt. Heraus kam, dass es im April im Schnitt einen Rückgang bei den Honorarumsätzen von 43,2 Prozent gegeben habe. Die Bandbreite der Rückgänge reichte dabei von null und zehn bis hin zu 90 bis 100 Prozent. Am häufigsten sei ein Rückgang des Umsatzes zwischen 50 und 60 Prozent angegeben worden.
Deshalb hoffen Rohr und die Zahnärztekammer, wieder unter einen staatlichen Schutzschirm zu kommen. Der Villinger sagt: „Ich frage mich, wie ich sonst drei Monate überstehen soll.“