Leichtathletik: – Eigentlich wirkt er ganz entspannt, wie er so am heimischen Esszimmertisch sitzt: „Naja, der Trainingsstopp im Stadion trifft mich im Moment nicht ganz so hart“, erzählt Luan Kummle: „Auch ohne die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie wäre aktuell eher Laufen und Ausdauer auf meinem Trainingsplan gestanden.“ Der 14-jährige Schüler nimmt es offensichtlich, wie es kommt, hat aber trotzdem den Kalender 2021 im Visier: „Im Juli finden in Hannover die Deutschen Meisterschaften statt. Es wäre schon toll, wenn sie stattfinden – und ich dort dabei sein könnte.“
Deutsche Meisterschaften – für Leichtathletik-Talent Luan Kummle vom TV Wehr wäre das eine Premiere. Der Schüler am Schopfheimer Theodor-Heuss-Gymnasium kennt bislang lediglich regionale Wettbewerbe und Badische Meisterschaften. Höhere Weihen sehen die Verbände für die jüngere Altersklasse nicht vor. Aber als Starter der Klasse M15 sehen die Regularien erstmals einen bundesweiten Wettbewerb vor: „Ein spezielles Ziel möchte ich mir gar nicht setzen“, so Luan Kummle: „Die Qualifikation schaffen und dann einfach nur mal dabei sein.“

Dass es an der Zulassung scheitern könnte, glaubt indessen niemand so richtig. Die geforderte Norm liegt bei 6,20 Meter. Luan Kummle landete im Sommer bei den Badischen Meisterschaften bei 6,12 Meter. Kurz vorher hatte er sich aber schon auf 6,49 Meter und damit auf Platz eins der Badischen Bestenliste 2020 sowie auf Platz zwei in ganz Deutschland katapultiert.
Ausschlaggebend für diese Leistungsexplosion ist das fachkundige Training, das Luan Kummle quasi im Familienverbund erleben darf. Nicht nur seine Großeltern – Hilde und Dieter Eckert – spornen den Teeanger an. Mama Elisa Kummle ist fürs allgemeine Training zuständig, Papa Marco Kummle, einst Wehrer Weitsprung-Aushängeschild, kümmert sich um die Details: „Wir haben einiges probiert und experimentiert“, betont Marco Kummle, dass er weit über den Tellerrand hinausschaut: „Es gibt wertvolle Trainings-Videos auf Youtube.“ Besonders angetan hat es ihm ein Trainer aus Colorado/USA, dessen Tipps den Junior weiter gebracht haben. Binnen vier Wochen steigerte sich Luan Kummle im Sommer von 5,84 m auf 6,49 m.

Weil die Sportmöglichkeiten wegen der Hygiene-Bestimmungen eingeschränkt waren, wurden die Kummles im Verlauf des Corona-Jahres äußerst kreativ. Zu Hause im Keller gibt es Fitness-Geräte, die Luan ebenso nutzt, wie die im Stadion entliehene Hürde. Auf der leicht ansteigenden Straße vor der Haustür stehen Laufübungen auf dem Plan – und wenn es richtig fies werden soll, erinnert sich sein Vater an die Treppe am Staudamm des Wehrabeckens: „Es sind rund 200 Stufen, die vielseitig und kreativ einsetzbar sind“, schmunzelt Marco Kummle.
Doch Luan Kummle kommt nicht allein in den Genuss außergewöhnlicher Trainingsvarianten. Seine Teamkollegin Simea Thanei nutzt ebenfalls zusätzliche Einheiten bei Elisa Kummle. Die Physiotherapeutin schart regulär fast zwei Dutzend Jugendliche um sich im Stadion.
Derzeit ist das nicht möglich, also versucht sie, die Sportlerinnen und Sportler mit Trainingsplänen und außergewöhnlichen Ideen – beispielsweise Hürdentraining im Garten – etwas bei Laune und in Form zu halten: „Ich stehe mit dem Landestrainer im regelmäßigen Kontakt. Wir tauschen Videos aus, um neue Trainingsformen einzustudieren oder auch um Fehler unserer Sportler zu korrigieren.“

Das zusätzliche Angebot ist für die beiden Jugendlichen wichtig, schließlich zählen sie zum Landeskader der ARGE Baden-Württemberg und fuhren regelmäßig zum Training nach Stuttgart-Bad Cannstatt, bis die neue Corona-Verordnung dieses Zusatztraining untersagte. Simea Thanei machte sich auf badischer Ebene als erfolgreiche Mehrkämpferin einen Namen, hat ihre absoluten Stärken aber im Hürdenlauf. In der badischen Bestenliste 2020 ist sie mit 14,69 s auf Rang drei notiert.
Weil aller guten Dinge drei sind, bekommen die Wehrer Talente zum neuen Jahr Verstärkung. Die 14-jährige Ceren Bayram vom TV Bad Säckingen hat sich zum Wechsel ins Wehratal entschlossen, ist damit die Dritte im Bunde der Kaderathleten des TV Wehr. Während Simea Thanei zum Landeskader Hürden zählt und Luan Kummle im Landeskader Sprung zu finden ist, zählt Ceren Bayram zum Landeskader Wurf. Ihre absolute Stärke ist das Kugelstoßen. Sowohl in der Halle als auch im Freien wurde sie Badische Meisterin, steht mit 11,56 Meter in der badischen Bestenliste 2020 ganz vorn. Ihr Ziel für 2021 sind die Deutschen Mehrkampfmeisterschaften in Wesel/Niederrhein.

Dort möchte Ceren Bayram im Siebenkampf starten, angesichts ihrer Leistungen kein aussichtsloses Unterfangen. In der badischen Bestenliste 2020 steht sie immerhin auf Rang drei. Mehrkampf-Meisterschaften im August hat auch Luan Kummle im Kalender, stehen. Er will sich in Markt Schwaben, östlich von München, im Block Sprint/Sprung (100 Meter, Hürdenlauf, Speer, Weit- und Hochsprung) zeigen.
Die Wehrer Talente sind also auf dem Sprung, haben ihre Ziele fest im Visier. Nun bleibt ihnen neben Trainingseifer vor allem die Hoffnung, dass die Corona-Pandemie endlich unter Kontrolle gerät – und auch für den Sportbetrieb wieder Normalität einkehrt.
Und wenn es nichts wird, hat zumindest Luan Kummle eine sportliche Alternative entdeckt. Im Sommer drehte er mit seiner Familie die ersten – erfolgreichen – Platzrunden auf dem Golfplatz in Fahrnau: „Hat Spaß gemacht und war für mich ein wichtiger mentaler Ausgleich“, verrät der Schüler: „Es sind ähnlich komplexe Bewegungsabläufe und du musst über lange Zeit die Konzentration hoch halten.“