Für die einen ist die Freude über eine soeben erst gesunkene Grundsteuer zumindest in Teilen genommen, für die anderen wächst die Sorge, dass sie zum dritten Mal in kurzer Folge eine Erhöhung tragen müssen. Das ist die Lage in Konstanz, nachdem klar wurde, dass die Stadt unerwartet weniger Grundsteuer einnehmen wird als geplant – und die nach wie vor hochumstrittene Reform für die öffentlichen Kassen zum Problemfall wird.
Zumal Konstanz mit der Entwicklung nicht allein dasteht. Nach Angaben der Stadtverwaltung zeichnet sich bei so gut wie allen Städten über 40.000 Einwohner ab, dass sie die geplanten Einnahmen nicht erreichen. Das habe eine Umfrage des Deutschen Städtetags ergeben. Damit verfestigt sich der Eindruck, den viele Experten schon von Anfang an hatten: In der Grundsteuer-Reform steckt der Wurm drin.
Aber wo liegt das Problem, wie gehen die Behörden mit – wie inzwischen bekannt ist – allein für die Stadt Konstanz über 20.000 Einsprüchen um? Und welche Möglichkeiten haben Betroffene?
- An der Art und Weise, wie die Grundsteuer festgesetzt wird, gibt es grundsätzliche Kritik. Hier lautet das Stichwort Verfassungswidrigkeit. Damit werden etwa 90 Prozent der Einsprüche begründet, so das Konstanzer Finanzamt. Vereinfacht gesagt, fußt nach den Regelungen des Landes Baden-Württemberg die Grundsteuer auf dem Wert eines Grundstücks und nicht auf dem Ertrag, der darauf erzielt wird.
Doch dieser von den kommunalen Gutachterausschüssen und in Zonen definierte Wert ist oft hypothetisch, wenn ein Grundstück nicht maximal genutzt wird. Zum Beispiel, wenn auf einer Fläche trotz Baurechts kein Haus errichtet wird, weil der Grundeigentümer es nicht will oder nicht bezahlen kann. Andererseits gehören Besitzer, Pächter oder Mieter von oft höchst rentablen Gewerbegrundstücken zu den größten Gewinnern der Grundsteuerreform, wie auch die Stadt Konstanz bestätigt hat. - Bei vielen Grundstücken ist es strittig, welche Nutzung auf ihnen überhaupt möglich ist. In manchen Bereichen gibt es zwei Bodenrichtwerte, etwa auf Seegrundstücken mit Naturschutzgebiet. Albrecht Zeitler, Chef des Konstanzer Finanzamts, bestätigt, dass seine Behörde verpflichtet ist, hier immer den höheren Wert anzusetzen.
Die Differenz kann enorm sein: Für ein schönes Grundstück kann der Bodenrichtwert leicht über 1000 Euro pro Quadratmeter liegen, für ein Naturschutzgebiet sind es dagegen laut Stadtverwaltung nur drei Euro. Bei einer Fläche von 1000 Quadratmetern kann das für die Stadt einen Einnahmen-Unterschied von über 1500 Euro allein in diesem Einzelfall ausmachen.

- Manche Wohnungsbesitzer sollten für das ganze Haus zahlen und nicht nur für ihren Anteil. Bei der Grundsteuer-Erklärung, die alle Grundstückseigentümer abgeben mussten, gab es im Fall von Mehrfamilienhäusern eine Fehlerquelle, wie das Finanzamt selbst einräumt. So konnte es leicht passieren, dass die Steuerpflichtigen das gesamte Grundstück angaben und nicht nur ihren Anteil.
In der Folge wurde ein Grundstück mehrfach in voller Höhe besteuert. Als Betroffene das gemerkt haben, legten sie Einspruch ein. Wenn sie recht haben, kommen sie damit durch, und die Steuer wird herabgesetzt. „Das ist ein Massenverfahren, und dabei sind im Finanzamt auch Fehler passiert“, räumt Behördenchef Zeitler ein. Die Folge: weniger Geld für die Stadt. - In vielen Fällen muss das Finanzamt mit Schätzungen arbeiten, die jetzt angegriffen werden. Viele Steuerpflichtige haben, so das Finanzamt, gar keine Grundsteuer-Erklärung abgegeben, sodass die Behörde mit einem Schätzwert arbeiten muss. Was dabei herauskommt, stößt bei Betroffenen häufig auf Widerstand. Sie liefern dann Belege, dass die Steuer zu hoch angesetzt ist. Auch hier muss das Finanzamt oft Korrekturen nach unten vornehmen.
- Wie groß die Einnahmelücke bei der Stadt wirklich ist, lässt sich noch gar nicht sagen. Zur Frage, wie viele Einsprüche gegen die Grundsteuer schon bearbeitet sind, gehen die Aussagen zwischen Stadt und Finanzamt auseinander. Dies liegt teilweise auch daran, dass es unterschiedliche Szenarien gibt. So ruhen derzeit alle Einsprüche wegen Verfassungswidrigkeit, während Fragen einer konkreten Grundstücks-Bewertung aktuell abgearbeitet werden.
Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass noch sehr viele Grundstücke herabgestuft werden. Damit ist die Zahl von 600.000 Euro, die aktuell in der Stadtkasse fehlen, allenfalls ein Zwischenstand. Und deshalb ist auch unklar, wie stark die Grundsteuer generell steigen müsste, damit Konstanz wieder auf die 18 Millionen Euro von vor der Reform kommt – ganz zu schweigen von politischen Versuchen, die Steuereinnahmen insgesamt zu erhöhen.

- Für viele Betroffene geht es um sehr viel Geld. Das Thema Grundsteuer bewegt die Menschen auch, weil die Reform eine gewaltige Umverteilung mit sich bringt. Genau das hatte das Bundesverfassungsgericht auch gefordert. Wer in einem Wohnblock lebt, soll weniger zahlen. Wer mit viel Platz um sich herum im Einfamilienhaus wohnt, dagegen deutlich mehr.
Hier war die Steuer nach höchstrichterlichem Urteil bisher zu gering. Oder in anderen Worten: Viele Menschen sind mit dem alten Modell gut gefahren und wollen jetzt nicht schlechter gestellt werden. Hier kann es im Einzelfall auch um tausende Euro pro Jahr gehen – Geld, das die Steuerpflichtigen erst einmal aufbringen müssen. - Wer den Eindruck hat, dass bei der Grundsteuer etwas nicht stimmt, sollte sich ans Finanzamt wenden. Die Grundsteuer wird zwar von der Gemeinde erhoben, die Grundlagen wie die Wert- und Messbescheide schafft aber das Finanzamt. Deshalb ist es auch der erste Ansprechpartner – zumal gegen den vom Gemeinderat festgelegten Hebesatz gar kein Einspruch möglich ist.
Über ein Gutachten – erstellt von einem Sachverständigen oder dem Gutachterausschuss – können Steuerpflichtige auch den Nachweis erbringen, dass in ihrem Einzelfall der Bodenrichtwert niedriger liegt als das, was über die Zonen festgelegt wurde. In bestimmten Fällen können Betroffene auch eine Stundung beantragen – da ist aber dann wieder die Stadtverwaltung zuständig.