Vor einigen Wochen verkündete die bekannte Ex-Winzerin des Ermatinger Kehlhofs, Mary Sauter, nun habe sie mit dem Brotbacken endgültig aufgehört. Rund 70 Jahre lang hatte sie im unweit der Kirche gelegenen jahrhundertealten Kehlhof mit seiner historischen Reichenauer Gerichtsstube Wein gekeltert, köstliches Bauernbrot gebacken und in der rabenschwarzen Räucherkammer delikate Würste und Speck geräuchert.

Doch als sie 90-jährig den Kehlhof an eine neue Eigentümergemeinschaft übergeben hatte, wollte sie mit dem alten Leben abschließen: „Ich habe ein gutes Leben gehabt. Alles, was jetzt noch kommt, ist ein Geschenk“, sagte sie. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Schwere gesundheitliche Probleme setzten ein, Ende Februar schloss die alte Kehlhof-Chefin für immer die Augen.

Mit ihrem 2014 gestorbenen Mann Georg hatte Mary den Kehlhof 1956 von den Schwiegereltern übernommen. Seit 1902 war dort eine Mosterei betrieben worden. „Wir hatten sieben Kühe, keine Milch-Kühlanlage, und die Mosterei warf auch nichts mehr ab“, erinnerte sich Sauter wenige Wochen vor ihrem Tod. „Wir wären verlumpet“, rief sie aus.

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Und sie berichtete vom Neuanfang: Die Schweizerische Bankgesellschaft (heute UBS) eröffnete damals gerade das Schloss Wolfsberg als Ausbildungszentrum. Der Chef des Wolfsbergs fragte, ob sie den Verwaltungsrat in ihrer Gerichtsstube bewirten könnte. So begann die Karriere des Kehlhofs als einmalige Thurgauer Besenbeiz.

Prominente und normale Gäste feierten dort. Mary Sauter und ihre treue Helferin Jakobine Bruderer kredenzten Brot und eigene Räucherwürste. „Wer bei mir Lachs bestellen wollte, war schon falsch“, sagte Sauter. Das Konzept war erfolgreich; die Bankgesellschaft brachte ihr immer prominentere Kundschaft ins Haus: Helmut Schmidt, Helmut Kohl, die Künstlerin Niki de Saint Phalle und schließlich sogar der damalige US-Außenminister Henry Kissinger saßen im Kehlhof.

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Der jüngst verstorbene Chefkoch des Wolfsbergs, Fridolin Berchtold, bekochte Kissinger, das war die Ausnahme. „Ich habe den Kissinger in meinen flachen Filzfinken bedient, weil die so gut über den Holzboden rutschten“, erzählte Sauter mit lautem Lachen.

Trotz der namhaften Gäste blieben die Sauters bodenständig: Georg arbeitete im Weinberg, Mary organisierte den Direktverkauf, lieferte künstlerischen Blumenschmuck an die Gastronomie und war eine große Groppen-Fasnachterin. Mit der Journalistin Hedi Grubenmann brachte sie ein berührendes Erinnerungsbuch heraus, gab Lesungen und spielte ihre Drehorgel. In Erinnerung aber bleibt die große Gastgeberin, Winzerin, Geschichtenerzählerin, Fasnachterin und Blumenkünstlerin Mary Sauter.