Dass Auswanderer einen engen Kontakt zu ihrem früheren Heimatland pflegen, ist nicht ungewöhnlich. Bei kaum einer anderen Volksgruppe ist dieser Kontakt aber wohl so systematisch und wird auch vom Ursprungsland so intensiv gefördert wie bei der Schweiz. Die Vereinigungen der so genannten Auslandschweizer, die es auch entlang des Hochrheins gibt und die eine lange Tradition haben, sind dafür nur ein Beispiel.
Doch die Sorge der Schweiz um das Wohlergehen der ausgewanderten Eidgenossen geht noch viel weiter. So wird den Auswanderern sogar eine politische Mitsprache ermöglicht – in Form des Auslandschweizerrats (ASR). In Kürze sind die Auslandschweizer aufgerufen, das Gremium neu zu wählen. Wir sprachen mit Florian Schmid, selbst Kandidat für den Auslandschweizerrat, über das Gremium und dessen Arbeit – und warum man als Schweizer die Verbindung in die alte Heimat nie ganz missen möchte.
Schweizer Auswanderer generell gut organisiert
Laut offiziellen Daten es Schweizer Außenministeriums leben 10 Prozent aller Schweizer im Ausland: „Die Schweizer Diaspora ist über alle Kontinente verteilt. Sie ist mehrsprachig, multikulturell und bildet ein Mosaik, das zur Strahlkraft der Schweiz im Ausland beiträgt.“ In der EU leben etwa eine halbe Million Auslandschweizer. In Deutschland seien es 100.000 – „ein nicht unwesentlicher Teil davon ist im Südwesten zu Hause wie ich“, schildert Florian Schmid, Präsident der Gesellschaft zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit (GFGZ).

Wo Schweizer leben, haben sie sich in aller Regel in Vereinsstrukturen organisiert, um untereinander in Kontakt zu bleiben, sich über Themen auf dem Laufenden zu halten und bei Schwierigkeiten zu unterstützen. 45 Vereine solche Vereine gibt es allein in Deutschland. Diese sind alle unter dem Dach der Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.
Seit 1989 haben die Auslandschweizer mit dem Auslandschweizerrat (ASR) aber gewissermaßen auch einen politischen Arm in der alten Heimat. Das Gremium, das auch als „Parlament der Fünften Schweiz“ bezeichnet wird, soll dazu beitragen, die Rechte und Bedürfnisse der Auslandschweizer in der Schweiz zu sichern.
Was hat es mit dem Auslandschweizerrat auf sich?
Der ASR setzt sich aus 140 Mitgliedern zusammen, von denen 20 in der Schweiz wohnhaft sind. Zwei Sitze sind für jugendliche Auslandschweizer reserviert. Die Mitglieder des ASR sind für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Die nächste Wahl steht in wenigen Tagen an: vom 11. April bis 11. Mai sind die Auslandschweizer aufgerufen, das Gremium neu zu besetzen. Erstmals dürfen dabei alle Wahlberechtigten direkt abstimmen, bisher erfolgte die Wahl durch Delegierte.
„Der ASR ist das Verbindungsglied zwischen den Schweizern im Ausland und dem Heimatland“, bringt es Schmid auf den Punkt. Die Arbeit und Struktur des Gremiums ist durchaus mit einem Parlament vergleichbar. Mehrmals jährlich treffen sich die Mitglieder zu Sitzungen, bei denen wichtige Themen erörtert werden. Es gibt aber auch jährliche Sitzungen in Bern. Die Tätigkeit im ASR ist weitgehend ehrenamtlich. Es gibt lediglich ein Sitzungsgeld in Höhe von 100 Franken, für Mitglieder aus Übersee liegt der Satz bei 400 Franken.
Welche Aufgaben hat der ASR?
Unterschiede zu einem Parlament gibt es derweil bei den Kompetenzen. Der ASR vertritt laut eigener Darstellung „aktiv die Interessen der Auslandschweizer gegenüber den Behörden und der Öffentlichkeit in der Schweiz“. Zudem wird der ASR bei Gesetzgebungsverfahren gehört, kann Stellungnahmen zu Parlamentsentscheidungen abgeben, Empfehlungen zu Abstimmungen herausgeben und Themen in der Schweizer Öffentlichkeit platzieren, die im Ausland lebende Eidgenossen betreffen. Lediglich eine eigene Gesetzgebungskompetenz besitzt das Gremium nicht.
Wichtige Aufgabe der Mitglieder ist zudem, den Informationsfluss zu den Schweizervereinen zu gewährleisten und die Vernetzung der Schweizer Gemeinschaft im Ausland zu fördern.
Was macht den Reiz des Engagements aus?
Auch Florian Schmid stellt sich erstmals zur Wahl für den ASR. Er selbst lebt seit vielen Jahren in Lottstetten, unweit der Schweizer Grenze, sei aber beruflich wie privat ein „Wandler zwischen beiden Welten“, wie er es nennt. Entsprechend wolle er im Falle seiner Wahl vor allem als Brückenbauer zwischen diesen beiden Welten fungieren.
Die Beziehung zwischen Deutschland und der Schweiz beurteilt er als „eng und positiv besetzt, zumindest auf politischer und wirtschaftlicher Ebene“. Auch auf zwischenmenschlicher Ebene stärker daran anzuknüpfen sei eines seiner Ziele. Denn: „Trotz der gemeinsamen Sprache braucht es im Alltag an verschiedenen Stellen eine Übersetzungshilfe, um die Verständigung zu erleichtern.“
Auslandschweizer – Türöffner für andere Migranten?
Dass Schweizer im Grunde weltweit zu den privilegierten Migranten gehören, dass sie gewöhnlich mit wenig Vorbehalten konfrontiert seien und auch große Freiheiten genießen, dessen ist auch Schmid sich bewusst. Bestes Beispiel sei, dass es sich bei drei der 45 Schweizervereine in Deutschland um Schützenvereine handle. „Allein das zeigt sehr deutlich, welchen Stellenwert wir Schweizer in der deutschen Gesellschaft genießen. Denn die Gründung eines Schützenvereins würde man hierzulande kaum einer anderen Migrantengruppe zugestehen“, ist Schmid überzeugt.
Als Teil seiner Arbeit sieht er es daher auch, daran mitzuwirken, einen unbefangeneren Blick aufs Thema Migration als Ganzes zu entwickeln. „Deutschland wie auch die Schweiz sind in vielen Bereichen auf Zuwanderung angewiesen, damit es funktioniert“, sagt er. Umso wichtiger sei es, dass Ankömmlinge einen reibungslosen Start in der jeweils neuen Gesellschaft haben können. Das wäre nach Schmids Vorstellung am Ende für alle von Vorteil – nicht nur für die Auslandschweizer, sondern auch für Ankömmlinge aus anderen Ländern wie auch die einheimische Gesellschaft.