„Es waren Männer, die Chaos verursachten, und Frauen, die es aufräumen und den Schlamassel ausbaden durften.“ Eine kesse Aussage. Wer das behauptet? Nein, keine Frau, sondern Pius Breitenmoser, Gästeführer im Napoleonmuseum auf dem Schweizerischen Arenenberg. Er hat eingehend recherchiert und stellt in einer neuen Führung die „starken Frauen auf Arenenberg“ vor, wobei nicht nur die blaublütigen Damen im Vordergrund stehen.
Nicht mit der Familie de Beauharnais fängt Pius Breitenmoser an, sondern mit Appolonia Humpis (circa 1460 bis 1505). „Sie ist die erste starke Frau auf dem Narrenberg, wie der Arenenberg früher genannt wurde“, sagt Pius Breitenmoser. „Sie wurde in Ravensburg geboren, stammte aus einer wohlhabenden Leinweber- und Tuchhändlerfamilie und war für ihre Zeit eine sehr emanzipierte, starke und selbstbestimmte Frau“, schildert der Gästeführer.
Geschäftsfrau heiratet einen Konstanzer
Appolonia habe erfolgreich als Einkäuferin im Familienunternehmen gearbeitet. Nicht nur das: „Sie heiratete auf eigene Wahl. Sie hat sich ihren Mann selbst ausgesucht“, betont Breitenmoser. Das war damals alles andere als üblich. Und wen? „Einen Konstanzer, den nicht weniger wohlhabenden Carlin Brysacher“, erzählt er. Und eben dieser Konstanzer Familie habe seit 1445 der Arenenberg gehört. Als Carlin starb, habe Appolonia das Unternehmen in eigener Verantwortung weitergeführt. Eine taffe Geschäftsfrau also. „Für die damalige Zeit war das sehr ungewöhnlich“, stellt Breitenmoser fest.
Napoleons Stieftochter: Eine taffe Frau
Dann kommt der Gästeführer auf die Familie de Beauharnais zu sprechen. Viel gäbe es zu sagen, aber jetzt wird eine Person in den Vordergrund gestellt: Hortense, geboren 1783. „Nachdem ihre Mutter in zweiter Ehe Napoleon Bonaparte heiratete, wurde sie von diesem adoptiert und – um die Thronfolge zu sichern – mit Napoleons Bruder Louis verheiratet“, erzählt Breitenmoser. Louis wurde 1806 zum König von Holland ernannt, womit Hortense zur Königin wurde.

Glück hatte Hortense nicht. „Die Ehe war toxisch“, so Breitenmoser, der Louis als „Miesepeter, Choleriker und eifersüchtigen Mann“ charakterisiert. Sie trennte sich im Jahr 1810 von ihm und „kehrte als lustige Witwe nach Paris zurück“.
Das Verhältnis zu ihrem Schwager und Stiefvater Napoleon Bonaparte hingegen sei äußerst gut gewesen. Und genau das gereichte Hortense letztlich zum Nachteil. Nach der verlorenen Schlacht bei Waterloo wurde sie – wie auch die übrigen Angehörigen der Familie Bonaparte – aus Frankreich ausgewiesen.
Hortense baut sich eine Zukunft auf
„Sie musste von null auf hundert. Sie hatte nicht viel Zeit“, merkt Pius Breitenmoser an. Schnell musste sie ihre Sachen packen und dann ging es mit ihrem Hofstaat auf „eine fünfmonatige, beschwerliche Reise, wobei sie viele Schmähungen erdulden musste“. Bis nach Konstanz, schildert der Gästeführer. Von einer herzlichen Aufnahme konnte überdies nicht die Rede sein. Doch der neu gegründete Kanton Thurgau habe ihr letztlich erlaubt, sich dort niederzulassen. Sie erwarb den Arenenberg.
Docxh Luxus erwartete sie dort nicht. „Die Liegenschaft glich eher einer schlecht erhaltenen Burg“, erklärt Breitenmoser die Umstände. Und was machte Hortense? „Sie ließ Mauern und Türme abbrechen, das Haus aushöhlen und neu konzipieren, ein Heizungssystem einbauen“, gibt er Beispiele. Im Prinzip agierte die Hausherrin auch als Architektin und Bauherrin.
Bauherrin und Komponistin
Künstlerisch begabt war Hortense ebenfalls. Sie spielte mehrere Instrumente. Und nicht nur das. „Sie komponierte mehr als 240 Lieder“, sagt Breitenmoser mit Hochachtung und fügt an: „Ein Lied, „Partant pour la Syrie“, war zeitweise sogar französische Nationalhymne.“
Was fasziniert Pius Breitenmoser so an Hortense? Er fasst kurz und knapp ihre Vita wie folgt zusammen: „Sie hat viel erlebt. Als Kleinkind bei einem Brand fast ums Leben gekommen, der Vater hingerichtet, die Mutter im Gefängnis, ein Attentat auf ihren Stiefvater, bei dem sie dabei war, eine gescheiterte Ehe, ein Kind früh verloren, letztlich die Verbannung aus der Heimat und eine ungewisse Zukunft.“ Doch sie hat nicht resigniert, sondern ihr Schicksal in die Hand genommen und ihre Zukunft selbst gestaltet. Eine starke Frau, so wie viele andere, von denen Pius Breitenmoser berichten kann.