„Der Mann lebt in der Fantasie, dass er die Garage zerstören darf. Das muss ein Ende haben.“ Der Kläger zeigt vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen ein Foto eines Garagentores. Unten rechts ist ein aus dem Blech herausgefrästes Viereck zu erkennen. Der Eigentümer des Nachbarhauses hatte an einem Vormittag im Frühling 2021 ein Loch in das Tor hineingeflext. Nun trafen sich die beiden Herren vor Gericht.
Nicht zum ersten Mal waren sie wegen ihres seit Jahren schwelenden Nachbarschaftsstreits dort. Im eigentlichen Sinne sind die beiden gar keine Nachbarn. Ihnen gehört lediglich je ein Teil eines Doppelhauses in einer Seegemeinde. Beide haben ihre Liegenschaft vermietet. Die Krux: Eine der zugehörigen Garagen gehört offiziell zwar dem einen Mann, der andere hat daran aber ein im Grundbuch eingetragenes alleiniges und uneingeschränktes Nutzungsrecht.
Aus Sicht des Privatklägers klingt die Geschichte so: Um die Eigentumssituation zu klären, habe ihm der Beschuldigte schon kurz, nachdem er die Haushälfte gekauft hatte, auch die Garage verkaufen wollen. „Das Angebot war aber unbefriedigend. Er wollte mich über den Tisch ziehen.“ Er hätte gerne ein gutes Verhältnis mit dem Nachbarn, aber es müsse einfach klar sein, was die Rechtslage sei. Und diese sieht so aus: Der rechtliche Eigentümer hat letztlich keine Verfügungsgewalt über seine Garage.
Der knapp 70-jährige Beschuldigte wollte an der Gerichtsverhandlung keinerlei Aussagen machen. Sein Anwalt argumentierte mit fehlendem Vorsatz und forderte einen Freispruch. Es sei bei der Aktion um ein Bauprojekt gegangen, sein Mandant beabsichtigte, eine Personentür in das Garagentor einzubauen. Das sei auch mit dem Nachbarn abgesprochen gewesen. „Sachbeschädigung kann es nicht sein, weil er sich als Eigentümer des Garagentores ja selbst geschädigt hat.“
Das Bezirksgericht folgt dieser Argumentation nicht. Das Bauprojekt sei nicht greifbar. Es lägen dazu keine Unterlagen vor. Dass sich der Beschuldigte nur einen Überblick verschaffen wollte, glaube man nicht. „Es ist nicht der normale Weg, dass man mit der Trennscheibe anrückt, wenn man eine Bestandsaufnahme machen will.“ Wahrscheinlicher findet das Gericht, was der Kläger vorbrachte: Als sich die Hoffnung auf eine Lösung der unbefriedigenden Situation durch Verkauf zerschlug, habe es ihm den Deckel gelupft.
Das Gericht spricht den Garagen-Flexer der Sachbeschädigung schuldig. Er erhält eine bedingte Geldstrafe von 700 Franken und eine Buße von 300 Franken. Er muss auch Kosten in vierstelliger Höhe übernehmen. „Wir wünschen ihnen, dass sie die Garagengeschichte in den Griff bekommen und sich als Nachbarn arrangieren“, so der Richter.
Urs Brüschweiler ist Reporter unserer Partnerzeitung „Thurgauer Zeitung“.