Die Schweiz liegt den Südbadenern in vielen Bereichen nahe. Was etwa die Arbeit angeht, die Ferien und auch, wenn es darum geht, sich medizinisch behandeln zu lassen: Das Gesundheitssystem des Nachbarlandes gilt nämlich als besonders effizient. Es ist allerdings auch teuer. Wer kann sich dort behandeln lassen? Für wen lohnt es sich? Und wer übernimmt die Kosten? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Können sich Menschen mit deutscher Krankenversicherung in der Schweiz behandeln lassen?

Grundsätzlich ist das möglich. Allerdings unterscheiden sich die jeweiligen Verfahren, Kostenübernahmen und Möglichkeiten, die einerseits Private und andererseits Gesetzliche Krankenkassen anbieten.

Unter welchen Umständen können sich gesetzlich Versicherte im Nachbarland versorgen lassen?

Im Allgemeinen begrenzt sich der Leistungsanspruch gegenüber der Gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV, auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Wenn jemand also in Deutschland gesetzlich krankenversichert ist, ist in der Regel nur eine Behandlung in einer deutschen Praxis möglich.

Wer in die Schweiz reist, um sich dort behandeln zu lassen, müsste die Kosten im Umkehrschluss selbst tragen, schreibt die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hierzu.

Gesetzlich Versicherte der AOK Baden-Württemberg haben freie Arztwahl – auch über die Landesgrenzen hinaus.
Gesetzlich Versicherte der AOK Baden-Württemberg haben freie Arztwahl – auch über die Landesgrenzen hinaus. | Bild: Karl-Josef Hildenbrand

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Im Juni 2004 wurde die Europäische Krankenversichertenkarte oder EHIC eingeführt, seit 2006 ist sie in den EU-Mitgliedsstaaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz anerkannt.

„Sie gilt bei vorübergehendem Aufenthalt in einem dieser Staaten als Nachweis des Anspruchs auf notwendige medizinische Versorgung“, erklärt Klaus Föll von der Techniker Krankenkasse. „Was sich in der Theorie sehr einfach und praktisch anhört, ist in der Praxis allerdings nicht ganz so einfach.“

Ärzte in den genannten Ländern sind demnach nicht verpflichtet, auf die EHIC zu behandeln. Das heißt nach den Angaben des Sprechers, dass der Patient oder die Patientin in den allermeisten Fällen als Privatpatient oder Privatpatientin behandelt wird und die entstandenen Kosten direkt in Rechnung gestellt bekommt.

Wie bekommen gesetzlich Versicherte ihr Geld zurück?

Arztrechnungen aus den oben genannten Ländern können bei der GKV zur Kostenerstattung eingereicht werden. Erstattet werde jedoch nur der Betrag, der in Deutschland für die jeweilige Leistung vereinbart wurde, sagt Klaus Föll von der Techniker Krankenkasse. Hinzu kommt der Abschlag von Verwaltungskosten.

„Eine Behandlung in der Schweiz wäre also möglich, allerdings würden auf den Patienten oder die Patientin vermutlich hohe Eigenanteile zukommen“, erklärt der Sprecher. Ein Beispiel: Während ein Zahnimplantat in Deutschland zwischen 1800 und 3400 Euro kostet, liegen die Preise in der Schweiz bei bis zu 5500 Franken, umgerechnet also etwa 5600 Euro. Der Kassenpatient müsste also damit rechnen, für die Differenz von mindestens 2200 Euro selbst aufkommen zu müssen – wobei dieser Unterschied je nach Art des Eingriffs stark variieren kann.

Außerdem muss bereits vor der Behandlung in vielen Fällen eine Kostenzusage in Deutschland erteilt werden, um die sich der Patient auch bei einer Behandlung in der Schweiz kümmern müsste. „Dies wäre zum Beispiel bei stationären Behandlungen, ambulanten Operationen oder auch bei Zahnersatz der Fall“, meint Klaus Föll.

Vorteile des Schweizer Gesundheitssystems

Kann eine gesetzlich versicherte Person in Deutschland regelmäßig einen Hausarzt in der Schweiz aufsuchen?

Das ist ungewöhnlich, aber möglich. Die Versicherten der AOK Baden-Württemberg zum Beispiel haben wie viele andere gesetzlich Versicherte in Deutschland eine freie Arztwahl auch über die Landesgrenzen hinaus. Bei ausländischen Behandlungen erfolgt, wie beschrieben, eine Kostenerstattung an den Versicherten. Die Erstattungshöhe orientiert sich dabei an den deutschen Vertragssätzen. Auch in diesen Fällen muss der Patient für eine eventuelle Differenz also selbst aufkommen.

Gibt es Fälle, in denen die Kosten einer Behandlung in der Schweiz vollständig übernommen werden?

In seltenen Fällen, wie die AOK Baden-Württemberg bekräftigt. Dies erfolgt der Schilderung nach dann, wenn aus medizinischer Sicht die Behandlung in Deutschland nicht sichergestellt werden kann. Beurteilt wird dies aber zuvor von einem Arzt, die Leistung sei zudem vorab bei der Gesetzlichen Krankenkasse zu beantragen, teilt Cordelia Steffek mit.

Welche Möglichkeiten ergeben sich für privat Versicherte?

Die Tarife in der privaten Krankenversicherung, kurz PKV, haben laut Eva-Maria Sahm von der Huk Coburg europaweite Geltung. Sie gelten demnach auch für die Schweiz. Voraussetzung ist aber immer eine medizinisch notwendige Heilbehandlung. „Wir erstatten bei geplanten Aufenthalten in der Schweiz maximal die Kosten, die bei einer vergleichbaren Behandlung in Deutschland entstanden wären. Dies ist in den Versicherungsbedingungen geregelt“, erläutert die Sprecherin auf Nachfrage.

Insofern können den Versicherten ähnlich wie bei den Gesetzlichen Krankenkassen Eigenbehalte entstehen, wenn sie statt eines Leistungserbringers in Deutschland einen Leistungserbringer in der Schweiz wählen. Was viele Patientinnen und Patienten dennoch abschreckt: „In der Regel liegt das Preisniveau von Behandlungen in der Schweiz deutlich über den vergleichbaren Kosten einer Behandlung in Deutschland.“

Wer übernimmt die Kosten in Notfällen?

Bei Notfallbehandlungen im Krankenhaus, etwa nach einem Skiunfall oder auch Verkehrsunfall in der Schweiz, werden die Kosten nach Angaben der Techniker Krankenkasse in der Regel zwischen dem Krankenhaus und der GKV abgerechnet. Auf diese Weise bleibe dem Patienten oder der Patientin nur der in der Schweiz übliche Eigenanteil.

Dieser Selbstbehalt liegt nach Angaben der öffentlich-rechtlichen Nachrichten- und Informationsplattform Swissinfo bei zehn Prozent, dazu kommt ein täglicher Beitrag von 15 Franken für den Spitalaufenthalt. Auch wer privat versichert ist, muss sich keine Sorgen machen. Die PKV erstattet bei einem Unfall in der Schweiz meist die landesüblichen Sätze.

Sanitäter von Schutz & Rettung Zürich. Wer als deutscher Krankenversicherter einen Unfall in der Schweiz erleidet, muss sich um seine ...
Sanitäter von Schutz & Rettung Zürich. Wer als deutscher Krankenversicherter einen Unfall in der Schweiz erleidet, muss sich um seine medizinische Versorgung keine Gedanken machen. | Bild: Ennio Leanza

Können Schwangere wahlweise in Schweizer Kliniken entbinden?

Generell ja. Die meisten Gesetzlichen Krankenkassen erstatten aber auch hier nur die Kosten in Höhe der deutschen Vertragssätze. „Eine eventuelle Differenz ist von den Patienten selbst zu tragen“, erklärt Cordelia Steffek von der AOK Baden-Württemberg. Diese Differenz kann aber in die Tausenden gehen.

Denn die Kosten für eine Geburt in einer Schweizer Klinik variieren je nach Kanton und Spital zwischen 3600 und 4800 Franken in der Allgemeinen Abteilung, 8000 und 11.000 in der Halbprivaten Abteilung bis 9500 bis 13.500 Franken in der Privatabteilung oder einem Privatspital.

So wurden im Jahr 2019 für eine natürliche Geburt in der Schweiz durchschnittlich gut 5000 Franken fällig, heißt es bei der Statistikdatenbank Statista. Zum Vergleich: In deutschen Kliniken liegen die Kosten für eine natürliche Geburt in der Regel bei 2000 bis 3000 Euro.

Cordelia Steffek von der AOK Baden-Württemberg weist daraufhin, dass die Qualität der Kliniken auf deutscher Seite überaus gut sei. Eine Auslandsbehandlung für Schwangere sei in den wenigsten Fällen medizinisch notwendig. „Um die Versorgung in unserer Region sicherzustellen, haben wir einen Vertrag für die Entbindung mit dem Klinikum Leuggern geschlossen, wo lediglich die AOK-Karte ist vorzulegen ist“, sagt die Sprecherin.

Für wen ist eine zusätzliche private Auslandskrankenversicherung sinnvoll?

Für denjenigen, der privat versichert ist, gilt zwar beim Auslandsschutz das Prinzip, dass Extra-Leistungen extra versichert müssen und entsprechend Beiträge zu zahlen sind. Allerdings ist in den meisten Tarifen vorgesehen, dass der Versicherungsschutz auch außerhalb Deutschlands greift, sollten die Aufenthalte vorübergehend sein – also beispielsweise im Urlaub. Oft gilt der Versicherungsschutz sogar weltweit. Bei neueren Tarifen ist die Geltungsdauer meist auf Aufenthalte von bis zu sechs Monaten begrenzt.

Anders gestaltet es sich bei ausschließlich gesetzlich Versicherten. Hier erhalten Krankenversicherte mit der elektronischen Gesundheitskarte EU-weit zwar alle medizinischen Leistungen, die während der Reise notwendig werden und nicht bis zur Rückkehr ins Heimatland aufgeschoben werden können.

Nicht abgedeckt sind die Kosten für einen gegebenenfalls erforderlichen Rücktransport nach Deutschland, genauso Zuzahlungen und Eigenanteile oder Behandlungen durch private Leistungserbringer.

Hier empfiehlt es sich daher, zusätzlich eine private Auslandsversicherung abzuschließen. Gleiches gilt für gesetzlich Versicherte, die einen Urlaub außerhalb der EU planen. Denn außerhalb dieser Staaten besteht für sie keinerlei Versicherungsschutz durch die Gesetzliche.