Tennis: – Andere Sprache, neue Leute, trocken-heißes Klima – Tim Rühl musste sich ziemlich umstellen, als er sich im August von seinen Eltern und seinen Freunden in Tiengen verabschiedete, um in den Flieger Richtung Phoenix/Arizona zu steigen. Dort im US-amerikanischen Wüstenstaat studiert der 19-jährige Tennisspieler Sportmanagement. Ein Semester hat er hinter sich, sieben weitere folgen noch. Wenn alles gut geht, hat er also spätestens in dreieinhalb Jahren den Bachelor-Abschluss in der Tasche.



Studium und Sport auf sinnvolle Weise verbinden – das ist beim College-Tennis in den USA möglich. Wie das funktioniert? Tim Rühl spielt in der Tennis-Mannschaft der Arizona State University (ASU). Im Gegenzug erhält er dafür ein Stipendium, was seine Studiengebühren erheblich reduziert.

Ein lockeres Leben ist natürlich was anderes. „Schön, aber ganz schön stressig“, blickt Tim Rühl auf sein erstes halbes Jahr in den Staaten zurück. In der Uni beim Studium läuft es ganz gut. „Da habe ich sogar schon eine Auszeichnung erhalten. Vielleicht habe ich ja schon nach sieben Semestern meinen Bachelor“, hofft er. Auch beim Tennis hat er große Fortschritte gemacht. Beim Training wird großen Wert auf die körperliche Fitness gelegt. „Kraft und Beweglichkeit wird intensiv trainiert. Da hatte ich noch leichte Defizite. Auf jeden Fall bin ich schon besser geworden“, sagt er.

Auch die Tatsache, dass er in den USA mit sehr guten Trainern arbeiten darf, kommt ihm entgegen. Umstellen musste er sich aber gewaltig. College-Tennis ist nämlich anders als das Tennis in deutschen Landen. „Eine völlig andere Stimmung herrscht. Es ist hektischer und lauter. Der Coach sitzt auf der Bank und hat ständig Kontakt mit seinem Spieler“, so Rühl. Sogar die Tennisregeln sind leicht verändert.

Die Arizona State University zählt zu den Top 15 der sogenannten Business Schools in den USA. 78.000 Studenten tummeln sich auf dem Campus, dessen Fläche etwa der von Waldshut und Tiengen zusammen entspricht. „Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich daran zu gewöhnen“, erinnert sich Tim Rühl an die erste Zeit im August. Heimweh hatte er nicht, da er schon früher viel in Sachen Tennis auf Reisen war. „Das Klima machte mir etwas zu schaffen. Es war Sommer. 43 Grad mitten in der Wüste – das war schon eine Hausnummer“, sagt er. Da die Hitze aber trocken ist, kam er bald auch damit zurecht. „Mittlerweile genieße ich alles. Es macht richtig Spaß, auch wenn ich nur wenig Freizeit habe.“

Das zeigt auch ein Blick in seinen prall gefüllten Tageskalender. Jeden Morgen muss er kurz vor 6 Uhr raus aus den Federn. Um 6.30 Uhr – nach einer Scheibe Toast – verlässt er sein Appartement, das er mit acht Teamkameraden teilt. Um 7.30 Uhr Beginn an der Uni, Ende 9 Uhr. Dann Tennis-Einzeltraining, ab 11 Uhr wieder Uni bis 12.30 Uhr. Ab 13.30 Uhr Teamtraining, ab 15 Uhr Konditionstraining, 16 Uhr Regeneration. Zwischen 18 Uhr und 19.30 Uhr ist nochmals Büffeln angesagt oder er muss in eine Lernhalle mit anderen Sportlern. Gegen 21 Uhr ist er zu Hause und dann geht’s meist noch an die Hausaufgaben. Rühl: „Vor 23 Uhr komme ich nicht ins Bett. Viel Schlaf habe ich unter der Woche nicht.“

Der Herbst ist – was Tennis angeht – eher die Trainingsphase. Mannschaftsspiele gibt es nicht, dafür nationale Einzel- und Doppelturniere. Und im Doppel ist es Tim Rühl in den vergangenen Monaten gelungen, so richtig aufzutrumpfen. Mit seinem Partner, dem dänischen Daviscup-Spieler Benjamin Hanestad, gewann er das zweitgrößte Turnier des Landes in Malibu bei Los Angeles und qualifizierte sich damit für die nationalen Meisterschaften in Indian Wells. „Das war ein riesiges Erlebnis für mich. Indian Wells ist ein Mythos im Tennis“, blickt Rühl auf ein unvergessliches Turnier zurück. Dort in Kalifornien steigt alljährlich im Frühjahr ein hoch dotiertes ATP-Turnier.

Ein anderes Erlebnis wird Tim Rühl wohl noch lange in Erinnerung bleiben. An seinem ersten Tag an der Uni im August hielt Ex-Schwimmass Michael Phelps, der eine riesige Sammlung mit 28 olympischen Medaillen besitzt, vor den Sportstudenten der Arizona State University eine Motivationsrede. Der Trainer des US-amerikanischen Superstars war einst Schwimmtrainer der Uni. Die ASU hat übrigens erst seit Sommer wieder Tennis in ihrem Angebot, was Tim Rühl natürlich sehr entgegen kommt.

Auf einen weiteren sportlichen Erfolg ist der Tiengener noch stolz: Mit einem belgischen Partner siegte er gegen das Nummer-Eins-Doppel des Landes. „Das war eine richtige Sensation“, ist Rühl stolz.

Am Mittwoch ist der Weihnachtsurlaub in seiner Heimat am Hochrhein vorbei. Dann geht’s zurück über den großen Teich nach Arizona. Beginn des Semesters ist am 7. Januar, sechs Tage später ist schon der Startschuss des sportlichen Parts. Dann steigen die ersten Qualifikationsrunden für den Teamwettbewerb. „Wir wollen mit unserer Unimannschaft die Quali für die nationale Tennismeisterschaft schaffen“, sagt Rühl. Das nationale Endturnier mit insgesamt 16 Uni-Teams steigt dann im Mai. „Der Rückflug ist auf 22. Mai gebucht. Dann bin ich drei Monate zu Hause“, so Rühl.

Ob er sich denn vorstellen kann, ganz in die USA umzusiedeln? „Drei oder vier Monate dort zu leben, ist in Ordnung. Aber Deutschland soll mein Zuhause bleiben“, sagt der 19-Jährige. Sein Ziel, einmal Tennis-Profi zu werden, hat er nicht aus den Augen verloren. Obwohl er in der Deutschen und in der Weltranglistenliste zurückfällt, weil er nicht mehr die erforderlichen Punkte in den Turnieren sammeln kann, will er nach Abschluss seines Studiums in drei Jahren in Deutschland beim Tennis noch einmal kräftig durchstarten. „Ich sehe mein Studium und das College-Tennis als Sprungbrett“, gibt er sich selbstbewusst.