Es geht wieder los: Bald wird Porsche-Pilot Pascal Wehrlein aus der winterlichen Schweiz ins heiße Mexiko fliegen. Zum ersten Formel-E-Rennen der Saison am 13. Januar. Die Hitze steckt er weg. „Das liegt wohl an meinen Genen“, sagt er mit einem breiten Grinsen. Seine Mutter stammt aus Mauritius, der Vater aus der Nähe von Sigmaringen. Jetlag kennt der 29-Jährige nur vom Hörensagen: „Vielleicht, weil ich so viel unterwegs bin.“
Facetime, weil Soleya so gerne den Papa sieht
Pascal Wehrlein ist seit zehn Jahren Profi-Rennfahrer, er war schon überall auf der Welt. Doch von den exotischen Plätzen sieht er meistens wenig: Flughafen – Hotel – Rennstrecke, das ist die übliche Tour. Nach dem Rennen will Wehrlein möglichst schnell zurück in die Schweiz, denn in Kreuzlingen warten die zwei wichtigsten Frauen seines Lebens auf ihn: seine Verlobte Sibel Levent und die zehn Monate alte Tochter Soleya.
Während der Rennsaison telefonieren sie jeden Tag miteinander, erzählt Sibel Levent: „Sehr viel Facetime, weil sich Soleya so freut, wenn sie den Papa sieht.“ Pascal Wehrlein sagt: „Unser Leben ist nochmals so viel schöner geworden, seit Soleya auf der Welt ist.“ Auch wenn die Nächte jetzt gefühlt viel kürzer sind. Fährt er vorsichtiger, seit er ein Kind hat? Wehrlein schüttelt entschieden den Kopf: „Sobald ich den Helm aufsetze, denke ich nur noch an den Sieg.“
Pascal Wehrlein war fünf Jahre alt, da nahm ihn sein Vater mit zum Hockenheim-Rennen. Am Start waren Michael Schumacher und Mika Häkkinen. Die Motoren dröhnten so laut, dass dem Bub fast die Luft wegblieb. „Ich will Rennfahrer werden“, sagte er zu seinem Vater. So hat es angefangen.
Drei Jahre habe er seine Eltern nerven müssen, bis er zum ersten Mal in einen Kart steigen durfte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Viermal in Folge wurde er Deutscher Meister im Kartfahren. Die Eltern waren bei jedem Rennen dabei.
„Im Wohnmobil sind wir durch ganz Deutschland gedüst. Die Schulsachen hatte ich immer dabei.“
Mit 20 Jahren wird Pascal Wehrlein der jüngste Champion in der Geschichte der DTM. Er wird als Ausnahmetalent gefeiert. Doch er bleibt auf dem Boden. Bevor er Profi wird, schließt er seine Ausbildung als Feinmechaniker ab. Der Ostschweizer Rennstall Sauber krallt sich schließlich den vielversprechenden Nachwuchsfahrer.
Doch in der Formel 1 wird Pascal Wehrlein nicht glücklich. Die Rennställe mit den großen Budgets führen die Spitze an. „Du gehst an den Start und weißt: Mit deinem Auto hast du keine Chance auf einen der vorderen Plätze“, beschreibt Wehrlein. Sein größter Erfolg in der Königsklasse ist trotzdem ein respektabler siebter Platz.
Sie gefällt ihm – er gefällt ihr
Dafür winkt privates Glück. Wehrlein zieht nach Landschlacht, weil das etwa in der Mitte liegt zwischen seinem Elternhaus und dem Sauber-Standort in Hinwil. Wenn er nicht Rennen fährt, trainiert er in einem Kreuzlinger Fitnessstudio. Hier fällt ihm schon bald eine junge Frau mit langen Haaren und dunklen Augen auf. Sie hat keine Ahnung von Autorennen und weiss nicht, wen sie vor sich hat. Er gefällt ihr, und sie gefällt ihm.
Seit fünf Jahren sind Pascal Wehrlein und Sibel Levent ein Paar. Die temperamentvolle Kreuzlingerin und der zurückhaltende Sigmaringer. Sie ist selbstbewusst, und das gefällt ihm: „Ich will eine Partnerin und kein Anhängsel.“
Ihre alleinerziehende Mutter hat ihr früh Selbstständigkeit beigebracht und dass sie für ihre Schulnoten verantwortlich ist. Das zahlt sich heute aus, Sibel Levent sagt: „Organisation ist mein zweiter Vorname.“ Das blieb auch dem Porsche-Team nicht verborgen. Ab diesem Jahr ist Sibel Levent die persönliche Assistentin von Pascal Wehrlein. Er sagt über sie: „Sibel ist ein Naturtalent, ich kann mich voll auf sie verlassen.“
Erst hat Sibel Levent den Hausbau gemanagt, später den Umzug, damit Wehrlein sich auf die Rennen konzentrieren konnte. Anfangs sei sie hochschwanger auf der Baustelle gewesen, später dann mit Baby. Viele Entscheidungen musste sie alleine treffen: „Zum Glück haben wir denselben Geschmack.“ Seit Mitte Oktober leben sie im neuen Heim in Kreuzlingen mit Garten. Nur für die Hochzeit haben die beiden noch keine Zeit gefunden. Doch die kann noch warten. Sie sind auch ohne Ehering glücklich.
Die Formel-E fordert die Fahrer anders
Trotz der vielen Veränderungen hat Pascal Wehrlein seine erfolgreichste Saison hinter sich. Über Monate führte er die Renntabelle der Elektroautos an. Der Weltmeistertitel schien greifbar. Doch die Abstände zwischen den Formel-E-Piloten an der Spitze waren knapp. Und auch die technischen Unterschiede bei den E-Autos sind längst nicht so groß wie in der Formel 1. Wehrlein beendete die Saison auf dem 4. Platz.
Die Elektro-Rennwagen fordern die Piloten: „Man muss vorausschauend fahren und effizient, damit die Energie reicht bis zum Ziel.“ Möglich, dass die Formel E die Zukunft im Autorennsport markiert. Die Entwicklung sei rasant, beobachtet Pascal Wehrlein. Vor fünf Jahren mussten die Fahrer noch auf halber Strecke das Auto wechseln, weil die Batterie leer war.
Was Pascal Wehrlein besonders gefällt, ist der Zusammenhalt zwischen den Fahrern in der Formel E. Nach dem Rennen sitze man oft noch zusammen: „Es erinnert mich an die Zeit, als ich noch Kart gefahren bin.“
Träumt er trotzdem davon, in die Formel 1, die Königsklasse, zurückzukehren? Pascal Wehrlein denkt kurz nach. Dann sagt er: „Sag niemals nie. Aber das Konzept müsste passen.“
Die Autorin arbeitet für die Thurgauer Zeitung, hier erschien der Text zuerst.