Mona Lohmann sitzt in einem Besprechungsraum im Engener Industriegebiet. Die Sonne strahlt an diesem warmen Märztag auf die nahen Hegauvulkane. „Ich schätze es, wieder hier zu sein“, sagt die 30-Jährige, eine Tasse Kaffee in der Hand. In Engen ist sie aufgewachsen. Zum Hegauer FV, dessen Stadion nur einen langen Diagonalpass entfernt ist, und bei dem sie das Kicken gelernt hat, ist die Mittelfeldspielerin vor wenigen Wochen zurückgekehrt – nach einer fast eineinhalb Jahrzehnte langen Fußballreise, die sie in die Bundesliga und einmal um den Globus führte.
Kickschuhe und Koffer
Mona Lohmann nennt sich selbst eine Weltenbummlerin, und treffender kann man sie kaum beschreiben. Ohne Kickschuhe und ohne Koffer geht es nicht bei ihr. In Frankreich geboren, lebt sie ein paar Jahre in Stuttgart, ehe die Familie nach Engen in den beschaulichen Hegau zieht. Mit sieben Jahren drängt sie energisch darauf, endlich ins Fußballtraining des damaligen VfR Engen gehen zu dürfen. „Sobald ich laufen konnte, war der Ball am Fuß, sagt meine Mutter“, erzählt Mona Lohmann.
So kam sie zu ihrem Hobby, das bald zum Beruf werden soll. Als sie die Mittlere Reife in der Tasche hat, packt sie mit 16 Jahren erstmals ihre Sachen und verlässt das Zuhause. Ihre Ziele: Das Sportinternat und der SC Freiburg. „Ich lernte schnell, auf eigenen Beinen zu stehen und selbstständig meine Zeit effizient einzuteilen und zu priorisieren“, sagt Lohmann. Sechs Mal Training pro Woche plus die Spiele mit der schulischen oder beruflichen Laufbahn zu kombinieren, ist keine leichte Aufgabe. Aber Mona Lohmann boxt sich durch, macht die Fachhochschulreife und anschließend eine Ausbildung zur Erzieherin.
Zunächst spielt sie im Nachwuchs des SC Freiburg, doch schon nach drei Monaten darf die B-Jugendspielerin mit dem Bundesligateam trainieren. Nach einer Saison in der zweiten Frauenmannschaft in der Oberliga schafft das Talent mit der ersten Mannschaft als Meister der 2. Bundesliga Süd den direkten Wiederaufstieg in die Bundesliga. Lohmann gefällt es in Freiburg, die sechs Jahre im Breisgau bezeichnet sie als die prägendsten in ihrem Leben. Noch immer fährt sie oft in die alte Heimat, um Freunde wiederzusehen.
„Ich wollte Profifußballerin sein, mal was anderes kennenlernen“Mona Lohmann
Doch mit 22 spürt sie die Neugierde auf die Welt, die sie fortan immer wieder antreiben wird, rund um den Globus. „Ich war schon immer weltoffen und reisefreudig“, sagt Lohmann. Im Sommer 2014 sind England oder Skandinavien reizvolle Ziele, sie hat mehrere Angebote aus dem Ausland. „Ich wollte Profifußballerin sein, mal was anderes kennenlernen und davon leben können“, sagt sie heute. Sie findet eine neue sportliche Heimat bei Amazon Grimstad FK in Norwegen und überbrückt die Zeit bis zum Saisonstart der Nordeuropäerinnen beim Schweizer A-Nationalligisten FC Neunkirch.
Bis an die Südküste Norwegens
Im März 2015 setzt sich die damals 23-Jährige mit dem gesamten Hausrat in den VW Polo und fährt bis an die Südküste Norwegens. „Das war schon das erste Abenteuer, bevor es richtig losging“, sagt Lohmann und lacht. Das Leben als Fußballprofi ist ungewohnt angenehm für die Deutsche. „Nach zwei Wochen wollte ich mehr als nur ins Training gehen“, sagt Lohmann. „Die anderen Spielerinnen hatten kein Problem damit, den ganzen Tag Netflix zu schauen und es genügte ihnen, sich im Café zu treffen. Ich habe mir Gelegenheitsjobs gesucht, habe Deutsch unterrichtet, Häuser gestrichen, Babys und Hunde gesittet. Das ist bei mir ein innerlicher Drang, den Tag zu nutzen und immer das Beste daraus zu machen.“
Neun Monate spielt sie in Norwegen, ehe die Reise weitergeht. Zurück nach Deutschland, denn die Bundesliga behält Lohmann immer fest im Blick. 2016 entscheidet sie sich für ein Studium der Wirtschaftspsychologie in Düsseldorf und spielt bei Borussia Mönchengladbach, nachdem sie sich beim SV Werder Bremen nicht wohlgefühlt hatte. Sie unterschreibt einen Zweijahresvertrag und legt 2018 ein Auslandssemester ein. Nächster Stopp Australien.
„Ich habe meine Bundesligakarriere nie beendet, eher auslaufen lassen“, sagt Mona Lohmann, zunächst verhindert ein Knorpelschaden weitere Einsätze bei der Borussia, dann der Aufenthalt in Sydney, wo sie im Dress der Universität Fußball und Futsal spielt.
Kurzeinsatz in der Bundesliga
Als Lohmann, zurück in Düsseldorf, ihre Bachelorarbeit schreibt, stellt sie sich die Frage: „Was ist der nächste Schritt?“ Der nächste Schritt, er wird ein besonders krasser. Von der australischen 5-Millionen-Metropole Sydney ins südbadische Willstätt, besser: den Ortsteil Sand. Diesmal lenken nicht Sport oder Beruf ihren Weg, sondern die Liebe. Sand mag zwar nur wenige Einwohner haben, es hat aber ein Frauen-Bundesliga-Team. Und in dem ist Diane Caldwell aktiv, irische Nationalspielerin und Verlobte von Mona Lohmann.
Während ihre Partnerin weiter erstklassig spielt, konzentriert sich Lohmann auf ihr neues Arbeitsleben und kickt nebenher in der Regionalliga-Mannschaft des SC Sand. Während der Pandemie bestreitet sie sogar einige Kurzeinsätze in der Bundesliga, ehe sie ihre Partnerin für ein Jahr nach North Carolina in die USA begleitet, quasi als Spielerinnen-Frau.
Leben nach der Karriere
Als die beiden das vergangene Weihnachtsfest im Hegau verbringen, wird zufällig eine Stelle in dem Unternehmen frei, in dem Mona Lohmann einst Praktikantin war und für das sie heute arbeitet. „Ich wollte nicht mehr aus dem Koffer leben, sondern hier in Süddeutschland zur Ruhe kommen“, sagt Mona Lohmann, die nun wieder eine Fernbeziehung führt. Ihre Partnerin hat vor wenigen Wochen ein Angebot von Manchester United angenommen. „Und ich bereite jetzt hier alles für das Leben nach der Karriere vor“, sagt Lohmann lächelnd voller Vorfreude.
Wobei, so ganz ohne Kickschuhe und Koffer geht es nach wie vor nicht bei der 30-Jährigen. Mit ihrem Heimatverein Hegauer FV will sie in dieser Saison an der Spitze der Oberliga mitspielen und den SBFV-Pokal gewinnen. Und mindestens einmal im Monat fliegt sie zu Diane Caldwell nach Manchester, Mona Lohmann, die Weltenbummlerin aus dem beschaulichen Hegau.