Fußball-Bezirksliga: – Wäre der gnadenlose Dauerregen nicht gewesen, wäre aus dem Derby im Klettgau ein richtiges Fußballfest geworden. Zwölf Tore fielen in der Partie des FC Erzingen gegen den SV Jestetten, der sich unterm Strich den Sieg verdiente. Das kuriose Endergebnis – 7:5 für die Gäste – dürfte in die Geschichte der beiden Clubs eingehen.
Tragischer Held war am Ende war Sandro D‘Accurso. Der Stürmer der FC Erzingen traf drei Mal vor der Pause und konnte es nicht fassen, dass sein viertes Tor wegen Abseits abgepfiffen wurde. Im zweiten Abschnitt vertrat er sich das Knie, biss sich bis zum Schluss durch und scheiterte mit einem Handelfmeter beim Stand von 3:5 an Robin Merkt.
Fußball-Bezirksliga in Zahlen
Dass dieser Schuss den Weg nicht ins Netz fand, war eigentlich untypisch für das Spiel, denn nahezu alle Schüsse, die in Richtung Tor gingen, lagen am Ende auch im Netz. Das wiederum lag weniger an den Torhütern, sondern viel mehr an den manchmal vogelwild arbeitenden Abwehrreihen – auf beiden Seiten.
Sandro D‘Accurso dreht auf
Vor der Pause konnte die Erzinger Offensive um Sandro D‘Accurso schalten und walten, wie sie wollte.

Fünf Mal tauchten die Gastgeber brandgefährlich im Jestetter Strafraum auf, drei Mal drehte D‘Accurso jubelnd ab. Ein viertes Tor pfiff Schiedsrichter Leonardo Vallone ihm ebenso wegen Abseits ab, wie Marco Morawczik.
Der gehörte zur Garde der Reservisten, die den Kader von Trainer Michael Jauch füllten. Der seit zehn Tagen amtierende Coach hatte für seine Heimpremiere den undankbarsten Gegner erwischt. Ausgerechnet gegen den SV Jestetten sollte sich der 39-jährige Schweizer bewähren. Entsprechend hoch war sein Puls vor dem Anpfiff: „Ist ja kein normales Spiel für mich und die Mannschaft“, gab er zu.
Doch bis zur Pause war er guter Hoffnung, dass es etwas mit dem dritten Heimsieg werden könnte. Zwar kassierten die Gastgeber nach den Toren von D‘Accurso relativ zügig den Ausgleich, doch was sie auf dem schwer bespielbaren Platz zeigten, war durchaus sehenswert.
So schön die Erzinger Tore heraus gespielt waren, so einfach machten es die Hausherren Mustafa Akgün beim 1:1, Hassan Nassereddine bei seinem ersten Saisontor zum 2:2 und Pascale Moog beim Distanzschuss zum 3:3.

Kräfte schwinden auf tiefem Boden
Im zweiten Abschnitt zeigte sich alsbald, dass das Beharren auf den Naturrasenplatz als Spielort „vielleicht ein Fehler war“, wie Jauch nach dem Schlusspfiff laut überlegte. Denn von Minute zu Minute schwanden die Kräfte.
Nun zeigte sich die konditionelle Stärke des SV Jestetten. Mustafa Akgün brachte den Gast nach einem tollen Solo von Luca Azzato erstmals in Führung. Und nur fünf Minuten später bejubelte der 19-Jährige sein erstes Tor für den SV Jestetten seit 33 Wochen. Zuletzt hatte er beim 3:2 am 18. März gegen den SV 08 Laufenburg II getroffen: „Endlich!“, atmete Azzato nach dem frech verwandelten Freistoß zum 3:5 tief durch.
Eine Stunde war jetzt gespielt, der Ofen schien aus. Doch an diesem Nachmittag bündelte der FC Erzingen die letzten Kräfte. Sandro D‘Accurso blieb trotz schmerzendem Knie auf dem Platz, übernahm Verantwortung. Er legte sich den Ball auf den Punkt, als Leonardo Vallone das unabsichtliche, aber regelwidrige Handspiel von Martin Rangnau bei der Flanke von Davide Di Lionardo erkannte. Robin Merkt wählte allerdings die gleiche Ecke wie D‘Accurso, boxte den strammen halbhohen Schuss ins Tor-Aus und wurde von den Teamkollegen ähnlich enthusiastisch gefeiert wie ein Torschütze.
Aber das muntere Tore schießen war noch lang nicht vorbei. Drei Minuten nach dem Strafstoß bejubelte der FC Erzingen doch noch das 4:5. Marco Morawczik war nach einer Flanke zur Stelle, erzielte sein zweites Saisontor. Kaum war der Jubel verhallt, rissen die Jestetter wieder die Arme nach oben. Martin Rangnau, eben noch der „Handspieler“, zeigte, dass er es auch mit dem Fuß kann – 4:6.
Die Minuten zerrannen, der FC Erzingen drückte. Doch weder Valentin Loparco, der eigens aus Stuttgart – wo er Zweitspielrecht für Bezirksligist SGM ABV/TSV Stuttgart besitzt – für dieses Derby angereist war, noch Benjamin Ciglar schafften es, Robin Merkt ein fünftes Mal zu bezwingen.
Marco Lohr trifft Pfosten
Den „Lucky Punch“ für den Gast hatte dann ausgerechnet Marco Lohr auf dem Fuß. Der einst langjährige Kapitän des FC Erzingen, der 2016 zurück zum SV Jestetten wechselte, traf in der 86. Minute nur den Pfosten.
So ging das Zittern eben weiter, die Erzinger riskierten alles, lösten die Viererkette auf und schickten Felix Uhl mit nach vorn. Sein Zuspiel nach links ermöglichte Sandro D‘Accurso eine Flanke auf Alessio Lentisco. Von dessen knie prallte der Ball in den Lauf von Davide Di Lionardo und plötzlich stand es 5:6.
Vier Minuten legte Leonardo Vallone obendrauf, jetzt griff der FC Erzingen nach dem Punkt. Eine letzte Ecke flog vors Jestetter Tor. Martin Rangnau tat das einzig richtige, schlug den Ball nach vorn. Nagip Bujupi marschierte los, spielte diagonal auf den mitgelaufenen Mustafa Akgün – der Rest war Jubel.
Für Salvador Ortiz war der Sieg eine logische Konsequenz aus der 1:2-Heimpleite gegen den SV Buch: „Da haben wir das Spiel dominiert und kontrolliert, aber verloren. Ich habe den Jungs gesagt, dass wir hier gewinnen, wenn wir wieder so auftreten“, freute er sich über den Derbysieg: „Wir waren immer präsent und haben auf die Führungstore schnell reagiert.“
Zittern trotz sieben Auswärtstoren
Restlos zufrieden war Ortiz allerdings nicht – und zwar nicht wegen der Bierdusche in der Kabine, sondern wegen des Abwehrverhaltens: „Wenn du auswärts sieben Tore erzielst, darfst du nicht bis zuletzt zittern müssen.“

Fitness fehlt in der Schlussphase
Ähnlich fiel die Analyse von Michael Jauch, der auf Urlauber Taha Al-Hashani, den gesperrten Alfredo Di Feo und den sicher noch bis zum Frühjahr fehlenden Gianpierre Notarpietro (Muskelfaserriss) verzichten musste: „Wenn du zu Hause fünf Tore schießt, darfst du nicht verlieren.“ Knackpunkt sei die fehlende Fitness: „Das holst du nicht von heute auf morgen auf“, so Jauch, der bis zur Winterpause „das Bestmögliche aus den verbleibenden fünf Spielen erreichen will.“
Der SV Jestetten sieht sich gerüstet fürs Verfolgerderby am Samstag gegen den SV Herten: „Dieser Sieg bringt uns nicht nur drei Punkte“, blickt Salvador Ortiz zufrieden auf die Bilanz von 25 Zählern: „So ein Erfolg gegen einen guten Gegner bewirkt auch etwas im Kopf. Wir haben es uns selbst gezeigt, wie stark wird sind.“
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