Herr Breinlinger, hat es lange gedauert, bis Sie persönlich die Eindrücke aus der vergangenen Saison verarbeitet hatten?
Steffen Breinlinger: Ich bin sehr demütig und überaus dankbar, Trainer dieses traditionsreichen Vereins sein zu dürfen. Quasi von einer Sekunde auf die andere bestimmten vollkommen neue Aufgaben, Einflüsse und Abläufe meinen Alltag. Dazu hatte ich den besonderen Antrieb, das Bestmögliche aus der Restsaison rauszuholen und Mannschaft wie Verein sportlich voranzubringen, obwohl wir schon abgeschlagen am Tabellenende standen. Das Vorhaben, eine Kehrtwende einzuleiten und daraus positive Entwicklungsschritte zu etablieren, kostete immens viel Energie und Zeit. Das Geschehene zu realisieren und zu verarbeiten, war aufgrund der terminlichen Dichte erst im Nachgang vollumfänglich möglich und brauchte seine Zeit.
Gab es eine Zeit, in der Fußball für Sie überhaupt keine Rolle spielte und Sie komplett abschalten konnten?
Breinlinger: Ja, die braucht es. Zu reflektieren und in den Überlegungen neue Wege zu gehen, ist das eine. Auf der anderen Seite ist es unheimlich wichtig, den Fokus etwas vom Fußball wegzunehmen und auf andere Dinge zu lenken, für die sonst leider zu wenig Zeit bleibt. Dies sind die Familie, alltägliche Dinge, aber auch Momente für einen selbst, um wieder zu sich zu finden. Die Balance aus allem war schon da und tat unheimlich gut.
Nun sind die ersten Trainingseinheiten absolviert. Sind Sie zufrieden?
Breinlinger: Zunächst einmal war ich froh, als es wieder losging. Eine zu lange Pause ist schließlich nicht gut. Die ersten Einheiten waren schon geprägt von hoher Intensität, großer Begeisterung bei jedem einzelnen Spieler und einer guten Stimmung im Team. Deshalb bin ich sehr zufrieden.
Gab es neben den üblichen Hausaufgaben in Sachen Fitness weitere Vorgaben an die Spieler?
Breinlinger: Vorgabe ist das falsche Wort. Ich habe Bögen mit insgesamt 22 Fragen an die Spieler ausgeteilt, welche sie anonymisiert beantworten sollten, um daraus Rückschlüsse auf fußballrelevante Inhalte ziehen zu können. Die Fragen bezogen sich auf Trainings- und Spielinhalte sowie persönliche Abfragungen zum Trainerteam und den Mitspielern. Die Ergebnisse zeichneten also ein komplexes Gebilde ab.
Der Kader des FC 08 ist – verglichen mit so manchem Konkurrenten – quantitativ doch relativ dünn besetzt. Macht Ihnen dies Sorgen?
Breinlinger: Überhaupt nicht. Vordergründig mag es den Anschein haben, dass in Sachen Verletzungen nicht viel passieren darf. Doch haben sowohl Trainings-Gestaltung, als auch Belastungs-Steuerung darauf große Auswirkungen. Deshalb ist es unser Job als Coaches, hier das richtige Maß zu finden. Idealerweise verteilen sich die Einsatzzeiten auf alle Schultern. Außerdem haben wir einen Kader zusammengestellt, in dem jeder Spieler die Möglichkeit hat, erste Elf zu spielen. Er ist nicht nur Lückenfüller, sondern gleichwertiges Mitglied des Teams. Als Mensch und als Spieler. Deshalb sehe ich unseren Kader keineswegs als zu dünn an. Das zeigt vielmehr jedem Einzelnen seine eigene Wichtigkeit auf.
Bitte ein kurzes Wort zu den Neuzugängen – sowohl zu den ex-, als auch zu den internen.
Breinlinger: Fangen wir mit Fabio Pfeifhofer und Kevin Müller an. Sie sind sowohl sportlich, als auch menschlich genau die Spieler, die wir haben wollten. Ihre Art, Fußball zu denken, wird uns extrem weiterhelfen. Charakterlich werden sie das Gemeinschaftsgefühl bei uns nochmals auf ein anderes Niveau bringen. Jonathan und Yannick Spät sowie Kevin Hezel aus unserer U21 tragen schon seit vielen Jahren die 08-DNA in sich, haben große Verdienste um den Verein und wir sind total glücklich, dass wir sie haben und dadurch auch die Durchlässigkeit dokumentieren können. Sie haben uns schon in der vergangenen Saison in der Regionalliga gewinnbringend vorangebracht. Bei den jungen Spielern Maxi Rudy, Arian Bojaj und Matthes Glück ist es so, dass sie sich an den Unterschied zwischen Nachwuchs- und Aktiven-Fußball anpassen müssen. Doch diese Herausforderung nehmen sie mit einer großen Leidenschaft und Wissbegierde an, lassen ihr letztes Hemd auf dem Platz und tragen ihren wichtigen Anteil zur Entwicklung der Mannschaft bei.
Ist etwas geplant, um daraus eine eingeschworene Gemeinschaft zu machen?
Breinlinger: Ich denke, dass wir dies in jedem Training und jedem Spiel leben müssen. Natürlich werden wir auch Events machen und Gelegenheiten bieten, dass die Spieler zusätzliche Zeit außerhalb vom Fußball miteinander verbringen können. Es darf jedoch keine leere Hülse bleiben, die Wichtigkeit jeder einzelnen Person an allen Tagen wertzuschätzen und dies auch zu zeigen. Dies halte ich für sehr viel zielführender.
Apropos Gegner. Haben Sie sich bereits ausführlich mit denen beschäftigt?
Breinlinger: Zunächst einmal war ich schon immer ein Trainer – und dies ist überhaupt nicht despektierlich den anderen Mannschaften gegenüber gemeint – der mehr auf die Forcierung der eigenen Stärken geschaut hat. Aber natürlich verschließen wir nicht die Augen davor, was um uns herum passiert.
Haben Sie dennoch einen Favoriten ausgemacht?
Breinlinger: Ich glaube, dass an Aalen, Mannheim und Mitabsteiger Göppingen kein Weg vorbeiführen wird. Potentiell wird es aber mehrere Mannschaften geben, die für einen Spitzenplatz infrage kommen. Natürlich haben auch wir den Anspruch, uns erstens weiterzuentwickeln und zweitens eine sehr gute Rolle zu spielen und uns in der Spitzengruppe zu etablieren.
Eine ähnliche Dominanz wie zuletzt von Großaspach wird es also nicht geben?
Breinlinger: Nein, das denke ich nicht. Die Oberliga wird sehr viel ausgeglichener sein, als in der vergangenen Saison. Damit meine ich: ausgeglichen stark.
Gerade die beiden vergangenen Runden haben gezeigt, dass die Unterschiede zwischen Ober- und Regionalliga – sportlich und wirtschaftlich – doch immens sind. Wie kann sich das über kurz oder lang ändern?
Breinlinger: Eben aus dem Grund, da die Oberliga stärker wird. Dennoch wird es auch weiterhin ein gewaltiger Sprung bleiben, allein aufgrund der Professionalisierung in der Regionalliga.
Gegen Ende der vergangenen Saison kam das Umsetzen Ihrer Spielidee mehr und mehr zum Tragen und der FC 08 konnte sich mit zwei Siegen aus der Regionalliga verabschieden. Haben Sie eine besonders intelligente oder eine extrem lernfähige Mannschaft?
Breinlinger: In allererster Linie habe ich eine extrem willige Mannschaft, dies gilt für damals ebenso wie aktuell. Dennoch werden wir uns auch in der Oberliga in jedem Spiel strecken müssen, um erfolgreich zu sein. Was nur gemeinsam gelingen kann. Schaffen wir es kontinuierlich, unseren Fußabdruck zu hinterlassen, bin ich überzeugt davon, dass wir einen sehr dynamischen und leidenschaftlichen Fußball zeigen werden.
Durch den auch die Zuschauer wieder mehr mitgenommen werden?
Breinlinger: Dies zum einen. Zum anderen denke ich aber auch, dass für die Zuschauer der regionale Aspekt eine Rolle spielt. Wenn sie einen Spieler auf dem Platz sehen, den sie seit Jahren kennen und der für den Verein sein Letztes gibt, werden sie dies honorieren. Da bin ich mir sicher.