Ein Angebot von der Nummer eins, aus der Bundesliga. Davon träumt so mancher junge Fußballer am Anfang seiner Karriere. Luisa Radice machte das Angebot des SC Freiburg allerdings nicht nervös. Die heute 32-Jährige war noch nicht erwachsen, als der prominente Club, der so etwas wie der FC Bayern im südbadischen Frauenfußball ist, auf die talentierte Stürmerin aufmerksam wurde.
Die jedoch sagte freundlich, aber bestimmt ab. „Es hat mich nie wirklich gereizt, in einer höheren Liga oder sogar in der Bundesliga zu spielen“, sagt Radice über die Entscheidung, die sie nie bereut hat. „Die Gemeinschaft war mir immer wichtiger, die Ellbogengesellschaft ist nicht so meins“, fährt die Torjägerin des Hegauer FV fort, für den sie bis heute spielt.
Dass sie nicht schon immer für diesen Verein die Fußballschuhe schnürte, liegt zum einen daran, dass der HFV bis zum Jahr 2007 noch VfR Engen hieß. Zudem spielte Radice – wie so viele Fußballerinnen – bis zur B-Jugend gemeinsam mit den Jungs.
In ihrem Fall war es beim Sportverein aus Markelfingen, wo ihre Familie lange lebte und für den auch Luisas Vater Gino aktiv war. „Ich war immer schon dabei und habe zugeschaut. Irgendwann habe ich dann gedacht: Warum nicht selber spielen?“
Nur wenige Jahre nach ihren ersten Schritten auf dem Rasen folgte gezwungenermaßen der einzige Wechsel – in eine reine Mädchenmannschaft nach Engen. „Ich wäre gerne bei den Jungs geblieben“, sagt sie heute, „ich kannte es nicht anders und fand das schon irgendwie cool.“
In Engen fühlte sie sich trotzdem schnell wohl. Früh wurde die damalige B-Jugendliche in die erste Mannschaft hochgezogen, mit der sie es bis in die dritthöchste deutsche Liga schaffte. Die beste Torjägerin hieß in vielen Spielzeiten: Luisa Radice.
Erfolgsgeschichte von Tochter und Vater
Dann lockte der SC Freiburg die junge Frau mit den kurzen Haaren, doch Radice, die sich selbst als „Familienmensch“ bezeichnet, blieb ihrem Verein treu. Der Familienmensch darf in ihrem Fall wörtlich genommen werden, denn in 14 ihrer knapp 20 HFV-Jahre wurde Luisa von Vater Gino trainiert.
Zur Saison 2005/06 folgte er Luisa, die alle nur Lulu nennen, in den Hegau, übernahm den VfR Engen und etablierte ihn als Aufsteiger in der Oberliga. Zwei Jahre später setzten die Radices ihre Erfolgsgeschichte unter neuem Vereinsnamen beim Hegauer FV fort.
19 Titel holten Vater und Tochter, darunter zwei Meisterschaften in der Oberliga, elf SBFV-Pokaltriumphe und etliche Pokale in der Halle. Besonders in Erinnerung ist Luisa Radice die Saison 2017/18 geblieben, als der HFV sämtliche Wettbewerbe gewann, in denen er am Start war.
„Wir waren Oberliga-Meister, haben den südbadischen Pokal gewonnen und auch die Hallenmeisterschaft. Die Spiele im DFB-Pokal waren natürlich auch Highlights“, sagt Radice, der momentan die Hüttenfahrten, die Ausflüge nach Mallorca und das gesellige Zusammensein nach den Spielen sehr fehlen. Mit den Menschen, die ihren Verein so besonders machen.
Hegauer FV will zurück in die Erfolgsspur
Sie selbst trägt mit vielen Treffern ihren Teil zu den Triumphen bei. „Ich habe schon immer im Sturm gespielt“, sagt Luisa Radice und lacht: „Ich kann nix anderes. Aktuell läuft es aber nicht so gut. Diese Saison habe ich erst ein Tor erzielt.“
Der Hegauer FV steht aktuell als Oberligadritter und Viertelfinalist im SBFV-Pokal zwar nicht schlecht da, muss nach dem Umbruch der vergangenen Jahre aber noch zurück in die Erfolgsspur finden.
Luisa Radice, die nie schwer verletzt war und nach eigner Aussage nur zwei Spiele verpasst hat, hofft, dass ihr Team nach dem Ende der Winterpause in der Liga weiter vorne mitspielt und den Pokal gewinnt.
„Aufsteigen möchte ich aktuell nicht“, sagt sie, „wir brauchen noch ein, zwei Jahre. Im Moment sind wir vielleicht zu gut für die Oberliga und zu schlecht für die Regionalliga.“
Die Dauerbrennerin hat noch nicht genug
Die Dauerbrennerin selbst hat noch lange nicht genug vom Fußball – auch mit bald 33 Jahren nicht. „Mir macht‘s noch Spaß, ich kann noch mithalten“, sagt Luisa Radice.
Dafür schiebt sie seit den Markelfinger Kindertagen gerne auch die eine oder andere Sonderschicht mit ihrem jüngeren Bruder Giuliano, der früher praktischerweise als Torwart aktiv war. „Wir gehen auch jetzt noch oft Fußball spielen“, sagt die große Schwester Luisa, „und ich darf dann aufs Tor schießen.“