1. Die Qualität der Liga: Lässt man das erste Saisonspiel der HSG Konstanz weg, als es bei der HSG Nordhorn-Lingen eine Klatsche gab, waren die Aufsteiger vom Bodensee immer nah dran. Zuhause verloren mit drei Toren Differenz gegen Ludwigshafen, mit vier gegen Ferndorf und jetzt vier gegen Dormagen, auswärts mit fünf in Lübeck-Schwartau, wobei man dort lange Zeit geführt hatte, und zwei in Coburg. Ein Blick auf die Tabelle, Stand Sonntagmorgen: Ferndorf Zweiter, Lübeck Dritter, Dormagen Fünfter, Ludwigshafen Siebter, Coburg Neunter, ausgerechnet Nordhorn ist 13. und hat nach dem Auftakterfolg gegen die HSG nichts mehr gewonnen. Was das heißt: Die 2. Bundesliga ist eine unglaublich starke Liga, in der selbst der Tabellenführer beim Elften einen Punkt verlieren kann (der Bergische HC am sechsten Spieltag nur 31:31 beim TV Hüttenberg) und ein als Mitfavorit gesehener TuS Nettelstedt-Lübbecke nur zwei Punkte vor Konstanz auf dem vorletzten Platz rangiert. Trotzdem gilt für die HSG: Nah dran ist zu wenig, 40 gute Minuten reichen nicht aus und 50 auch nicht.
  2. Die Schwächephasen: Anknüpfend an Punkt eins war das Spiel gegen Dormagen ein Beispiel für immer wieder abhanden kommende Konzentration, die sich postwendend auf der Anzeigetafel widerspiegelte. Von 4:2 auf 5:5, von 5:5 auf 7:11. Das erfordert dann enorme Kraftanstrengungen, um wieder heranzukommen. So in der ersten Halbzeit auf 12:14 und 13:15, nur um dann doch mit einem 13:18 in die Pause zu gehen. Oder im zunächst furiosen zweiten Durchgang. Angetrieben vom fantastischen Torhüter Konstantin Poltrum (zwölf Paraden, darunter auch ein Siebenmeter) schaffen seine Vordermänner in der 45. Minute den Ausgleich (24:24), doch das Momentum zu nutzen, um nach erneutem Ballbesitz in Führung zu gehen und so der Partie vielleicht die entscheidende Wendung zu geben, gelingt ihnen nicht – ausgerechnet da unterläuft Raivis Gorbunovs ein Stürmerfoul. Dormagens Trainer Julian Bauer sprach von einer „kritischen Phase“, in der das Spiel hätte kippen können. Gleichzeitig attestierte der Gästecoach seinen Jungs Cleverness, eine Eigenschaft, die den Konstanzern abging. Nach dem erneuten Gleichstand in der 50. Minute (27:27) stand es nur zweieinhalb Minuten später 27:30.
  3. Die Wurfausbeute: Wie sagte einst der Bundesligafußballer Jürgen Wegmann: „Erst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.“ In diese Kategorie passt sicher ein Siebenmeter, den der eigentlich höchst treffsichere Lukas Köder an den Pfosten setzt. Aber in Summe lassen die HSG-Spieler einfach zu viele freie Chancen aus, gegen Dormagen etwa Kapitän Michel Stotz, Veit Schlafmann, Maxim Pliuto, Raivis Gorbunovs und Lukas Köder. Bis auf Gorbunovs haben ja alle trotzdem getroffen, aber auf dem Weg zu einem so sehr ersehnten Sieg müssen eben nahezu alle klaren Möglichkeiten genutzt werden. Zumal dann, wenn es auch aus dem Rückraum nicht läuft, wie diesmal etwa bei Lars Michelberger, der aus sieben Versuchen nur zwei Treffer erzielte.
  4. Das Verletzungspech: Die HSG hat sowieso einige Dauerverletzte zu beklagen, darunter der in der 3. Liga oft auftrumpfende Mathieu Fenyö. Gegen Dormagen fehlte dann auch noch Spielgestalter Christos Erifopoulos wegen einer Bänderverletzung – ein schmerzlicher Verlust. Und im Spiel zog sich zu allem Unglück auch noch Linksaußen Àron Czakó eine Fußverletzung zu. „Es sieht nicht gut aus“, sagte gestern HSG-Pressesprecher Andreas Joas, ein MRT wird Klarheit geben. Merke: Verletzungspech verkraftet die HSG Konstanz nicht.
  5. Das Selbstvertrauen: Sollen, wollen, können – die HSG-Handballer geben alles, sie lassen, wie es dann in der Sport-Sprache so schön heißt, ihr Herz auf der Platte. Und doch beschleicht so manchen Fan auf der Tribüne, dass es ihnen in den entscheidenden Situationen am nötigen Selbstvertrauen mangelt. Bei hoher Führung oder klarem Rückstand finden Würfe eben leichter das Ziel, als wenn es knapp steht. Also: Der letzte, unwiderstehliche Biss fehlt. Noch! Es gilt das Wort von HSG-Geschäftsführer André Melchert: „Absteigen wird, wer sich aufgibt.“ Das nun wird den HSG-Akteuren ganz gewiss nicht passieren.