Neujahr 2019. Ein Tag, den Christina Egli nie vergessen wird. Denn wer wird denn schon vom französischen Staatspräsidenten geehrt? Und das auch noch mit der höchsten Auszeichnung, die die Grande Nation zu bieten hat?
„Ich habe wie so oft meine Mails gecheckt“, erzählt die 65-Jährige. Bei einer Mail wurde sie hellhörig. „Im Betreff stand: Félicitation.“ Das ist französisch und heißt: Glückwunsch.
Sie traute ihren Augen nicht: Emmanuel Jean-Michel Frédéric Macron, Präsident der Französischen Republik, wird sie zum Ritter der Ehrenlegion ernennen. Veröffentlicht wurden die Zeilen im Journal Officiel de la République française, dem staatlichen Amtsblatt. Ein Freund schickte Christina Egli eine Kopie.
Eine Auszeichnung, die nur wenige Personen erhalten
„Ich war sprachlos“, erinnert sie sich. Diese Auszeichnung erhalten nur wenige Personen – aktuell zum Beispiel die französischen Fußball-Weltmeister, die mehrfache Eiskunstlauf-Europameisterin Surya Bonaly – und Christina Egli. Auf Seite vier steht bei der Auflistung der Ausgezeichneten unter anderem: Mme Egli (Christina), historienne de l‘art, conservatrice de musée (Suisse); 39 ans de services.
Sie erhält den Orden für ihre langjährigen Verdienste für die französische Geschichte.

Warum bekommt Christina Egli den hohen französischen Orden?
Christina Egli betreut seit 2002 die Sammlungen des Napoléon-Museums in Schloss Arenenberg, zehn Kilometer von Konstanz entfernt. Darüber hinaus widmet sie sich der napoleonischen Forschung sowie den Sonderausstellungen und didaktischen Programmen.
Zusätzlich engagiert sie sich im schweizerisch-französischen Kulturaustausch. Sie pflegt engen Kontakt mit historischen Gremien zur Erforschung der gemeinsamen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts und war bereits dreimal auf der südatlantischen Insel St. Helena – 1815 wählte die britische Regierung St. Helena als Verbannungsort Napoléon Bonapartes, der 1815 dorthin deportiert wurde und bis zu seinem Tod 1821 im Longwood House residierte. 1858 wurde der Verbannungswohnsitz auf Veranlassung seines Neffen Napoléon III. vom französischen Staat für 7100 Pfund erworben.
Was hat Christina Egli in Konstanz an der Uni gearbeitet?
Christina Egli, gebürtige Schweizerin und mittlerweile französische Landsfrau, ist Generationen von Konstanzer Akademikern in bester Erinnerung. Sie war als Mitarbeiterin der Uni-Bibliothek zwischen 1979 und 2002 eine kompetente und freundliche Ansprechpartnerin.
Schon damals war sie eine profunde Kennerin der französischen Geschichte, doch nicht nur das: Sie studierte parallel Kunstgeschichte und Archäologie des Mittelalters. Zusammen mit Konstanzer Historikern wie Dominik Gügel, Daniel Gross oder Harald Derschka besuchte sie Veranstaltungen der legendären Judith Oexle. Die Mittelalterarchäologin, die bereits mit 15 Jahren als archäologische Ausgrabungshelferin am Bodensee arbeitete und ihr Studium mit summa cum laude abschloss, übernahm 1983 beim Landesdenkmalamt die Leitung der archäologischen Grabungen in Konstanz und wurde 1990 Leiterin des archäologischen Landesmuseums in Konstanz.
Die Ausbildung bei Judith Oexle war hart und prägend. Christina Egli saugte das Wissen auf – und wurde 2002 ans Schloss Arenenberg gerufen. Bis vor fünf Jahren hat sie in Konstanz gewohnt. „Heute lebe ich in Kreuzlingen, direkt hinter dem Lago“, erzählt sie. „Weiter weg von Konstanz wollte ich nicht ziehen. Die Stadt ist fantastisch.“
Was hat das Schloss Arenenberg mit Napoleon zu tun?
Der Konstanzer Patrizier Henni Augspuger besitzt im 15. Jahrhundert dort, wo heute das prachtvolle Schloss steht, einen „wingarten“. In den Folgejahren gehört der „Narrenberg“ führenden Konstanzer Familien. Sebastian Geissberg, der letzte reformierte Bürgermeister der Konzilstadt, nimmt 1546 bis 1548 Umbauten vor und errichtet im Stil der Renaissance ein „Lustschloss mit Garten“.

Louis Napoléon III. muss 1815 nach der Niederlage seines Onkels Napoléon Bonaparte in Waterloo mit seiner Mutter Hortense ins Exil – und landet in Konstanz. David Macaire führt hier als Schweizer Investor eine Textilfabrik, er verwaltet das Vermögen der Familie. Zwei Jahre später kauft Hortense Schloss Arenenberg und zieht mit Sohn Louis Napoléon III. dorthin.
Hortense war die Tochter von Joséphine, der ersten Frau Napoléon Bonapartes, und Gattin von Napoléons Bruder Louis, von 1806 bis 1810 König von Holland. 1906, nach dem Tod Napoléons III., schenkt seine Gemahlin Eugénie Schloss Arenenberg dem Kanton Thurgau.
Direktor des Museums ist seit 2000 der Konstanzer Dominik Gügel.