Radsport: – Über 254 Kilometer auf Asphalt und Kopfsteinpflaster war er unterwegs. Bei der Flandern-Rundfahrt von Antwerpen nach Oudenaarde am 4. April präsentierte sich Nico Denz angriffslustiger denn je. Statt einen ruhigen Ostersonntag im Kreise seiner Familie in Albbruck zu verbringen, zog es der 27-jährige Radprofi vom Team DSM vor, auf belgischen Straßen und berühmt-berüchtigtem Kopfsteinpflaster so richtig durchgeschüttelt zu werden.

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Er hatte es selbst nicht erwartet, dass er die Härteprüfung mit seiner lädierten Hand relativ schmerzfrei überstehen würde. Im Januar hatte sich Denz bei einem Trainingssturz die Hand gebrochen und seine Genesung hatte auch nur langsam Fortschritt gemacht. Aber dann sein Husarenritt in Flandern. „Wir wollten schon angreifen. Das hatten wir uns vorgenommen. Dann war ich vorn dabei“, erinnert er sich. Denz war in der Spitzengruppe dabei, die erst rund 50 Kilometer vor dem Ziel vom Feld eingeholt wurde.

„Das war eigentlich klar, dass wir nicht durchkommen würden“, gab er sich während seines forschen Auftritts an vorderster Position nie irgendwelchen Illusionen hin. Wichtiger war, dass er Akzente gesetzt hatte. Er hatte bewiesen, dass er‘s eben doch kann. Mit seiner unbekümmerten und angriffslustigen Fahrweise hatte er schon in der Vergangenheit immer mal wieder auf sich aufmerksam gemacht. Sich selbst und seinem Team hatte er gezeigt: Der Nico kann‘s eben.

Radprofi Nico Denz (Team DSM): „Beim Giro werden wir voll auf Gesamtklassement fahren. Ich bin total guter Dinge“
Radprofi Nico Denz (Team DSM): „Beim Giro werden wir voll auf Gesamtklassement fahren. Ich bin total guter Dinge“ | Bild: Vincent Riemersma

Saisonstart verläuft nicht wunschgemäß

Um so wichtiger war diese Erfahrung, weil der Rest der Klassiker zu Saisonbeginn nicht gerade nach Wunsch für ihn verlief. „Das war ein total verkorkstes Frühjahr“, redet er nicht um den Brei herum. Viele Probleme habe er gehabt. Bei der Rundfahrt „Tirreno – Adriatico“ in Italien wurde er auf der letzten Etappe krank, musste danach auf den geplanten Einsatz beim Eintagesrennen „Mailand – San Remo“ verzichten. Stattdessen startete er bei „Brügge – De Panne“, ohne richtig glänzen zu können.

Es kam noch schlimmer: Denz stürzte bei einer Trainingsfahrt und verletzte sich am Knie. Kein Klacks, denn den folgenden Klassiker „Gent – Wevelgem“ konnte der Albbrucker nicht zu Ende fahren: „Ich hab es probiert, aber es ging nicht.“ Da überraschte es schon, dass er kurz danach bei der Flandern-Rundfahrt diese tolle Leistung ablieferte.

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Dennoch sollte sich Nico Denz zu Hause erholen. In der Klinik in Freiburg wurde eine Schleimbeutelentzündung im Knie diagnostiziert. Schonung war also angesagt. „Wichtig ist für mich, dass meine Mannschaft und die Mediziner im Team voll hinter mir stehen“, sagt er. Selbst nach einem eher enttäuschenden „Amstel Gold Race“ am 18. April wurde er für einen seiner Saisonhöhepunkte, den Giro, nominiert. Die Italien-Rundfahrt beginnt am Samstag in Turin und wird nach über drei Wochen am 30. Mai in Mailand enden.

„Tour de Romandie“ war ein Test

„Ich bin total guter Dinge für den Giro“, freut er sich auf sein „Mega Event“. Die „Tour de Romandie“ in der vergangenen Woche diente da „nur“ als Test in der Phase des Formaufbaus. Es wird die vierte Teilnahme des Albbruckers beim Giro sein. Zwei Mal war er für sein ehemaliges Team AG2R am Start gewesen. 2018 hatte er bei einer Etappenankunft als Zweiter nur hauchdünn einen Tagessieg verpasst.

In der Spitzengruppe: Der Albbrucker Radprofi Nico Denz (rechts) vom Team DSM bei der Flandern-Rundfahrt. Bild: Frederic Mons
In der Spitzengruppe: Der Albbrucker Radprofi Nico Denz (rechts) vom Team DSM bei der Flandern-Rundfahrt. Bild: Frederic Mons | Bild: Frederic Mons

„Beim Giro werden wir voll auf Gesamtklassement fahren“, gibt sich Denz kampfeslustig. Er spricht von „wir“, weil er sich seiner Helfersrolle bei der bedeutenden Rundfahrt bewusst ist. Angeführt wird das deutsche World-Tour-Team von Jai Hindley und Romain Bardet. Das sind die beiden Kapitäne, für die Denz strampeln muss. Der Australier Jai Hindley war vergangenes Jahr Gesamtzweiter der Rundfahrt geworden, den Franzosen Romain Bardet kennt Denz noch als Kapitän aus Zeiten bei seinem ehemaligen Rennstall „AG 2R“: „Wir waren beide auch zusammen im Nachwuchsteam in Chambéry. Er ist also mein alter und neuer Kapitän.“

Die Aufgabe von Nico Denz beim Giro wird aber eine doppelte sein, da das Team in seinem deutschen Kollegen Max Kanter auch einen schnellen Mann in seinen Reihen hat, der bei Sprintankünften stets ein Mann für den Tagessieg ist. Denz: „Max soll ich auch unterstützen. Ich werde also drei Kapitäne haben.“

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Gippingen steht nicht auf Denz‘ Kalender

Nach dem Giro ist für Nico Denz alles möglich: „Entweder bist du platt und brauchst zwei Wochen Pause oder es geht irgendwie weiter.“ Eine Woche nach dem Ende der Italien-Rundfahrt steht die Tour de Suisse und kurz zuvor – am Freitag, 4. Juni – steht der Große Preis des Kantons Aargau in Gippingen auf dem Programm, der übrigens ohne Publikum stattfinden soll. Weder das Gippingen Rennen in seiner Heimat noch die Schweizer Rundfahrt werden wohl ein Thema für ihn sein. Denz: „Die Tour de Suisse ist sehr hart.“

Noch gibt es keine detaillierte Planung für ihn, was die Termine für die restliche Saison angeht. Vieles hängt davon ab, wie er die Torturen und Kletterübungen in den italienischen Alpen bewältigt.

Olympia wird ein Traum bleiben

Sicher ist bisher nur, dass er bei den Deutschen Straßenmeisterschaften vom 18. bis 20. Juni in Stuttgart fahren wird. Am 23. Juli werden die Olympischen Spiele in Tokio beginnen. Denz steht im erweiterten Aufgebot des Bundes Deutscher Radfahrer. „Olympia wäre ein Traum, aber meine Konkurrenz ist sehr stark“, muss er zugeben. Von zwölf Aspiranten im erweiterten Aufgebot werden letztlich nur vier Fahrer für nationalen Olympia-Kader nominiert werden.

Jetzt steht aber erst einmal Italien an, wo sich Denz seit jeher so richtig wohl fühlt. Fast vier Wochen ohne seine Frau und ohne sein fünf Monate altes Töchterchen stehen an. Vermissen wird er auch die zusätzlichen Trainingseinheiten mit seiner Kleinen. „Ich habe mir so einen Radanhänger gekauft. Da setze ich sie rein und dann fahren wir ab und zu mal von Albbruck nach Öflingen und zurück. Das geht ganz schön in die Beine“, schmunzelt er. Training darf manchmal auch so richtig Spaß machen.