Remo, gerade erfahren Sie, wie ihre Mannschaftskameraden die Floskel der „Fußballfamilie“ mit ganz besonderem Leben erfüllen. Was ist geschehen?
Ich muss etwas ausholen. Meine Frau Lucy und ich wurden 2020 zum zweiten Mal Eltern. Milo bekam ein Brüderchen. Unser Elio ist jetzt 18 Monate alt. Irgendwann merkten wir, dass seine Entwicklung nicht optimal verläuft.
Sie wandten sich also an Fachärzte...
Richtig, aber keiner konnte uns wirklich helfen. Weiter kamen wir erst bei der Uniklinik Freiburg. Dort wurde Elio von Spezialisten untersucht. Vor wenigen Wochen bekamen wir, nach drei Monaten bangem Warten, endlich eine Diagnose. Elio ist an einem höchst seltenen Gen-Defekt namens Syngap1 erkrankt. Es gibt weltweit nur 700 bestätigte Fälle.
Eine Diagnose, die das Leben Ihrer Familie sicher total verändert hat?
Natürlich – aber diese Nachricht brachte uns auch eine gewisse Erleichterung. Endlich wissen wir, was Sache ist. Wir können mit der Situation jetzt besser umgehen.

Und was hat das mit den Fußballern des SV Herten zu tun?
Nun, wir haben beim SV Herten ja die besondere Situation mit der Nähe zum St. Josefshaus. Bei jedem Spiel sind viele Bewohner bei uns am Platz. Es sind unsere größten Fans. Früher Rolf Beckert und jetzt Günther Hirsch sind regelmäßig unsere Linienrichter. Wir leben diese Inklusion, haben viel Erfahrung im Umgang mit Menschen, die mit einer Beeinträchtigungen leben.
Sie sprachen also ganz offen über Ihre private Situation?
Richtig, ich habe meinen Mitspielern von Elios Erkrankung erzählt, auch um ihnen die Ängste im Umgang mit mir oder dem Kind zu nehmen. Ich erklärte, wie wir als Familie mit der Situation umgehen und von viel versprechenden, aber privat zu finanzierenden, Tiertherapien, die Elio etwas Linderung ermöglichen können.
Wie reagierte die Mannschaft darauf?
Das ist unglaublich! Die Jungs sagten sich spontan: „Elio ist unser Neffe – er gehört zu uns. Wir helfen euch.“ Die Mannschaft sammelte in wenigen Tagen mehrere tausend Euro für Elios Therapien. Lucy und ich sind sehr berührt. Wir erleben, dass das Wort „Fußballfamilie“ keine hohle Phrase ist. Wir können einfach nur „Danke“ sagen.
Was ist das Syngap1-Syndrom?
Laut „Wikipedia“ ist das erst 2009 entdeckte Syngap1-Syndrom eine sehr seltene angeborene Erkrankung mit dem Hauptmerkmal einer geistigen Behinderung. Zugrunde liegt eine Mutation im Syngap1-Gen. Das befindet sich auf dem kurzen Arm von Chromosom 6. Weltweit gibt es nur 700 diagnostizierte Patienten.
- Genetik: Der menschliche Körper besteht aus Billionen von Zellen. Jede Zelle enthält 23 Chromosomen-Paare. Jedes Chromosom enthält Tausende von Genen. Die meisten Gene kommen ebenfalls in Paaren vor und wir bekommen eines von jedem Elternteil. Die Aufgabe der Gene ist es Proteine zu produzieren. Proteine werden genutzt um Gewebe und Organe zu steuern. Ein Gen kann aufhören zu arbeiten oder schlechter arbeiten, wenn eine Mutation auftritt. Eine Mutation ist so etwas wie ein Schreibfehler, der von einer Zelle zur nächsten kopiert wird. Quelle: http://syngapglobal.net
- Häufige Symptome: geistige Behinderung; Globale Entwicklungsverzögerung; Epilepsie; Verzögerung der Grob- und Feinmotorik; Koordinationsstörung; Sprachverzögerung; Autismus; Schlaf- und Verhaltensstörungen. Diese Symptome müssen nicht immer bei allen Syngap1-Patienten vorkommen. Quelle: http://syngapglobal.net
- Heilung und Therapie: Eine intensive Therapie kann helfen die Fähigkeiten zu verbessern. Meist sind es Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Entwicklungstherapie/Heilpädagogik und Angewandte Verhaltenstherapie. Syngap-Patienten reagieren sehr gut auf alternative Therapien wie Reittherapie, Wassertherapie und Musiktherapie. Sie werden ihren Entwicklungsrückstand zu Gleichaltrigen nie ganz aufholen und immer Verzögerungen zeigen, doch sie sind glücklich, liebevoll und voller Leben. Ihr Lachen ist ansteckend. Sie sind sehr anhänglich. „Syngapians“ lieben Wasser, Musik und Tiere und haben „Superkräfte“ wie gute Nachtsicht, guten Orientierungssinn, starken Willen, hohe Schmerztoleranz und ein wundervolles Lächeln. Quelle: http://syngapglobal.net
- Hilfe: Im Internet bietet eine Eltern-Initiative unterhttp://www.syngap.deviel Ratschläge und Infos. In Düsseldorf hat Kirsten Kuhnert 1995 den Verein „dolphin aid“ gegründet. Er unterstützt und berät Familien auf dem Weg zur Intensivtherapie mit Delfinen: http://www.dolphin-aid.de (gru)