Die Zahlen sprechen für sich: Die deutschen Fußballerinnen haben erneut für eine Spitzen-Quote im Fernsehen gesorgt. Bei der 1:2-Niederlage der DFB-Auswahl am Sonntag im WM-Spiel gegen Kolumbien sahen im Durchschnitt 10,363 Millionen Menschen im TV zu. Das ergab nach Angaben der ARD einen Marktanteil von 61,6 Prozent. Das Interesse am Frauenfußball ist also definitiv da.

Fest steht ebenfalls: Der Südbadische Fußballverband (SBFV) registriert einen Zuwachs von neu gegründeten Frauenmannschaften und -Abteilungen.

Melanie Hahn ist sowohl Vertreterin des Verbandausschusses für Frauen- und Mädchenfußball als auch Mädchenreferentin beim Südbadischen ...
Melanie Hahn ist sowohl Vertreterin des Verbandausschusses für Frauen- und Mädchenfußball als auch Mädchenreferentin beim Südbadischen Fußballverband. | Bild: Verein

„Die Vereine machen viel für die Etablierung von Frauen- und Mädchenteams. Das freut uns sehr“, sagt Melanie Hahn, Vertreterin des Verbandausschusses für Frauen- und Mädchenfußball sowie Mädchenreferentin beim SBFV.

„Jede Saison veranstalten wir einen Tag des Mädchenfußballs, bei dem sich Vereine aus der Region bei uns bewerben können. Allein vergangenes Jahr hatten wir 42 Bewerber, davon acht vom Bodensee“, fügt Hahn hinzu.

„Die Wertschätzung wird höher“

Trotz des Erfolges der deutschen Nationalelf bei der Frauen-EM 2022 glaubt Hahn nicht, dass der zweite Platz des Teams von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg einen großen Aufschwung ausgelöst hat.

„Der Hype war bereits vor der EM da. Die Zuschauer gehen gerne zu Frauen-Spielen. Auch seitens des DFB wird die Wertschätzung immer höher. Generell ist der Frauenfußball professioneller geworden“, freut sich Hahn.

Immer mehr Vereine mit Frauen- und Mädchenabteilung

Der FC Schwandorf-Worndorf ist im vergangenen Jahr in den Frauen-Spielbetrieb eingestiegen. Trainer des Teams ist Günter Kohli. Dass eine Mannschaft gegründet wurde, ist Kohlis Familie zu verdanken. „Meine Tochter und meine Schwiegertochter haben die Initiative ergriffen, Mädchen zusammenzusuchen, die gerne im Fußballverein spielen möchten“, freut sich Kohli.

Schule als erste Anlaufstelle

Inzwischen ist der Trainer auch selbst aktiv auf der Suche nach neuen Interessentinnen. Und fängt dabei bei den Jüngsten an: „Ich bin auf eine Schule bei uns in der Nähe zugegangen und habe mich intensiv mit Sportlehrern und auch der Direktorin, die ich selbst gut kenne, ausgetauscht.“ Er findet es wichtig, Mädchen im Idealfall bereits im jungen Alter für Fußball zu begeistern.

Zusammen mit der Schule hat Kohli einen Tag des Mädchenfußballs organisiert, an dem Schülerinnen der dritten und vierten Klasse teilnehmen konnten. „Es gab viel positive Resonanz, das hat mich sehr gefreut.“

Große Begeisterung bei vielen Mädchen

Der Tag selbst sei ein voller Erfolg gewesen: „39 Mädchen haben teilgenommen“, erzählt Kohli. „Der Tag hat ihnen großen Spaß gemacht und inzwischen kommen einige von ihnen sogar regelmäßig ins Training.“

Ein wichtiger Faktor ist aus Kohlis Sicht der jüngste Erfolg der deutschen Frauennationalmannschaft. „Der Vizemeistertitel im vergangenen Jahr spricht für sich. Es ist ähnlich wie bei den Herren“, sagt der FC-Trainer. „Wenn sie erfolgreich sind, ist der Boom groß und er fördert das Interesse.“ Auch die gerade stattfindende WM könnte laut Kohli für einen weiteren Schub sorgen.

Die B-Juniorinnen des BSV Nordstern Radolfzell beim Training.
Die B-Juniorinnen des BSV Nordstern Radolfzell beim Training. | Bild: Eugenio Marino

Warum auch Mädchen fußballbegeistert sind

Ruzdija Berisaj, Trainer der B-Juniorinnen beim BSV Nordstern Radolfzell.
Ruzdija Berisaj, Trainer der B-Juniorinnen beim BSV Nordstern Radolfzell. | Bild: Eugenio Marino

Der Begeisterung am Fußball macht sich insbesondere beim BSV Nordstern Radolfzell bemerkbar, der von der E- bis zur B-Jugend in allen Altersklassen über eine Mädchenmannschaft verfügt. Ruzdija Berisaj ist Trainer der B-Juniorinnen, die aktuell in der Verbandsliga spielen.

„Ich freue mich sehr über die große Mädchenabteilung, die wir beim BSV haben. Fußball ist ein Sport, der mit der Zeit geht. Alles wird moderner und dynamischer“, betont Berisaj. „Der Frauenfußball hat vor allem an Professionalität gewonnen, deshalb wird das Interesse der Mädchen immer größer.“

Der Trainer rechnet mit weiteren Anfragen und Anmeldungen bei den Mädchenmannschaften vor und vor allem nach der WM: „Ich schätze, dass durch die Weltmeisterschaft viele Mädchen anfangen werden, sich für Fußball zu interessieren. Vor allem durch die Präsenz in den Medien. Und dann ist es auch auf den Sportplätzen ein Thema.

Martha Maroske spielt seit acht Monaten beim BSV und ist bereits Kapitänin der U17.
Martha Maroske spielt seit acht Monaten beim BSV und ist bereits Kapitänin der U17. | Bild: Eugenio Marino

Und auch seine Spielerinnen verfolgen die WM, so wie Verteidigerin Martha Maroske: „Die DFB-Frauen sind meine Lieblingsmannschaft. Ich verfolge ihre Spiele, so gut es eben geht.“ Die 16-Jährige ist Spielführerin beim BSV und „es macht unglaublich viel Spaß.“

Ihre Teamkollegin Georgea Reinhardt sieht das genauso: „Ich denke, auch Frauen können im Fußball etwas erreichen und die DFB-Elf zeigt es aktuell ganz gut.“

Georgea Reinhardt spielt bereits seit frühester Kindheit Fußball.
Georgea Reinhardt spielt bereits seit frühester Kindheit Fußball. | Bild: Eugenio Marino

Liegt es wirklich am Erfolg der DFB-Elf?

Marcus Wadehn ist beim SV Mühlhausen stellvertretender Jugendleiter.
Marcus Wadehn ist beim SV Mühlhausen stellvertretender Jugendleiter. | Bild: Privat

Marcus Wadehn, Abteilungsleiter beim SV Mühlhausen, sieht das anders. „Ich bin nicht unbedingt der Meinung, dass allein der Hype, den es um die deutsche Fußballnationalmannschaft vor allem nach der EM gegeben hat, für das steigende Interesse verantwortlich ist.“ Man versuche, den Frauenfußball ein wenig krampfhaft in den Fokus zu setzen. Schaue man sich im Mädchenfußball um, so seien dort die meisten Vorbilder auch hauptsächlich Männer.

Es zählt die Freude am Sport

Für ihn zähle viel mehr der Spaß am Fußball und das Gemeinschaftsgefühl als die guten Ergebnisse der Profispielerinnen. „Das ist der Schlüssel“, sagt Wadehn. „Wir fokussieren uns auf den Teamgeist und eigene Erfolge, statt darauf, den Profis nachzueifern.“

Über 30 Mädchen beziehungsweise Frauen spielen beim SV Mühlhausen. „Bei uns ist es eine gute Mischung. Die Frauen sind zwischen 14 und 40 Jahren alt. Sie trainieren fleißig und helfen hier und da mal aus“, erklärt der Abteilungsleiter.

Sein Konzept: „Die Frauenabteilung stellte bei uns immer eine Lücke dar. Jetzt erlebt der Frauenfußball einen Boom, also wollen wir diese Lücke füllen. Dieser Part hat bei uns im Verein noch gefehlt.“

Ist die WM der Schlüssel zu noch größerem Interesse?

Obwohl die Meinungen zu den Gründen für den Hype rund um Frauenfußball auseinandergehen, steht fest: Frauen- und Mädchenfußball ist angesagt, auch in Amateurvereinen. Und sollte die DFB-Elf wieder weit kommen, ist es gut möglich, dass bald noch mehr Mädchen und Frauen auf den Plätzen zu sehen sind.