
Wer heute durch Konstanz schlendert, begegnet irgendwann Plätzen und Orten, an denen schon Napoleon III, letzter Kaiser Frankreichs und Neffe Napoleon Bonapartes, als Kind, Jugendlicher oder Erwachsener seine Zeit verbrachte. Der Geist Napoleons schwebt nach wie vor durch die engen Gassen oder entlang der heutigen Seestraße.
Die Bilder in diesem Artikel sind eine Auswahl von Orten, die das Rosgartenmuseum mit Museumschef Tobias Engelsing vor einigen Jahren im Buch „Napoleon III., der Kaiser vom Bodensee“ zusammengetragen hat.
Der junge Napoleon III
Als siebenjähriger Bub floh Prinz Louis Napoleon Bonaparte, also Napoleon III, nach dem Sturz Napoleon Bonapartes 1815 mit seiner Mutter Hortense de Beauharnais, Ex-Königin von Holland, aus Frankreich über die Schweiz ins Exil an den Bodensee. In der alten Reichsstadt Konstanz bezog der kleine bonapartistische Hofstaat mehrere repräsentative Güter und Stadtpalais – unter anderem auch das Vorgänger-Gebäude von Schloss Seeheim zwischen der heutigen Bodenseetherme und dem Hörnle.

Konstanz war damals nicht mehr als ein kleines Provinzstädtchen von 4500 Einwohnern, vom mittelalterlichen Glanz zu Konzilzeiten war wenig übrig.
Zwei Jahre später kaufte Hortense das idyllisch gelegene Schloss Arenenberg am Schweizer Ufer – wo heute das Napoleon-Museum steht.

Nachfahren des Kaisers leben heute noch in Konstanz
Napoleon III galt auch als ein Liebling der Frauenwelt. Von seinen Abenteuern stammen noch einige in Konstanz und Umgebung lebende Personen ab – so zum Beispiel die Familie Fretz vom gleichnamigen Möbelhaus. Der Draufgänger und Schürzenjäger besuchte Sommerfeste und Fasnachtsbälle und war regelmäßig im Stadttheater zugegen.

Warum wählte der Hofstaat Konstanz aus?
„Die Stadt gehörte seit 1806 durch die Neuorganisation Bonapartes nicht mehr zu Vorderösterreich, sondern zu Baden“, erklärt Christina Egli, die seit 2002 die Sammlungen des Napoleon-Museums in Schloss Arenenberg betreut. „Die Großherzogin Stefanie von Baden war eine Cousine von Hortense, der Mutter von Napoleon III.“

Darüber hinaus lebte ihr Bruder, Eugen Herzog von Leuchtenberg und Fürst von Eichstätt, in München und sie war mit der Unternehmerfamilie Macaire befreundet, die ursprünglich aus Frankreich stammte und das Vermögen der Familie verwaltet haben soll.
Außerdem war Hortense mit Karl Theodor von Dalberg, Erzbischoff des Bistums Konstanz, befreundet. „Es lag also auf der Hand, dass sie hierher kamen“, so Christina Egli.
Als der Tross in Konstanz ankam, wurde eine Wohnung im Goldenen Adler bezogen.

In dem Gebäude an der Markstätte war später die Commerzbank beheimatet. Auf dem Dach prangt heute noch ein Goldener Adler – ein späteres Geschenk Napoleons an Wirt Ferdinand Mayer. Der Adler blickt übrigens in Richtung Arenenberg.

„Hier blieben sie ein paar Monate, bis Hortense ein Haus in Petershausen anmietete“, berichtet Christina Egli. Das Zumstein‘sche Gut stand auf dem heutigen Büdingen Areal, brannte 1894 jedoch ab. Opfer der Flammen wurde auch eine erhebliche Kunstsammlung des Bankiers Wilhelm Brandes.
Das Ufer des Sees wurde zum Spielplatz des Louis Napoleon. Hier kam er mit Konstanzer Buben zusammen.
Einer von ihnen war der spätere Arzt, Archivar, Historiker und Heimatforscher Johann Marmor. Er hielt seine Erfahrungen mit dem späteren Kaiser schriftlich in mehreren Aufsätzen fest.
„Unter meinen Gespielen fand sich einer, welcher jetzt, wie man zu sagen pflegt, die Geschicke der Welt in seinen Händen hat – der Kaiser Napoleon III.
Für die Stadt Konstanz war das Verweilen einer Exkönigin ein wirkliches Ereignis, das ihre Bewohner mit einem gewissen Stolz erfüllte. Schon vom materialen Standpunkte aus war der kleine Hof geeignet, der verarmten Stadt manche bisher unbekannte Vorteile zu bieten; die Leutseligkeit der Königin, verbunden mit der größten Freigebigkeit gegen Arme und Hilfsbedürftige, tat das Übrige, um ihr die Herzen zu gewinnen und ihre allgemeine Liebe und Hochachtung zu gewinnen.
An Platz zu allen möglichen Knabenspielen fehlte es in und außer des Hauses nicht. War es gutes Wetter, so jagten wir uns im ganzen Gut umher; bei Regenwetter rumorten wir in den Zimmern des Prinzen und auf dem Gange herum und verführten oft einen so höllischen Lärm, dass es mich schon damals wunderte, dass man uns so frei gewähren ließ. Nur, wenn die Königin unwohl war, wurden wir aus ihrer Nähe verbannt.
Von allen Spielen gefielen dem Prinzen diejenigen am besten, welche mit tüchtiugenLeibesübungen verbunden waren und etwas kriegerisches an sich hatten. Wir folgten daher, wie jetzt noch Millionen, dem äußerst melodischen Klange der Trommel, welche unser hoher Kamerad selbst meisterlich bearbeitete, während er zugleich noch nebenher seine Arme als Officiercommandirte.„
(Aus den Erinnerungen von Johann Marmor)
Einmal, so berichtet Johann Marmor, machte er sich auf den Weg ins Zumstein‘sche Gut, um dort seinen Kamerad Lous Napoleon aufzusuchen. Der Besitzer des Anwesens sah den kleinen Jungen und wollte ihn wegschicken, als Hortense dazukam und den Konstanzer Bub schließlich ins Haus ließ.
„Das war für die damalige Zeit außergewöhnlich“, so Christina Egli. Der Sohn des Müllers von Konstanz durfte ganz offiziell mit dem Neffen Napoleon Bonapartes spielen, „das zeigt, was das für Menschen waren und wie wohl sie sich in Konstanz gefühlt haben“.
Schießübungen in Richtung Reichenau
Als Louis Napoleon später auf Schloss Arenenberg wohnte, wollte er an seinen militärischen Fähigkeiten feilen. In der traditionsreichen Konstanzer Glockengießerei Rosenlächer neben der Lutherkirche ließ er drei Kanonen gießen. Die Gießerei stand in der Oberen Laube, dort, wo heute die Volksbank beheimatet ist.

Eine der Kanonen davon ging bei einem Testlauf in die Luft und sorgte für einen Rußregen über der Stadt.
„Das war Napoleon total unangenehm, weswegen er ein paar Wochen nicht mehr nach Konstanz kam“, so Christina Egli. Mit den beiden verbliebenen Kanonen betreibt Napoleon Schießübungen von seiner Terrasse in Arenenberg aus in Richtung Reichenau. Zuvor schaltete er in der Konstanzer Politischen Zeitung eine Anzeige mit der Bitte an die Reichenauer Fischer „bitte um diese Uhrzeit nicht mit dem Schiff auf den See zu gehen“.

Der Lebemann kehrte gern in Konstanzer Gasthäusern ein
Wenn er Lust auf einen Krug Wein und interessante Gespräche hatte, was der Legende nach öfter vorgekommen sein soll, dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt die paar Kilometer nach Konstanz.
„Das Gasthaus Sonne in der Hussenstraße war seine Stammkneipe“, berichtet Christina Egli. „Sein Sozialleben zu seiner Zeit am Bodensee spielte sich in Konstanz ab. Er lernte hier auch deutsch, weswegen er Konschtanzerisch g‘schwätzt hat.“

Weitere Orte in Konstanz, die mit Napoleon verbunden sind:







Napoleons Leben nach Konstanz
Die Schulzeit verbrachte Louis Napoleon in Augsburg. Später diente er als Artillerieoffizier in der Schweizer Armee. 1832 wurde er offiziell Schweizer Staatsbürger und Ehrenbürger des Kantons Thurgau.
Der Rest ist Geschichte: Putschversuche, Exil in den USA, Haft in Frankreich, erneutes Exil in England. Und dann: 1848 ganz demokratisch die Wahl zum Präsidenten Frankreichs, und 1852 auf Grundlage einer Volksabstimmung seine Ernennung zum Kaiser. Er führte Kriege auf der Krim und auf Sardinien.
Am 4. September 1870 wurde Napoleon nach dem Deutsch-Französischen Krieg abgesetzt, und ging nach England ins Exil.1 873 verstarb er dort mit 64 Jahren während einer Blasenstein-Operation. Begraben ist er in der kaiserlichen Krypta der Sankt-Michaels-Abtei in Farnborough, Hampshire.
Weit weg vom Konstanz seiner Jugend.