Vor dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern in Berlin hat die baden-württembergische Landesregierung noch einmal Druck aufgebaut: Innenminister Thomas Strobl und Migrationsministerin Marion Gentges (beide CDU) forderten stationäre Grenzkontrollen zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz – entsprechende Kontrollen gibt es bereits an der Grenze zwischen Österreich und Bayern. Welche Folgen hätten solche Kontrollen im Land?
Wie schnell wären systematische Grenzkontrollen zur Schweiz möglich?
Als 2015 Kontrollen an der österreichischen Grenze wieder eingerichtet wurden, geschah das umgehend nach der Ankündigung. Noch am selben Tag wurden vereinzelt und stichprobenartig Fahrzeuge angehalten und überprüft, hieß es damals. Zudem wurde der Zugverkehr über Nacht für zwölf Stunden unterbrochen. Ähnliches wäre auch an der Schweizer Grenze zu erwarten. Eine Antwort von der Bundespolizei hierzu steht aber noch aus und das Bundesinnenministerium möchte sich vor Abschluss des Gipfels nicht dazu äußern.
Hat die Bundespolizei überhaupt genug Leute dafür?
Auch diese Frage lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Der Personalaufwand hängt von der Intensität der Kontrollen ab. Schon jetzt kontrolliert die Bundespolizei den Grenzbereich mit verschiedenen Maßnahmen.
Dass schärfere Kontrollen aber eine zusätzliche Belastung wären, darauf deutet eine Aussage von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) von Ende Februar hin: Er habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon im Vorjahr angeboten, „dafür seitens der baden-württembergischen Landespolizei alle Maßnahmen der Bundespolizei im Rahmen des rechtlich Möglichen nach Kräften zu unterstützen“. Die Frage, woher die Landespolizei entsprechende personelle Ressourcen nähme, ließ das Ministerium unbeantwortet.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte bereits vorgeschlagen, wegen der gestiegenen Zahl unerlaubter Einreisen Personal vom Zoll zur Unterstützung der Bundespolizei an der Grenze hinzuzuziehen.
Fänden an den Grenzübergängen dann dauerhafte Kontrollen statt oder nur zeitweise?
Dauerhafte Kontrollen sind eher nur an Autobahnübergängen wahrscheinlich. Das würde dann eine Fahrbahnverengung und stichprobenartige Überprüfungen bedeuten. Der Konstanzer Rechtswissenschaftler und Migrationsexperte Daniel Thym weist darauf hin, dass Grenzkontrollen ganz unterschiedlich stattfinden können. „Es kann nur punktuell kontrolliert werden, an einzelnen Grenzübergangsstellen und auch dann nicht notwendigerweise konsequent sondern nur einzelne Personen. Das würde dann die Bundespolizei machen und konkret nach Ausweisen fragen.“
Wie stark Pendler davon betroffen wären, hinge davon ab, wie systematisch die Grenzkontrollen wären. „Es könnte zum Beispiel sein, dass nur asylpolitische Hotspots kontrolliert werden, also konkret die Grenzübergänge und der Bahnverkehr zwischen Basel und Weil am Rhein. Dann wäre dort eine Belastung für Pendler gegeben, nicht jedoch woanders“, so Thym.
Drohen wieder Grenzzäune zwischen Deutschland und der Schweiz, wie zu Corona-Zeiten?
Davon ist derzeit nicht auszugehen. Auch hier können die Kontrollen an der österreichischen Grenze als Schablone gelten: Grenzzäune gibt es dort nicht. Österreich selbst allerdings hatte Ende 2015 einen Zaun an der Grenze zu Slowenien errichtet, um Flüchtlinge fernzuhalten. Der Nutzen war allerdings begrenzt: In der Folge kamen dort kaum Menschen an, so dass der Zaun weitgehend verwahrloste.

Was ändert sich bei der Einreise von der Schweiz nach Deutschland?
Erfahrungen der bestehenden Grenzkontrollen von Österreich nach Bayern zeigen, dass die Bundespolizei an Autobahnübergängen stichprobenartige Grenzkontrollen durchführt. Laut ADAC müssen Reisende dort je nach Verkehrsaufkommen mit Wartezeiten rechnen. „Diese können in den Spitzenzeiten der Hauptreisezeit eine halbe Stunde oder länger dauern“, heißt es beim Automobil-Club.
Für die Grenzwartezeiten hat Österreich eigens eine Webseite mit minutengenauen Wartezeiten eingerichtet. Ob so etwas auch für die Grenze zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg käme, ist derzeit unklar – die Grenze ist schließlich noch offen.
Als Deutschland im September 2015 an der österreichischen Grenze wieder Kontrollen einführte, kam es zu Stau auf den Autobahnen und Verspätungen im Zugverkehr, während sich damaligen Medienberichten zufolge für die Flüchtlinge wenig änderte: Die wenigsten waren mit dem Auto unterwegs.
Kann die Bundespolizei Flüchtlinge dann direkt an der Grenze abweisen?
Schon jetzt kann die Bundespolizei eine Person an der Grenze zurückschieben, wenn sie unerlaubt einreist. Auch sogenannte Zurückweisungen sind schon jetzt möglich. Hiervon ist die Rede, wenn noch kein Grenzübertritt erfolgt ist. „Im Falle von Einreiseverweigerungen durch die Bundespolizei werden die Schweizer Behörden hierüber informiert, welchen im weiteren Verlauf die Entscheidung über eine Übernahme der Personen obliegt“, heißt es dazu von der Bundespolizeidirektion in Stuttgart.
Umfangreichere Grenzkontrollen könnten die Anzahl solcher Maßnahmen steigern. Aber: Stellt eine Person an der Grenze einen Asylantrag, kann sie nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden – und so machen es viele Flüchtlinge. Das gilt auch im Falle wiedereingeführter Grenzkontrollen weiter.
Eigentlich sind im Schengenraum keine Binnengrenzkontrollen vorgesehen. Wie können sie wieder eingeführt werden?
Der Schengener Grenzkodex sieht Ausnahmeregelungen vor, falls die „öffentliche Ordnung und Sicherheit ernsthaft gefährdet“ sind. Diese Ausnahmen dürfen bei solchen „außergewöhnlichen Umständen“ für 30 Tage Grenzkontrollen wiedereinführen und bei Bedarf verlängern – allerdings auf eine Höchstdauer von zwei Jahren, die im Falle der Grenze zu Österreich deutlich überschritten wurde.
Experte Daniel Thym geht davon aus, dass eine solche Verlängerungspraxis rechtswidrig ist: „Ob in Baden-Württemberg jemand klagen würde, weiß ich nicht, rechtlich hätten sie jedoch sehr gute Chancen – vorausgesetzt, die Kontrollen dauern mehr als sechs Monate, in den ersten sechs Monaten wäre eine Klage sehr riskant.“
Welche Folgen hätten Grenzkontrollen zur Schweiz noch?
Wenn Grenzkontrollen zu Staus führen, behindert das auch den Warenverkehr. Für den Transportverkehr aus Österreich hat das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo 2016 jährlich Mehrkosten zwischen 38 und 140 Millionen Euro geschätzt. Die Berechnungen lassen sich aber nicht auf die Schweizer Grenze übertragen. Zum einen ist das Transportvolumen ein anderes, zum anderen finden an dieser Grenze ohnehin schon Zollkontrollen statt.