Er ist aufgeregt, aber auch „ein bisschen kaputt“. Aufgeregt, weil er in diesen Tagen zum ersten Mal Vater wird und sich darauf natürlich riesig freut. Kaputt, weil er erst in der vergangenen Woche vom Giro zurück in die Heimat nach Albbruck kam. Die 21 Etappen der gut dreiwöchigen Italien-Rundfahrt über insgesamt knapp 3500 Kilometer mit insgesamt sieben Bergankünften und einer hammerharten Schlusswoche in den Alpen hatten am 25. Oktober mit einem Kampf gegen die Uhr in Mailand geendet.

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Dass ihn bei seiner dritten Teilnahme am Giro wieder Strapazen erwarten würden, hatte er gewusst. Zwei Mal hatte der 26-Jährige die große Herausforderung schon in Diensten seines ehemaligen Rennstalls AG2R La Mondiale gemeistert. Auch dieses Mal hatte er bei seinem neuen Team Sunweb die Rolle des Helfers inne. Rackern musste er für seinen niederländischen Kapitän Wilco Kelderman und den australischen Sprinter Michael Matthews.

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Sein 83. Rang in der Gesamtwertung ist für ihn zweitrangig. Auch dass er bei der elften Etappe nach Rimini als Fünfter im Massensprint nur knapp am Podium vorbei fuhr, schmerzt ihn nicht. Wichtiger war, dass gleich zwei Fahrer seines Teams in Mailand aufs Podest kletterten. So wurde der Australier Jai Hindley noch vor Kapitän Kelderman Zweiter. Matthews sorgte für den einzigen „Corona-Unfall“ bei Sunweb und musste beim Giro vorzeitig in die Quarantäne abreisen.

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Apropos Corona: Der Kampf gegen das Virus hatte auch den Radsport in dieser Saison kalt erwischt. Von Mai und Juni war der Giro in den Oktober verlegt worden. Ein kleines Wunder, dass er überhaupt im Corona-Risikoland Italien ohne größere Zwischenfälle zu Ende gefahren wurde.

Das Team: Nico Denz mit seinen Kollegen vom Team Sunweb.
Das Team: Nico Denz mit seinen Kollegen vom Team Sunweb. | Bild: Team Sunweb

Die Sicherheitsvorkehrungen waren natürlich enorm. Das bekam auch Nico Denz am eigenen Leib zu spüren. „Seit Juli hatte ich 30 Corona-Tests. Sechs Tage vor der ersten Etappe des Giro bin ich getestet worden, während des Giro waren es dann 15 oder 16“, erinnert er sich. Vor allem, nachdem Kollege Matthews positiv getestet worden war, ging es zur Sache. Sunweb wurde selbst tätig, organisierte freiwillig zusätzliche Tests. Denz: „Das waren fast täglich PCR-Tests für das gesamte Team. Einer kostet ungefähr 130 Euro. Die Kosten für Sunweb waren enorm.“

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„Es war alles professionell und sicher“, blickt der Albbrucker Radprofi zurück. Sicher, aber mühsam. Das ging für Nico Denz schon vor dem Giro-Auftakt los. Beim Flug von Zürich nach Palermo auf Sizilien, wo die erste Etappe gestartet wurde, ging es richtig zur Sache. Weil in der Schweiz die Corona-Infektionszahlen dramatisch in die Höhe geschnellt waren, ließen die italienischen Behörden bei allen Passagieren des Fliegers Schnelltests durchführen. „Ohne ein negatives Ergebnis durfte keiner raus aus dem Flughafen“, so Denz.

Nico Denz (26) begann mit dem Radsport beim VBC Waldshut-Tiengen. Aufgewachsen ist er in Weilheim-Remetschwiel. Nach dem Abitur am ...
Nico Denz (26) begann mit dem Radsport beim VBC Waldshut-Tiengen. Aufgewachsen ist er in Weilheim-Remetschwiel. Nach dem Abitur am Waldshuter Hochrhein-Gymnasium zog er 2013 um nach Frankreich, wo er in Grenoble studierte und sich dem Nachwuchsteam von Ag2r La Mondiale anschloss. 2015 unterschrieb er bei dem World-Tour-Team einen Profivertrag. Beim Giro d‘Italia verpasste er 2018 als Zweiter hauchdünn einen Etappensieg, wurde im selben Jahr trotz Sturz EM-Zweiter und kam bei der Tour de Vendée zu seinem ersten Sieg als Profi. Seit dieser Saison fährt er für das deutsch-niederländische Team Sunweb, für das er bei der Slowakei-Rundfahrt den ersten Sieg einfuhr. Seit einem Jahr ist Nico Denz verheiratet und wohnt mit seiner Frau Janin in Albbruck. | Bild: Vincent Riemersma

Während der Rundfahrt waren Fahrer und Zuschauer strikt getrennt. Die sogenannte Blase, in der sich die Profis bewegten, habe sehr gut funktioniert. „Vor allem bei Start und Ziel ist das ja immer kritisch. Mit Maske und Abstand war das kein Problem“, so Denz. Und nach dem Giro ging es nicht mit dem Flugzeug nach Hause. Der Flug von Mailand nach Zürich war vorzeitig gestrichen worden. Denz: „Von Mailand bin ich dann mit einem Auto unseres Teams nach Hause gefahren worden. So weit ist das ja auch nicht.“

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Nach dem Giro hatte Nico Denz erst einmal sein Rennrad zu Hause eingeschlossen. „Da steht es im Schuppen“, sagt er. Noch in dieser Woche wird er es aber wieder rausholen, um in heimatlichen Gefilden seine Trainingsrunden zu drehen. „Wir haben zur Vorbereitung der neuen Saison die ersten Online-Meetings mit dem Team“, sagt er. Normalerweise würde es schon im Dezember mit einem Trainingslager in Spanien los gehen. „Ob es stattfinden kann? Denz ist skeptisch: „Es sieht zur Zeit nicht danach aus.“

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Auch wenn er seine erste Saison bei seinem neuen deutsch-niederländischen Rennstall unter der Rubrik „positiv“ verbucht hat und sich auf die zweite im kommen Jahr riesig freut, da er einen Zweijahresvertrag bei Sunweb hat, will er sich nichts vormachen. „2021 wird es wieder eine Corona-Saison geben. Der Rennkalender kommt bald raus. Es wird Absagen, verspätete Termine und Einschränkungen geben“, ist er sicher.

Das Trikot sitzt: Nico Denz beim Giro d‘Italia.
Das Trikot sitzt: Nico Denz beim Giro d‘Italia. | Bild: Cor Vos

Die erste Absage ist schon perfekt. Die „Tour Down Under„ durch Australien im Januar wird es nicht geben. Der Albbrucker ist sie schon einmal gefahren, schwärmt noch immer vom fünften Kontinent: „Da hatten wir auch mal zum Zeit für einen Stadtbummel wie in Adelaide. Normalerweise haben wir kaum Gelegenheit, etwas privat zu unternehmen.“ Pläne für eine Hotel-Quarantäne hatte es schon gegeben, doch dann haben die australischen Behörden dicht gemacht. Keine Flüge – keine Tour Down Under. So brutal ist das in Zeiten von Corona.

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Nico Denz lässt sich nicht entmutigen. Er bleibt positiv. In Sachen Radsport und auch zu Hause, wo der frisch gebackene Familienvater die freie Zeit mit Frau und erstem Kind so richtig genießen wird.