Radsport: 56 Jahre lang fuhr Uli Rottler Radrennen auf höchstem Niveau. Bei den unzähligen Einsätzen kam der ehemalige deutsche Bergmeister, Träger des Nationaltrikots sowie mehrfacher Seniorenwelt- und Europameister, bei den knochenharten Positionskämpfen nahezu ungeschoren davon.
„Klar, habe ich mir bei den zahlreichen Stürzen mal die Hand gebrochen, die Schulter lädiert, Rippen geprellt und manche Gehirnerschütterung erlitten. Aber ich war nie wirklich ernsthaft verletzt und hatte immer das nötige Quäntchen Glück“, blickt der Radsportler der RC Villingen auf seine aktive Zeit zurück.
Rottler knallte ins Absperrgitter
Am 8. Juli vergangenen Jahres aber muss Rottlers Schutzengel einen Augenblick nicht aufgepasst haben. Bei einem Masters-Rennen im pfälzischen Neupotz über 70 Kilometer lag der Schwarzwälder in der letzten Kurve vor der 300 Meter langen Zielgeraden als Dritter an aussichtsreicher Position, als das Unheil seinen Lauf nahm. Ein Fahrer aus der Spitzengruppe hatte in der engen Kurve augenscheinlich die Kontrolle über seine Rennmaschine verloren und Rottlers Hinterrad touchiert.
Sekundenbruchteile später knallte der Villinger mit voller Wucht in die Absperrgitter. „Plötzlich tat es einen gewaltigen Schlag. Ich hatte keine Chance zu reagieren, und sofort brutale Schmerzen. Ich lag im Gitter und kriegte keine Luft mehr. Auch mein Helm war kaputt“, erinnert sich der Gestürzte an den Crash.
Keinen Vorwurf an den Konkurrenten
Einen Vorwurf will Rottler seinem Kontrahenten, der sich mit einem lapidaren „tut mir leid“ vom Ort des Geschehens verabschiedete, auch heute nicht machen. „Das war ein normaler Rennunfall und keine Absicht. Es ist eben blöd gelaufen. Er ist einfach zu schnell in die Kurve, der Klassiker bei solchen Situationen kurz vor dem Ziel.“ Gesehen haben sich die beiden seither nicht mehr, auch seinen Namen kennt Rottler nicht.
Noch am selben Tag wurde der Villinger in ein Krankenhaus in der Nähe von Neupotz eingeliefert – und kurze Zeit später wieder fortgeschickt. „Man hat mir gesagt, ich hätte lediglich eine schwere Rückenprellung“, erinnert sich Rottler. Mit diesem Bescheid wollte er sich allerdings nicht zufrieden geben. „Ich wusste, da stimmt etwas nicht.“
Also ließ er sich von seinem Sohn nach Hause fahren und konsultierte zwei Tage später einen Arzt seines Vertrauens im Offenburger Klinikum. Die Diagnose, die der 69-Jährige dort erhielt, war niederschmetternd: zehn gebrochene Rückenwirbel. „Nach der Operation hatte ich reichlich Metall im Körper“, lacht Rottler. Zehn große Titanschrauben und zwei lange Stangen, um den Rücken zu stabilisieren.
Er musste wieder das Laufen lernen
Doch ein Kämpfer wie Uli Rottler lässt sich selbst von zehn Titanschrauben nicht in die Knie zwingen. Unmittelbar nach der OP begann er mit der Reha. Was folgte, waren die ersten Schritte nach dem Unfall. „Ich musste erst wieder laufen lernen, zuerst an Krücken, dann mit dem Rollator. Das war eine harte Zeit, ich konnte noch nicht mal selbst die Zähne putzen.“ Hadern will er mit dieser schwierigen Zeit nicht, im Gegenteil. „Ich hatte Glück im Unglück und hätte auch im Rollstuhl landen können.“
Wieder zu Hause in Villingen, setzte Rottler sein Aufbauprogramm ambulant im Bad Dürrheimer Solemar fort. „Ich habe täglich vier bis sechs Stunden bei der Physiotherapie und im Wasser geschuftet“, beschreibt er sein Pensum. Im vergangenen November bezog der Altmeister sein Winterdomizil in Spanien, eine hübsche Finca in Katalonien. Dort baute der Rekonvaleszent ein Rad nach seinen Bedürfnissen um und drehte die ersten Runden – mit all den Schrauben und Stangen im Rücken.
So schnell wie möglich fit werden
Vor einem Monat hatte die metallene Zeit ein Ende. „Am 10. März wurden in Offenburg die Schrauben samt Stangen wieder entfernt“, sagt Rottler und blickt nun einer hoffentlich unbeschwerten Zeit entgegen. Er will so schnell wie möglich 100-prozentig fit werden und seinem geliebten Hobby frönen. „Für mich war es nie ein Thema, dass ich nach dem schweren Sturz mein Rad an den Nagel hängen würde. Radsport ist mein Leben und wird es immer bleiben.“
Rennen, das hat sich Rottler jedoch fest vorgenommen, Rennen will er künftig nicht mehr bestreiten. „Die Zeit der Wettkämpfe ist für mich nach dem Sturz endgültig vorbei. Ich fahre nur noch zum Spaß mit meinen Kumpels und Kollegen.“ Eine gewisse Fitness setzte der ehemalige Elite-Amateur bei seinen Weggefährten jedoch voraus: „150 Kilometer am Tag sind für mich normal.“ Mit weniger gibt sich ein Uli Rottler, der am 18. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, auch nach dem Mega-Crash nicht zufrieden.