Radsport: – Wenn am Donnerstagmittag, nach einer gut sechsstündigen Fahrt, das so genannte „Geleucht„ – eine rund 30 Meter hohe leuchtend rote Grubenlampe auf der Halde Rheinpreußen – als Wahrzeichen der Stadt Moers im Blickfeld auftaucht, wird es ernst für die kleine Delegation des RSV Wallbach. Erstmals starten am Freitag die aus Kürnberg stammenden Kunstradfahrerinnen Alisa und Anne Lais bei den Deutschen Meisterschaften im Hallenradsport, die der Grafschafter Rad- und Motorsportverein im 2013 eröffneten Sportpark der Stadt Moers ausrichtet, gemeinsam in der Kategorie „Elite“.
Die Reise an den Niederrhein, auf die sich die Schwestern zusammen mit ihrer Mutter und Trainerin Claudia Lais sowie den Lebensgefährten, am Donnerstag machen, hat schon vor vielen Wochen und Monaten begonnen. Und es war, so betont Claudia Lais, kein einfacher und leichter Weg. Im Gegenteil: Anne und Alisa Lais hatten etliche Hürden und Schwierigkeiten zu überwinden, ehe klar war, dass sie erstmals bei der Elite gemeinsam aufs Parkett dürfen.
Nun aber, unweit der Halde Rheinpreußen, mit rund 70 Metern Höhe die größte Erhebung der linksrheinischen Stadt, scheinen die Berge für die Lais-Schwester überwunden zu sein. Das Duo steht quasi vor dem Gipfel eines Sportjahres, das anspruchsvoller nicht sein konnte.
„Dass sie in Moers dabei sind, empfinden beide als Lohn für dieses schwierige und ungewöhnliche Jahr“, deutet Claudia Lais an, dass die Qualifikation vor allem für die Psyche ihrer jüngeren Tochter sehr wichtig gewesen ist. Anne Lais war im Februar schwer gestürzt, musste sich in der Folge zwei Operationen unterziehen. Erst im Juni stieg sie wieder aufs Rad und arbeitete seither zielorientiert darauf hin, zur gewohnten Sicherheit zurück zu finden.

Mit einer außergewöhnlichen mentalen Stärke biss sich Anne Lais durch, steigerte sich ständig und sicherte fast schon mit einem Husarenstreich bei der letzten Gelegenheit das Ticket für Moers: „Sie hat fast das komplette Programm wieder drauf, fährt es absolut sicher.“ Selbst jene Übung, bei der sie so schwer gestürzt war, absolviert Anne Lais wie zuvor: „Obwohl für sie zunächst klar war, diese Passage nie mehr zu fahren“, betont Claudia Lais.
Beim Deutschlandpokal in Sulzbach/Main haute Anne Lais noch einmal alles raus, fuhr von ihren eingereichten 145,80 Punkte satte 137,94 Punkte aus. So katapultierte sie sich von Rang 18 auf Rang zehn – und hielt doch noch die Startberechtigung für Moers in der Hand. „Ein großartiger Lohn für ihre Arbeit“, freut sich Claudia Lais.
In Sulzbach machte auch Alisa Lais mit ihrem fünften Platz den Start in Moers endgültig perfekt. Die 22-Jährige war zuvor bei zwei Wettbewerben im September jeweils hauchdünn gescheitert. Beim vom RSV Wallbach ausgerichteten 1. German Masters in Murg fehlte ihr nur ein Punkt, bei den 2. German Masters in Biberach fuhr sie mit 165,87 Punkten zwar ihre persönliche Bestleistung, wurde aber „nur“ Neunte.
Wie für ihre jüngere Schwester verlief auch für Alisa Lais das Sportjahr 2019 nicht optimal. Die in Stuttgart lebende und beim RV Bonlanden trainierende Studentin hatte ebenfalls mit Verletzungen zu kämpfen. „Sie geht gern ins Risiko, was nicht immer gut geht“, deutet Claudia Lais auf den Kampfgeist ihrer „Großen“ hin: „Es fällt ihr schwer, auf eine Übung, die nicht optimal sitzt, zu verzichten.“
Vor allem der Punkte trächtige „Maute-Sprung“ verlange absolute Sicherheit: „Alisa ist zwei Mal bei dieser Übung gestürzt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass sie ihn nur riskiert, wenn sie sich absolut sicher ist“, so Claudia Lais: „Bei diesem Sprung darfst du dich nicht mit anderen Dingen beschäftigen, sondern musst hochkonzentriert sein.“
Nach Rücksprache mit Alisas Trainer in Bonlanden wurden die eingereichten 180,20 Punkte auf 176,00 in Moers reduziert: „Wir wollen doch auf Nummer sicher gehen und angesichts des ungewohnten Bodenbelags auf die freihändigen Passagen auf dem Hinterrad verzichten“, verweist Claudia Lais auf die besonderen Umstände in Moers: „Wir waren vor zwei Jahren hier und wissen, was uns erwartet.“
Schon deshalb sei wichtig, gut und zeitig am Niederrhein einzutreffen: „Wir wollen rechtzeitig in der Halle sein, denn ab 16 Uhr wird trainiert. Jeder Fahrerin stehen nur sechs Minuten auf der Wettkampffläche zu. Sie muss sich aber vorher unter Vorlage der Lizenz eingetragen haben.“
Hintergrund für den zu erwartenden Andrang der 16 Konkurrentinnen ist der Umstand, dass Trainings- und Wettkampffläche in Moers unterschiedliche Bodenbeläge aufweisen: „Der Boden ist weicher, Drehungen lassen sich schlechter fahren. Letztlich wird das gesamte Programm anstrengender“, so Claudia Lais, die hofft, dass der Versuch, im Training mit weniger Reifendruck die ungewohnten Umstände zu simulieren, von Erfolg gepriesen ist.
Auch wenn die Lais-Schwestern angesichts ihrer Vorgeschichte beim Wettkampf am Freitagnachmittag grundsätzlich befreit auffahren können, stehen sie doch bei einer Deutschen Meisterschaft auf dem Parkett: „Eine Sportlerin will immer das Beste raus holen“, weiß Claudia Lais, dass der „Nervenkrieg“ somit schon kurz nach der Ankunft bei der Vergabe der Trainingszeiten beginnt: „Da steht die Konkurrenz in der Schlange, beäugt die Übungen und freut sich über jeden Patzer.“
Beim Wettkampf selbst erwartet sie ihre Töchter gewohnt fokussiert. Anne Lais hat das Ziel, das Bestmögliche herauszufahren und den Start in gewisser Weise zu genießen – und trotzdem zeigen, was sie kann. Alisa Lais, die 2018 immerhin Siebte wurde, wird trotz des „sicheren Programms“ erneut die Top-Ten anstreben: „Wenn sie auf dem Parkett sind, dann wollen sie einfach auch perfekt fahren. Lassen wir uns überraschen“, so Claudia Lais.
Sie deutet an, dass sie sich als Trainerin und mehr noch als Mutter, nichts mehr als einen perfekten Abschluss im Schein des Moerser „Geleucht„ wünscht: „Wir drei haben ein schwieriges Sportjahr hinter uns. Deshalb steht die sportliche Platzierung in Moers weniger im Fokus, als ein in jeder Hinsicht gelungener Wettkampf.“