An Silvester hat ein Gericht Hochsaison, das man zu anderen Jahreszeiten vergeblich auf den Esstischen hiesiger Haushalte sucht: Viele Deutsche packen den Raclette-Grill nun aus dem Schrank und schreiben lange Einkaufslisten. Von Fleisch und Meeresfrüchten bis zu Gemüse und Obst kommt in Deutschland so ziemlich jedes Lebensmittel ins Pfännchen.
Doch in der Schweiz, dem Heimatland des Raclettes, funktioniert die Zubereitung ganz anders. Das Raclette wurde laut einer Legende im Kanton Wallis in der Südschweiz erfunden. Dort habe man alte Schriften aus dem Mittelalter gefunden, erzählt Eddy Baillifard, bekannt als der Raclette-Papst. Er ist Botschafter des Raclette du Valais, wie der Schweizer Raclettekäse auf Französisch heißt.
Raclette wurde zufällig entdeckt
Im Mittelalter habe ein Schäfer an einem kalten, verschneiten Tag ein Feuer entzündet. „Er hat seine Lebensmittel neben dem Feuer liegen gelassen und der Käse begann zu schmelzen. Er fand das exzellent, daher hat er seine Freunde eingeladen und das Raclette war geboren“, sagt Eddy Baillifard.
Den Namen Raclette erhielt der geschmolzene Käse erst im 19. Jahrhundert. Das Wort leitet sich von racler ab, was im Dialekt der französischsprachigen Region so viel bedeutet wie schaben. Denn nach dem Schmelzen über dem Feuer wird der Käse vom Laib auf einen Teller geschabt.

Traditionell ohne Pfännchen
Noch heute verwenden Walliser eigentlich keine Pfännchen, um das Raclette nach Walliser Art zuzubereiten: Wer in einem Walliser Restaurant Raclette bestellt, wird einen halben Laib Käse serviert bekommen, der unter einen Raclette-Ofen gestellt wird. In manchem Restaurant erhitzen die Köche den Käse sogar noch am Holzofen.
Inzwischen gehe der Trend aber auch im Wallis zum Raclette-Grill mit Pfännchen. „Nicht jeder Haushalt ist mit einem traditionellen Raclette-Ofen ausgestattet“, sagt Eddy Baillifard. Er selbst sei gegen diese Art der Zubereitung: „Aber ich verstehe, dass man im kleinen Kreis der Familie am Wochenende eher zum Pfännchen greift.“

Zutaten im Wallis überschaubar
30 Jahre lang arbeitete Eddy Baillifard als Käser. Inzwischen betreibt der 60-Jährige sein eigenes Restaurant im Wallis: „Wir servieren jeden Tag non-stop Raclette“, sagt er und lacht. Im Wallis isst man Raclette nämlich zu jeder Gelegenheit: Bei Musikfestivals, bei Hochzeiten, Taufen und sogar Beerdigungen.
Im Gegensatz zu Deutschland kommen im Wallis nur bestimmte Zutaten auf den Raclette-Teller: Getrocknete Wurst und roher Schinken werden als eine Art Aperitif gereicht. Zum eigentlichen Raclette essen die Schweizer dann Kartoffeln und eingelegtes Gemüse: Essiggurken, Silberzwiebeln und Blumenkohl. „Das einzig erlaubte Gewürz ist Pfeffer“, erklärt Eddy Baillifard.
Gewürze im Käse verboten
Der echte Walliser Raclettekäse, der Raclette du Valais, trägt eine geschützte Herkunftsbezeichnung: Den Namen darf nur der Käse tragen, der von Produzenten der Region stammt. Sie müssen sich an strikte Vorgaben halten. Der Käse wird aus Rohmilch zubereitet, die nicht pasteurisiert werden darf. Auch bei der Haltung der Kühe gibt es Regeln: 80 Prozent des Futters muss von den Bauern selbst hergestellt sein, jeden Morgen müssen die Kühe gemolken werden.
„Wir dürfen in der Herstellung auch keine Gewürze wie Paprika oder Knoblauch verwenden“, sagt Eddy Baillifard. Es gibt Käser aus anderen Regionen, die solche Gewürze in ihrem Käse verarbeiten. Davon ist Baillifard jedoch nicht überzeugt: „Ich rate, einen Naturkäse zu kaufen. Die Konsumenten können dann selbst Gewürze hinzufügen, wenn sie das möchten. Ich bin aber nicht dafür.“
Wer nicht zur Sorte Raclette du Valais greifen möchte, sollte laut Eddy Baillifard einen Raclettekäse aussuchen, der im Sommer hergestellt wurde, als die Kühe auf der Alm grasten. „Die Besonderheiten dieser Haltung, die Gräser und die Pflanzen wird man im Käse schmecken.“
Von veganem Käse hingegen hält er wenig. „Ich habe noch nie veganen Käse probiert, denn ich bin total dagegen“, sagt der Experte. In seinem Restaurant bediene er Vegetarier, für Veganer habe er kein Angebot auf seiner Karte.
Letztlich komme es aber beim Raclette gar nicht so sehr auf den perfekten Käse an: „Ich wiederhole mich immer wieder: Die beste Zutat für Raclette ist die Qualität der Freunde, mit denen man es isst. Man kann einen super guten Käse haben, wenn die Gäste seltsam sind, ist es blöd.“ Und das gilt wohl nicht nur für das Walliser Raclette.